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Autor Thema: Aufrechnung und Verjährung in Sonderverträgen  (Gelesen 5309 mal)

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Offline berghaus

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Aufrechnung und Verjährung in Sonderverträgen
« am: 29. Dezember 2011, 02:10:22 »
Die Diskussion in dem Thread Verjährungsbeginn Rückforderungsanspruch bei Widerspruch/ Rückforderungsvorbehalt  (begonnen von RR-E-ft am 22.12.2011) hat mir deutlich gemacht, dass zumindest für Sonderkunden, die schon länger Widerspruch gegen die Jahresrechnungen eingelegt haben, die 10-jährige Verjährungsfrist höchstwahrscheinlich keine Rolle mehr spielt (Widerspruch erwünscht!).

Um nun (bei dreijähriger Verjährungsfrist) doch noch Rückforderungen von Überzahlungen des Sonderkunden für die Zeit vor 2008 durchzusetzen, bleibt m.E. nur noch das Mittel der Aufrechnung übrig und zwar nur für diejenigen, die 2010, 2009, 2008 und eventuell schon früher die Zahlungen sehr stark gekürzt oder auch gar nichts mehr gezahlt haben.

In dem vorgenannten Thread geht es um Kunden, in deren Vertrag § 17 Abs. 3 GVV („Gegen Ansprüche des Grundversorgers kann vom Kunden nur mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Gegenansprüchen aufgerechnet werden.“) einbezogen worden ist.

In der folgenden Betrachtung gehen wir mal von einem Sondervertrag mit unwirksamer Preisanpassungsklausel und keinem Aufrechnungsverbot aus.
Da gilt § 390 BGB:  „Eine Forderung, der eine Einrede entgegensteht, kann nicht aufgerechnet werden.“

Ich habe beim gugeln (http://www.recht.de) gelesen, dass mit ‚Einreden‘ z.B. die der Verjährung oder das Zurückbehaltungsrecht gemeint sind, nicht aber das Bestreiten der Rückforderungen (mit denen man aufrechnet) durch den Versorger.
Dies wird auch von RR-E-ft  so gesehen:
Zitat
Zitat von RR-E-ft v. 27.11.09 aus Wann lohnt eine Klage und wann nicht? Dass der Vertragspartner die Gegenforderung nicht anerkennt, ist keine Einrede, welche die Aufrechnung ausschließen kann. Schließlich lässt sich nicht nur mit anerkannten Gegenansprüchen aufrechnen. Anders verhält es sich beim Aufrechnungsverbot des § 17 Abs.3 GVV.

Das hatte ich bis gestern so noch nicht verstanden und geglaubt, der Widerspruch des Versorgers gegen meine Rückforderungen sei eine Einrede und ich könne ihm mit dem „Überraschungsmoment“ zuvorkommen, indem ich meine plötzliche Rückforderung mit einer Aufrechnung (ausreichendes Guthaben vorausgesetzt) verbinde, mit der Gewissheit, dass der Versorger dieser Rückforderung ja noch nicht widersprochen hat. =)

Nun hilft, so glaube ich, § 215 BGB weiter:
„Die Verjährung schließt die Aufrechnung und die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts nicht aus, wenn der Anspruch in dem Zeitpunkt noch nicht verjährt war, in dem erstmals aufgerechnet oder die Leistung verweigert werden konnte.\"
 
Oder wie es RR-E-ft hier sagt: http://forum.energienetz.de/thread.php?threadi16638
Zitat
Die Aufrechnung kann auf eine verjährte Gegenforderung gestützt werden, soweit diese bei Eintritt der Aufrechnungslage noch unverjährt war.

 Die Aufrechnung kann man wohl auch noch in dem Gerichtsprozess vornehmen, in dem ‚endlich‘ geklärt wird, ob nun der Vertragspreis von 1975, der neuartige ‚Preis aus der Mitte‘, oder der des Jahres vor dem ersten Widerspruchs (2000 oder 2005) den Jahresrechnungen zugrunde zu legen ist.

Und nun zur ‚Schaukelbetrachtung‘:

Gilt der Gaspreis von 1975, habe ich wenig Aufrechnungsguthaben und ganz viel zurückzufordern bzw. gefordert.

 Gilt der Preis von 2005, habe ich viel Aufrechnungsguthaben, wenig bis gar nichts mehr zurückzufordern (gehabt).

 Ein Preis aus der Mitte würde vielleicht ganz gut passen und dem Eindruck von ‚Gier‘ entgegenwirken.

Ich muss mal neu durchrechnen. Auf der Bank ist das Geld ja auch nicht mehr sicher! :D

Es  bleiben jedoch noch einige Fragen zum Thema Aufrechnung und Verjährung.
Insbesondere scheint aber die Aufrechnung (erst) im Gerichtsprozess noch ein besonderes Thema, auch mit einer besonderen Kostenverteilung zu sein.

berghaus 29.12.11

Offline Tojas

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Aufrechnung und Verjährung in Sonderverträgen
« Antwort #1 am: 19. Januar 2012, 20:29:43 »
Hallo,
genau das ist momentan das Problem von Bund.
Nach Jahren des abkassierens der Mitglieder, wird jetzt die Luft dünner und auf einmal sollten wir doch erstmal alles \"unter Vorbehalt\" zahlen.
Die Floskeln, wir Sondervertragskunden sind sicher, sind wohl seit neustem nicht mehr zu halten. komisch!!!
Die, uns vorgegebenen Anwälte schalten 100 Gänge zurück! Hm!
Warum da alles. Rechne ich die kosten für den Bund und die Anwälte hoch, hätte ich wohl lieber zahlen sollen und gut ist.
Ich bin Mega-Enttäuscht vom Bund.

