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Autor Thema: Hintergrund Offenlegung Preiskalkulation  (Gelesen 4738 mal)

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Offline Graf Koks

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Hintergrund Offenlegung Preiskalkulation
« Antwort #1 am: 14. November 2005, 17:02:30 »
Was unter einer wirklichen Offenlegung der Kalkulation zu verstehen ist, hat jüngst noch einmal das LG Neuruppin in dem Verfahren 2 O 28/05 wie folgt dargelegt:

„Im Rahmen der Offenlegung der Kalkulation hat der Versorger mithin im Einzelnen vorzutragen und gegebenenfalls zu beweisen, welche allgemeinen und besonderen Kosten, die durch die Belieferung des Kunden mit Fernwärme entstehen, abzudecken sind; ferner, welchen Gewinn er zur Bildung von Rücklagen, zur Finanzierung von Investitionen oder zur Verzinsung des aufgenommenen Kapitals bzw. der Einlagen seiner Gesellschafter mit dem dem Kunden berechneten Preis erzielen wollte (BGH NJW-RR 92, 183 ff.).“

Alles andere ist kalter Café.
Belege sehen wollen wir. Nüchtern, authentisch, vollständig.


M.f.G.
Graf Koks

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Hintergrund Offenlegung Preiskalkulation
« Antwort #2 am: 14. November 2005, 18:00:16 »
@Graf Koks

Da sind wir uns vollkommen einig.

Das ist die gleiche Terminologie wie in allen einschlägigen Gerichtsentscheidungen, vgl. OLG München NJW-RR 1999, 421; LG Berlin NJW-RR 2002, 992; LG Mannheim, AG Heilbronn, AG Karlsruhe etc. pp.


Nun haben aber schon Versorger innerhalb von Gerichtsverhandlungen erklärt, gar keine Rücklagen zu bilden.

Die notwendigen Investitionen würden über die Abschreibungen nach dem Prinzip der Nettosubstanzerhaltung abgesichert, oft aus dem cash flow bezahlt.

Mit anderen Worten:

Die zutreffende Vorstellung der Gerichte über eine vollständige, nachvollziehbare und prüffähige Offenlegung der Preiskalkulation führt bei vielen Versorgern zu erheblichen Problemen, weil sie nämlich in diesem Sinne bisher noch nie ihre Preise kalkuliert hatten. Das haben ja auch viele bereits mehr oder weniger eingestanden.

Genau das macht die Sache erst so spannend.

Ansonsten hätte kein einziger Versorger Schwierigkeiten damit gehabt, seine Preiskalkulation offen zu legen.

Bekanntlich sollen die  Versorger ja angeblich nichts zu verbergen haben, außer vielleicht der Tatsache, dass bisher gar keine Preise kalkuliert wurden anhand der Grundsätze der langjährigen Rechtsprechung .

Wenigstens Erdgas Südsachsen wollte die Kunden nicht disillusionieren und hat gleich mitgeteilt:

\"Im Übrigen hatten wir noch nie kalkulierte Gaspreise, sondern immer Wettbewerbspreise\".

Und damit dürfte Erdgas Südsachsen überhaupt nicht allein stehen, wenn man sich nur einmal ehrlich machen würde.

Nach einem Bericht im heutigen SPIEGEL beabsichtigt E.ON Hanse zum 01.01.2006 eine weitere Preiserhöhung, wenn möglich gleich um 20 Prozent auf einmal. Hat man Worte.

Die Kalkulation, aus der sich die Erforderlichkeit und Angemessenheit solcher Preiserhöhungen ergeben soll, möchte man sehen, mit exakten Belegen.



Freundliche Grüße
aus Jena



Thomas Fricke
Rechtsanwalt

Offline Cremer

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Hintergrund Offenlegung Preiskalkulation
« Antwort #3 am: 14. November 2005, 21:43:01 »
@Fricke,

Der Spiegelartikel von heute (Seite 61) ist ja die Höhe!

Frei nach dem Motto: Jetzt erst recht !!

Damit werden die Versorger noch weiter ungläubiger!

Man kann die ja nicht mehr für voll nehmen!

Ich gewinne immermehr den Eindruck und dies festigt auch meine Haltung, dass ich, sollten auch wir Kunden mal nicht in allen Positionen Recht bekommen und nur Teilerfolge erzielen, ich diesen Forderungen nicht nachgeben werde. Sollten auch noch soviele Urtiele gegen einen sprechen, werde ich bis zum Letzten gerichtlich kämpfen. Auch bei negativem Verlauf werde ich die (Geld-)Ansprüche nicht anerkennen. Dann werden die SW vermutlich das Gleiche machen müssen wie jetzt geschehen in Thüringen:  Abklemmen auf der Straße.
MFG
Gerd Cremer
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Hintergrund Offenlegung Preiskalkulation
« Antwort #4 am: 15. November 2005, 13:48:18 »
@Cremer

Das Abklemmen auf der Straße war zum einen unzulässig und hat sich zum anderen auch nicht gelohnt:

Das Trennen eines Kabels und der Wiederanschluss eines getrennten Kabels werden wohl in etwa mit 3.000 EUR zu veranschlagen sein.

Deshalb wird es wohl noch ordentlichen Ärger mit der Energieaufsicht geben.

Zudem hat der Versorger kein Geld bekommen. Es wurde bei Gericht hinterlegt und muss vom Versorger eingeklagt werden, was eine regelmäßig eine Offenlegung der Preiskalkulation erfordert.

Und auch über die Kosten des Notstromaggregats als Schadensersatz wird man noch streiten.

Ich glaube nicht, dass überhaupt noch einmal jemand eine solch törichte Idee überhaupt nur in Erwägung ziehen wird. Die dafür Verantwortlichen dürfen sich ggf. auch intern rechtfertigen. Als Arbeitgeber würde ich sogar Schadensersatzansprüche gegen die entsprechenden Mitarbeiter in Erwägung ziehen.

Grundsätzlich gilt: Auch Energieversorger sind lernfähig.

Also lassen Sie sich von der Geschichte nicht schrecken, sie ist eher eine Ermutigung, dass auch den Energieversorgern durch unser Rechtssystem ganz deutliche Grenzen gesetzt sind.

Ein noch weiter zunehmendes Glaubwürdigkeitsdefizit lässt sich wohl indes nicht leugnen:

http://www.handelsblatt.com/pshb?fn=tt&sfn=go&id=1138822




Freundliche Grüße
aus Jena



Thomas Fricke
Rechtsanwalt

 

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