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Autor Thema: Branche erwartet zunehmende Anwendung des § 315 BGB  (Gelesen 2784 mal)

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Branche erwartet zunehmende Anwendung des § 315 BGB
« am: 11. November 2005, 13:50:50 »
Auf der 34. Jahrestagung des auch von der etablierten Energiewirtschaft finanzierten und  von Prof. Ehricke geleiteten Energiewirtschaftlichen Instituts der Uni Köln am 10.11.2005 in Köln soll Herr Prof. Salje (Uni Hannover) ausgeführt haben, die zunehmende Anwendung des § 315 BGB werde die Konzentration des Marktes erhöhen, weil kleinere Versorger und Netzbetreiber daran scheitern müssten.

http://www.olg-duesseldorf.nrw.de/presse/material/mitteil/Pressemitteilung-2005-04-25-Ehricke.pdf

Die Meldung hier:

http://www.energate.de/news/81421

Juristenmeinung: BGH-Urteil benachteiligt kleinere Netzbetreiber
Köln (energate) - Die zunehmende Anwendung des Paragraphen 315 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) wird die Konzentration des Marktes erhöhen... 10.11.2005 - 11:17


Prof. Salje gibt wieder einmal im Sinne der etablierten Energiewirtschaft eine Stellungnahme ab.

In diesem Sinne stellte dieser in Energiewirtschaftliche Tagesfragen 2005, S. 34 auch schon die These auf, \"Die vorgesehene Regulierung begünstigt einen Einheits- Versorgungsvertrag, der in der ganzen Bundesrepublik Deutschland Gültigkeit haben wird\", und verkannte wohl dabei, dass spätestens seit Einführung der AVBEltV 1979 bereits bundesweit einheitliche Stromlieferungsverträge bestehen, da die Bedingungen der §§ 2 bis 34 AVBEltV bisher schon Zwangsinhalt der Verträge waren.

Ebenso äußerte er sich in der RdE zu einem rechtskräftigen Urteil des LG Münster vom 09.02.2005, wonach EEG- und KWK- Umlagen frühestens nach einer ( bisher nicht) erfolgten Spitzabrechnung fällig werden und vom Stromkunden verlangt werden können.

Das BGH- Urteil vom 18.10.2005 führt keinesfalls zu einer gesteigerten Kontrolldichte oder Erhöhung der \"Kontrollintensität\", schon gar nicht als Reflex der Rechtsprechung auf die Revisionsrücknahme hinsichtlich langfristiger Gaslieferungsverträge:

§ 315 BGB wird in der höchstrichterlichen Rechtsprechung seit annähernd dreißig Jahren auf monopolistische Stromnetzbetreiber bzw.- versorger angewandt und zwar vollkommen unabhängig von der Unternehmensgröße (vgl. nur BGH NJW- RR 1992, 183 ff.; BGH NJW 1998, 3188; BGH NJW 2003, 1449, jeweils mit weiteren Nachweisen).

Dabei ist in der Rechtsprechung von Anfang an anerkannt, dass es zum Nachweis der Billigkeit der vom Monopolisten festgesetzten Entgelte einer Offenlegung dessen Preiskalkulation in Bezug auf den konkreten Kunden bedarf und dass bis zur Rechtskraft einer Entscheidung über das \"billige Entgelt\" keine fällige Forderung besteht (vgl. nur BGH NJW 2005, 2919; BGH NJW 2003, 3131, jeweils mit weiteren Nachweisen).

Durch diese lange bestehende Rechtsprechung wurde ersichtlich bisher die Versorgungssicherheit nicht beeinträchtigt und es ist auch nicht ersichtlich, wie dies überhaupt der Fall sein sollte.

Bereits in einem Beitrag in Energiewirtschaftliche Tagesfragen 2005, 278 , (279) hatte Prof. Salje die gewagte These aufgestellt, die organisierte Verweigerung der aktuellen Gaspreiserhöhungen durch den Einwand der Unbilligkeit gem. § 315 BGB führe wegen der Nichtfälligkeit der Forderungen zwangsläufig zur Insolvenz von Gasversorgungsunternehmen.