Gruß Tojas

Offline RR-E-ft

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Aufrechnung und Verjährung in Sonderverträgen
« Antwort #2 am: 19. Januar 2012, 22:38:07 »
@Tojas

Ich bin mega enttäuscht, denn es ist nicht ersichtlich, um welche inhaltliche Frage es Ihnen geht, die mit Aufrechnung und Verjährung in Sonderverträgen zu tun haben könnte!

Auch für Sondervertragskunden können sich in der rechtlichen Auseinandersetzung Risiken ergeben, insbesondere wenn Gerichte nicht der Rechtsprechung des BGH folgen, ein Beispiel:

OLG Nürnberg, Urt. v. 06.12.11 Az. 1 U 1480/11  - Preiswiderspruch mit Tücken II (N-Ergie Nürnberg)

Zitat
Original von RR-E-ft
@Tojas

Ihr Beitrag erscheint zu der Grundsatzfrage der Wirksamkeit des gesetzlichen Preisänderungsrechts etwas deplaciert.

Nicht ersichtlich, wer Ihnen die genannte Empfehlung unter Zugrundelegung welchen konkreten Sachverhalts gegeben haben soll.

Fakt ist, dass bei einseitigen Preisänderungen -  insbesondere, wenn diesen zeitnah widersprochen wurde -  sich vorrangig immer die Frage nach der wirksamen vertraglichen oder gesetzlichen Einräumung eines einseitigen Bestimmungsrechts für den Energieversorger stellt - wovon dieser Thread handelt - (hierzu BGH, B. v. 09.02.11 Az. VIII ZR 162/09 für Sondervertragskunden und BGH, B. v. 18.05.11 Az. VIII ZR 71/10 und B. v. 29.06.11 Az. VIII ZR 211/10 für [grundversorgte] Tarifkunden).

Wurde ein solches Bestimmungsrecht dem Energieversorger vertraglich oder gesetzlich wirksam eingeräumt, so kommt es auf die Billigkeit der einseitigen Preisänderung an, soweit der einseitig geänderte Preis nicht als vereinbart gilt (vgl. BGH, B. v. 29.06.11 Az. VIII ZR 211/10 Rn. 17, B. v. 18.05.11 Az. VIII ZR 71/10 Rn. 10 f. ).

Der einseitig geänderte Preis gilt laut BGH dann als vereinbart, wenn der einseitigen Preisänderung, die in Ausübung eines wirksam eingeräumten Bestimmungsrechts erfolgte, nicht in angemessener Frist widersprochen und die auf den erhöhten Preisen beruhende Jahresverbrauchsabrechnung sodann beanstandungs- und vorbehaltlos vom Kunden bezahlt wurde (vgl. BGH, Urt. v. 14.07.10 Az. VIII ZR 246/08 Rn. 58].

Von einer solchen stillschweigenden Preisneuvereinbarung des einseitig geänderten Preises durch beanstandungs- und vorbehaltlose Zahlung des Kunden kann jedoch dann nicht ausgegangen werden, wenn es bereits an der wirksamen vertraglichen oder gesetzlichen Einräumung eines Bestimmungsrechts fehlt. Dann nämlich waren die Preisänderungen per se unwirksam, ohne dass es dafür auf eine Billigkeitskontrolle ankommen kann (BGH, Urt. v. 14.07.10 Az. VIII ZR 246/08 Rn. 57, 59; Urt. v. 13.07.11 Az. 342/09 Rn. 35).

Nach sechs Jahren Preisprotest - unterstellt es handelte sich durchgängig um ein und das selbe  Vertragsverhältnis, es wurde allen einseitigen Preisänderungen widersprochn und nur die auf einseitigen Preisänderungen beruhendenen höheren Preise nicht bezahlt - streitige Forderungen vollständig unter Vorbehalt zu zahlen, erscheint nicht ratsam.

Das Geld ist dann nicht weg, sondern der Energieversorger hat es dann erlangt. Man müsste sodann - verbunden mit Kosten und Risiken  - innerhalb der dreijährigen Verjährungsfrist auf Rückzahlung klagen, wenn man das Geld aus ungerechtfertigter Bereicherung zurück erlangen wollte.

Vorzugswürdig erscheint es demgegenüber, es auf eine Zahlungsklage des Energieversorgers ankommen zu lassen, innerhalb derer man
- die wirksame Einräumung eines Bestimmungsrechts des Energieversorgers,
- hilfsweise die wirksame Ausübung eines solchen, und
 - äußerst hilfsweise die Billigkeit der einzelnen einseitigen Preisänderungen bestreiten kann und sollte,
was den Energieversorger regelmäßig zum Nachweis der zwischenzeitlichen Entwicklung aller preisbildenden Kostenfaktoren zwingt (vgl. BGH, Urt. v. 19.11.08 Az. VIII ZR 138/07 Rn. 39).

Zudem kann sich der Kunde in einem solchen Zahlungsprozess des Energieversorgers auf Verjährung berufen, wenn die Forderungen des Energieversorgers  wegen der Billigkeit entsprechender wirksamer Ausübung eines wirksam eingeräumten Bestimmungsrechts bis einschließlich 2008 fällig geworden waren.

Eine solche Verjährungseinrede ist für solche Altforderungen dann erfolgreich, wenn eine Verjährungshemmung bisher nicht eingetreten war, so dass solche Forderungen innerhalb der dreijährigen Verjährungsfrist verjährt waren.

Die Verjährungseinrede sollte man vorsorglich bereits erheben, bevor man auf Zahlung verklagt wird.

Zu Sondervertragskunden siehe auch BGH, B. v. 07.09.11 Az. VIII ZR 25/11 Rn. 2 ff.

 

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