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Billgkeitseinspruch bei Sonderverträgen

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paul paulchen:
Hallo zusammen,

irgendwie habe ich den Billigkeitseinpruch bei Sonderverträgen noch nicht verstanden.

Bei den Grundtarifen kann man direkt den Billigkeitseinspruch erheben.

Aber wie ist das genau bei den Sondertarifen?

Besten Dank für Eure Infos

Paul

RR-E-ft:

--- Zitat ---BGH, B. v. 29.06.11 Az. VIII ZR 211/10, juris Rn. 17

Ist einem Energieversorger aufgrund Gesetzes oder vertraglicher Vereinbarung ein Preisanpassungsrecht eingeräumt, so unterliegt eine auf der Grundlage dieses Rechts erfolgte Preiserhöhung als einseitige Leistungsbestimmung der gerichtlichen Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB, sofern und soweit es sich nicht um vereinbarte Preise handelt (st. Rspr. des Senats; zuletzt Beschlüsse vom 18. Mai 2011 - VIII ZR 71/10, aaO unter III 2 a; vom 9. Februar 2011 - VIII ZR 162/09, WM 2011, 850 Rn. 18; jeweils mwN).
--- Ende Zitat ---

Gesetzlich ist den Energieversorgern für Sonderverträge kein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht eingeräumt.

Es kommt darauf an, ob ein solches vertraglich wirksam eingeräumt wurde.

Ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht des Energieversorgers im Sinne des § 315 Abs. 1 BGB besteht jedenfalls dann, wenn bei Vertragsabschluss vereinbart wurde, dass der Versorger die Preise (nach Vertragsabschluss) einseitig bestimmen soll  (vgl. BGH, Urt. v. 13.06.07 Az. VIII ZR 36/06 Rn. 32).

Zumeist wird bei Vertragsabschluss jedoch ein Preis vereinbart.

Dann kommt es darauf an, ob dem Energieversorger  ein Preisanspassungsrecht  vertraglich wirksam eingeräumt wurde, welches den Versorger berechtigt,  den bei Vertragsabschluss vereinbarten Preis nachträglich einseitig anzupassen.

Entsprechende Vertragsklauseln bezüglich eines solchen Preisanpassungsrechts finden sich oft in Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Energieversorgers.

Für die wirksame Einbeziehung Allgemeiner Geschäftsbedingungen  in den Vertrag ist es erforderlich, dass dem Kunden der Text der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (auch wenn es sich bei diesen zb. um den Text der AVBGasV/ GasGVV handelt) vor Vertragsabschluss ausgehändigt/ übersandt wurde, so dass der Kunde schon  vor Vertragsabschluss die zumutbare Möglichkeit zur Kenntnisnahme hatte, und sich der Kunde bei Vertragsbschluss mit der Einbeziehung dieser AGB eindeutig einverstanden erklärt hat (vgl. BGH, Urt. v. 22.02.12 Az. VIII ZR 34/11, juris Rn. 22).

Entsprechendes gilt bei nachträglicher Einbeziehung im Wege einer Vertragsänderungsvereinbarung (vgl. BGH, aaO, Rn. 23).  

Wurden Allgemeine Geschäftsbedingungen in einen Sondervertrag wirksam einbezogen (§ 305 Abs. 2 BGB), so kann ein darin enthaltenes einseitiges Preisanpassungsrecht des Versorgers nur dann wirksam sein, wenn es mit einer Verpflichtung zur Preisanpassung einhergeht (vgl. BGH, Urt. v. 13.01.10 Az. VIII ZR 81/08, juris Rn. 18 mwN).

Offen ist bisher die Rechtsfrage, ob einem Energieversorger bei wirksamer Einbeziehung des § 4 AVBV/ 5 GVV als Allgemeine Gerschäftsbedingung ein Preisanpassungsrecht wirksam eingeräum wurde (vgl. BGH, B. v. 09.02.11 Az. VIII ZR 162/09; BGH, B. v. 24.01.12 Az. VIII ZR 158/11 und VIII ZR 236/10, juris).

Der aufgrund eines wirksam vertraglich eingeräumten einseitigen Leistungsbestimmungsrechts vom Energieversorger einseitig erhöhte Preis  soll nach der Rechtsprechung des BGH jedoch dann als vereinbart gelten und deshalb keiner Billigkeitskontrolle mehr unterliegen, wenn der betroffene Kunde der Preisänderung nicht widersprochen und  die Verbrauchsabrechnung des Versorgers, mit welcher dieser einseitig erhöhte Preis erstmals zur Abrechnung gestellt wurde, beanstandungs- und vorbehaltlos beglichen hat, der betroffene Kunde dieser Verbrauchsabrechnung nicht in angemessener Frist widersprochen hatte.

Erfolgte hingegen bei wirksam vertraglich vereinbartem einseitigen Leistungsbestimmungsrecht des Versorgers die Unbilligkeitseinrede in angemessener Frist, so erfolgt die Billigkeitskontrolle der einseitigen Preisanpassung in unmittelbarer Anwendung des § 315 BGB nach den dafür vom BGH bereits aufgestellten Grundsätzen (vgl. BGH, Urt. v. 19.11.08 Az. VIII ZR 138/07, juris).

Auch bei den Sonderverträgen sollte man die Unbilligkeitseinrede gegen entsprechende Preiserhöhungen/ darauf basierende Verbrauchsabrechnungen in angemessener Frist erheben.
 
