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Autor Thema: Was kostet ein Streit vor Gericht? Das Prozesskostenrisiko.  (Gelesen 12495 mal)

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Offline Didakt

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Was kostet ein Streit vor Gericht? Das Prozesskostenrisiko.
« Antwort #15 am: 05. April 2012, 17:50:27 »
Zitat
Original von Energietourist
Jetzt würde sich jeder Normalo mit dem Prozesskostenrechner ausrechnen, was er im Falle einer Niederlage zu bezahlen hätte -Streitwert 500€.

Eine solche einfache Rechnung würde auch ein „Normalo“ sicherlich nicht anstellen, sondern sich mit dem RVG und den darin enthaltenen besonderen Anrechnungsbestimmungen beschäftigen (s. § 15a).

Es ist doch logisch, dass der RA bereits außergerichtlich (im Mahnverfahren) tätig geworden ist und dafür ebenso einen Vergütungsanspruch hat wie auch für seine Tätigkeit im Klageverfahren. Allerdings werden fällige Geschäftsgebühr und Verfahrensgebühr anteilig angerechnet.

Entscheidend ist in einem solchen Fall auch, ob die außergerichtliche Geschäftsgebühr evtl. bereits tituliert worden ist oder nicht.

Es handelt sich hierbei um eine sehr komplexe Materie. Anhand der o. a.  wenigen Angaben ist vorliegend nicht einmal eine überschlägliche Kostenberechnung möglich. Außer Frage steht allerdings, dass die Kosten hierbei weder allein nach den Gegenstandswerten von 500,-- € bzw. 4000,-- € berechnet werden.

Offline Stubafü

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Was kostet ein Streit vor Gericht? Das Prozesskostenrisiko.
« Antwort #16 am: 05. April 2012, 18:43:34 »
@Black
Zitat
Das Hauptkostenrisiko für den Kunden sind und bleiben die
Gutachterkosten.

Dem kann ungeprüft zugestimmt werden.

Zitat
In der Mehrzahl der mir bekannten Fälle wird von Seiten der Kunden
(-anwälte) im Verfahren geradezu darauf gedrängt ein solches Gutachten
unbedingt einzuholen.

Dem kann -rückblickend aus eigener Erfahrung- nicht zugestimmt werden.
Die für meinen Fall zuständige Handelsrichterdame bestand bis zur letzten
mündlichen Verhandlung (Dez. 2011) darauf, dass ich Tarifkunde bin, obgleich
Obergerichte (man staune, darunter sogar das OLG Zweibrücken) und BGH
mehrfach bestätigt haben, dass der Typus meines Gasliefervertrages ohne
wenn und aber ein Sondervertrag ist. Obgleich meine Rechtsbeistand
gebetsmühlenartig seit erstem Prozesstag vorträgt, dass ich
Sondervertragskunde bin, bestand die Richterdame -\"ohne Not\"- auf die
gerichtlich verfügte Einholung eines Billigkeitsgutachten für satte ca.
16.000,-- € ( 13.000,-- von Pfalzgas und 3.000,-- von mir).

Der sogenannte Gutachter ist promovierter Wirtschaftsprüfer und war während
der Sanierung der HD-Stadtwerke dort zeitweilig auch als Geschäftsführer
tätig, d.h. er hat sich seine Geschäftsführung selbst testiert.

Die Handelsrichterdame -auf diesen merkwürdigen Umstand hingewiesen- hat
dies allerdings nicht dazu bewogen, von dieser Gattung Gutachter abzulassen
und sich auf ihre originäre Aufgabe zu beschränken, nämlich auf die richterliche
Überprüfung, ob denn der ihr vorliegende Sondervertrag respektive die dort
enthaltene Preisänderungsklausel wirksam eingebunden und -wenn dies
zutreffend wäre- die Klausel selbst wirksam ist. So die hier verbreitete reine
reine wissenschaftliche Lehrmeinung des Foren-Obergurus.

Es kam wie es kommen musste: der seltsame Gutachter hat die Billigkeit der
Preisänderungen \"festgestellt\", ich habe meinerseits mit einem von mir in
Auftrag gegebenen seriösen Wirtschaftsprüfergutachten, welches genau zu
einem entgegengesetzten Ergebnis gelangt ist,  massiv dagegen gehalten, was
mich weitere fast 4.000,-- € gekostet hat.

Nachdem wir nun bei 20.000,-- € vom Gericht verursachte Gutachterkosten
angelangt sind, hat die Handelsrichterdame jetzt das Verfahren ausgesetzt und
ist auf den EuGH-Vorlagenbeschluss-Zug aufgesprungen.