Entsprechende Insolvenzverfahren wurden trotz der massenhaften Gegenwehr der Energieverbraucher noch nicht bekannt, es gab noch nicht einmal Gewinnwarnungen. Das genaue  Gegenteil ist der Fall:

Die aktuellen Quartalszahlen der Energieversorger weisen eine im wahrsten Sinne des Wortes weiterhin vollkommen unglaubliche Erfolgsgeschichte aus.

Hinsichtlich der beginnenden Regulierung der Netznutzungsentgelte wird die Rechtsprechung des BGH im Urteil vom 18.10.2005 auch in der Zukunft Anwendung finden.

Die gegenteilige These von Prof. Salje lässt sich jedenfalls anhand der langjährigen höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht nachvollziehen:

Bei den von der Regulierungsbehörde zukünftig genehmigten Tarifen handelt es sich um Höchstpreise, die selbstredend vom Netzbetreiber unterschritten werden dürfen. Es ist schwer vorstellbar, dass die Regulierungsbehörde oder sonstwer gegen solche Preisunterschreitungen etwas einzuwenden hätte.

Der Zustand ist deshalb der selbe wie bei den bisher schon nach der BTOElt behördlich genehmigten Stromentgelten, die auch Höchstpreise sind. Auf diese findet nach der langjährig bestehenden höchstrichterlichen  Rechtsprechung die zivilrechtliche Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB Anwendung  (vgl. nur BVerwGE 95, 133; BGH NJW 1998, 3188; BGH NJW 2003, 1449).

Auch dabei waren schon immer etwa in einem größen Versorgungsgebiet eines Regionalversorgers verschiedenste Gerichte zur Billigkeitskontrolle der Preise  berufen, ohne dass hierdurch eine \"nicht hinnehmbare Rechtszersplitterung\" zu besorgen stand.

Bedauerlich ist auch, dass Prof. Salje sich zwar um die Betriebssicherheit der Netzbetreiber sorgt, jedoch wohl vollkommen unberücksichtigt lässt, dass in der Vergangenheit viele netzunabhängige Stromhändler ihren Betrieb vollständig einstellen mussten, nicht zuletzt wegen der von den Netzbetreibern geforderten überhöhten Netzentgelte und dass dadurch der Wettbewerb auf dem Elektrizitätsmarkt  den allseits beklagten Rückschlag erlitten hatte.

Wirksamer Wettbewerb liegt jedoch gerade im Interesse der Energieverbraucher, da er das Preisniveau für diese günstig beeinflussen kann.


Interessant auch diese Veröfentlichung:


Jürgen F. Baur/Katrin Henk-Merten

Entgeltfindung unter Kontrahierungszwang

2003, 60 S., Rückendrahtheftung, 14,-- €, ISBN 3-8329-0023-3

(Veröffentlichungen des Instituts für Energierecht an der Universität zu Köln, Bd. 107)

 

Die Netznutzungsentgelte sind zunehmend in das Aktionsfeld von Politik, Gerichten und Kartellbehörden geraten. Neben der kartellrechtlichen Missbrauchsaufsicht kennt auch das allgemeine Zivilrecht mit § 315 BGB eine Vorschrift, die bereits seit langem zur Entgeltkontrolle unter Kontrahierungszwang eingesetzt wird. Insbesondere die Kritiker hoher Netznutzungsentgelte berufen sich auf den § 315 BGB und machen die Unbilligkeit und somit Unverbindlichkeit der einseitigen Leistungsbestimmung geltend. Die Gegenseite beharrt indes auf der Verbindlichkeit. Diese Auseinandersetzungen sind die Grundlage dieser Untersuchung. Indes zeigt sich schnell, dass die Anwendungsprobleme nicht allein aus dem § 315 BGB resultieren, sondern aus dem Zusammentreffen der einseitigen Leistungsbestimmung mit einem Kontrahierungszwang und einem Dauerschuldverhältnis. Insofern zeigt sich ein sehr komplexer Sachverhalt. Dieses Gutachten stellt demzufolge den Versuch der Autoren Prof. Dr. Jürgen F. Baur (Direktor des Instituts für Energierecht an der Universität zu Köln) und Katrin Henk-Merten (Wissenschaftliche Mitarbeiterin) dar, dieses vielschichtige juristische Problem systematisch darzustellen und zu lösen.





Freundliche Grüße
aus Jena



Thomas Fricke
Rechtsanwalt

 

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