Dieser Widerspruch wirkt gem. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB, wenn tatsächlich eine einseitige Preisanpassung aufgrund eines dem Energieversorger wirksam eingeräumten Preisanpassungsrechts erfolgte (vgl. BGH, B. v. 29.06.11 Az. VIII ZR 211/10, juris Rn. 17).

Er schließt zudem auch im Falle unwirksamer Preisänderungsklauseln - also dass dem Energieversorger ein Preisanapssungsrecht nicht wirksam eingeräumt wurde-  eine sonst mögliche - dem Kunden nachteilige -  ergänzende Vertragsauslegung aus (vgl. BGH, Urt. v. 14.03.12 Az. VIII ZR 93/11 und VIII ZR 113/11, juris).



--- Zitat ---BGH, Urt. v. 14.03.12 Az. VIII ZR 113/11, juris - Leitsatz

Eine infolge der Unwirksamkeit einer formularmäßig vereinbarten Preisänderungsklausel nach § 307 BGB entstehende planwidrige Regelungslücke in einem Energieversorgungsvertrag mit einem (Norm-)Sonderkunden kann im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung (§§ 157, 133 BGB) dahingehend geschlossen werden, dass der Kunde die Unwirksamkeit derjenigen Preiserhöhungen, die zu einem den vereinbarten Anfangspreis übersteigenden Preis führen, nicht geltend machen kann, wenn er sie nicht innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren nach Zugang der jeweiligen Jahresrechnung, in der die Preiserhöhung erstmals berücksichtigt worden ist, beanstandet hat.
--- Ende Zitat ---

Entscheidend ist dafür, dass überhaupt ein Widerspruch erfolgte.



--- Zitat ---BGH, B. v. 27.09.11 Az. VIII ZR 12/11, juris Rn. 6

Der Kläger hat bereits am 28. Dezember 2004 der ersten streitgegenständlichen Preiserhöhung widersprochen und sodann auch gegen alle weiteren Preiserhöhungen Widerspruch erhoben. Für die Beklagte bestand deshalb Anlass, eine Kündigung des mit dem Kläger bestehenden Vertrages - etwa mit dem Ziel der Rückkehr in ein Tarifkundenverhältnis - in Betracht zu ziehen, um auf diese Weise einer unbefriedigenden Erlössituation zu begegnen. Soweit die Revision demgegenüber anführt, der Kläger habe sich nur gegen die Billigkeit der Preiserhöhungen gewandt, rechtfertigt dies ebenfalls keine abweichende Bewertung. Auf die tatsächlichen oder von der Beklagten vermuteten Gründe für den Widerspruch kommt es nicht an.
--- Ende Zitat ---

Legt der Sondervertragskunde gegen eine einseitige Preisanpassung Widerspruch ein, gibt er dem Versorger Anlass, eine ordentliche Kündigung des Vertragsverhältnisses in Betracht zu ziehen.

paul paulchen:
Vielen Dank für die Information,

ich habe mal in meinem Vertrag und den AGB nachgesehen. Seltsamerweise steht dort keine Klausel darüber das der Energieversorger überhaupt die Preise anpassen darf. Es gibt lediglich den Preis bei Vertragsbeginn, sonst aber nichts. (Vertrag von 1998 ).

Irgendwann mal später hat er bei Preiserhöhungen als Grund den gestiegenen Ölpreis genannt.

Demnach hätte er ja \"eigentlich\" die Preise garnicht erhöhen dürfen...  :D

Wie ist sowas dann überhaupt zu bewerten bzgl. Billgikeitseinspruch usw...

Vielen Dank

Paul

RR-E-ft:
Wurde ein bei Vertragsabschluss bereits feststehender Sonderpreis  vereinbart, keine Preisänderungsklausel bei Vertragsabschluss oder nachträglich im Wege einer Änderungsvereinbarung in den Vertrag einbezogen, so war und ist der Versorger zu einseitigen Preisänderungen nicht berechtigt und sind einseitige Preisänderungen deshalb von Anfang an unwirksam (vgl. BGH, Urt. v. 22.02.12 Az. VIII ZR 34/11), der Versorger vielmehr vertraglich verpflichtet, die Energie zum vereinbarten Sonderpreis zu liefern, § 433 Abs. 2 BGB.

Vom Kunden geleistete Zuvielzahlungen können gem. § 812 BGB zurückverlangt werden (vgl. BGH, Urt. v. 14.03.12 Az. VIII ZR 113/11 Rn. 19).

Allenfalls, wenn eine Preisänderungsklausel in den Vertrag einbezogen wurde, die sich jedoch als unwirksam erweist, kann eine ergänzende Vertragsauslegung ergeben, dass das Berufen auf die Unwirksamkeit einzelner Preisänderungen durch den Kunden nachträglich eingeschränkt ist, so dass er sich nicht mehr auf den vereinbarten Anfangspreis stützen kann (vgl. BGH, Urt. v. 14.03.12 Az. VIII ZR 113/11,juris Rn. 19 ff.; Az. VIII ZR 93/11).
Eine solche ergänzende Vertragsauslegung ist ausgeschlossen, soweit der Kunde Preisänderungen - gleich aus welchem Grund - widersprochen hatte (vgl. BGH, Urt. v. 14.03.12 Az. VIII ZR 93/11, juris Rn. 34).

paul paulchen:
ist ja interessant.

Ich habe den Vertrag nun schon im 4 Augen Prinzip mehrfach nach einer Preisänderungsklausel durchsucht und nichts gefunden.
Kann mir aber auf der anderen Seite nicht vorstellen, dass der Versorger das vergessen hat.

Demnach hätte er dann nicht erhöhen dürfen...

Paul.

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