Was ich damit sagen wollte: Die hier von manchen Rechtsgurus verbreiteten
Ansichten, mit dem \"Prozesskostenrechner\" die Prozessrisiken halbwegs seriös
abschätzen zu können, kannste in die Mülltonne kloppen.

Noch einen kleinen aber bedeutsamen Hinweis für den hiesigen Foren-
Oberguru:
Ich versichere hiermit nach bestem Wissen und Gewissen, dass der obige
Beitrag nicht \"geguttembergt\" und somit original von mir verfasst wurde.

Gruss aus der pfälzischen Toskana

Stubafü.

Offline Stubafü

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Was kostet ein Streit vor Gericht? Das Prozesskostenrisiko.
« Antwort #17 am: 05. April 2012, 19:19:50 »
@Black

Fast hätte ich\'s vergessen:

Streitwert: 873,-- € (bei Versorger-Klageeinreichnung Mai 2007)
Erweiterung auf 1.600,-- € -nach Klageerweiterung Okt. 2008-

Offline Energietourist

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Was kostet ein Streit vor Gericht? Das Prozesskostenrisiko.
« Antwort #18 am: 06. April 2012, 10:41:24 »
Soll mir mal einer erklären, warum Anwälte schon für das Mahnverfahren abrechnen dürfen, wenn, dann dürfte es dafür nur einen pauschalierten Betrag geben. Ansonsten kann ich als Anwalt ja einen Utopiebetrag im Mahnschreiben ansetzten (wird sowieso nicht geprüft, ob die Forderund rechtens ist).
Ich setze 10000€ an und wenn ich die Klage einreiche, geht es nur um 100€.
Abrechnen darf ich aber nach 10000€. Ein Schelm wer Böses dabei denkt.

Offline RR-E-ft

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Was kostet ein Streit vor Gericht? Das Prozesskostenrisiko.
« Antwort #19 am: 10. April 2012, 10:11:18 »
Der Kläger/ Antragsteller bestimmt mit seinem Antrag den Gegenstandswert.
Aus diesem ergeben sich u.a. die Anwaltskosten nach RVG.

In welchem Umfang Kosten überhaupt schlussendlich erstattungsfähig sind, ergibt sich jedoch erst aus der rechtskräftigen Kostengrundentscheidung gem. § 91 ff. ZPO.

Werden im Mahnverfahren 1.000 EUR Hauptforderung beantragt, im Klageverfahren jedoch nur noch 100 EUR weiterverfolgt, kann der Antragsgegner über einen Antrag gem. § 697 Abs. 3 ZPO bewirken, dass das Gericht über den gesamten Zahlungsantrag des Mahnbescheidsantrages entscheidet, so dass im Fall der Nichtweiterverfolgung des Restbetrages der Kläger im Umfange von 900 EUR jedenfalls unterliegt und insoweit die Prozesskosten zu tragen hat.

Mit dem Prozesskostenrechner lassen sich unmittelbar nur die Gerichts- und Anwaltskosten nachvollziehen, die sich aus dem jeweiligen Streitwert ergeben.

Etwaige Gutachterkosten oder Zeugenauslagen, die sich daraus ergeben, dass ein entsprechendes Beweisangebot erfolgt und das Gericht eine (u.a. aufgrund des Bestreitens) streitige Tatsachenfrage für entscheidungserheblich und somit beweisbedürftig hält und  durch ein gerichtliches Sachverständigengutachten oder Zeugenvernehmung klären lassen möchte bzw. muss, müssen dabei als Auslagen der jeweiligen Partei besonders eingegeben werden.

Bis zur instanzabschließenden Entscheidung (Urteil) kann sich die (vorläufige) Rechtsauffassung des Gerichts darüber, welcher Prozessstoff entscheidungserheblich ist, noch ändern.

Auch in der nächsten Instanz kann sich ergeben, dass eine streitige Tatsachenfrage, die das Gericht für entscheidungserheblich hielt, über die es deshalb Beweis erhoben hatte und sodann seiner Entscheidung zu Grunde gelegt hatte, tatsächlich gar nicht entscheidungserheblich war (vgl. BGH, Urt. v. 13.01.10 Az. VIII ZR 81/08].

Dass ein Gericht erst im Berufungsverfahren oder gar erst in der Revisionsinstanz zur zutreffenden Entscheidung findet, ist bekanntermaßen Gegenstand des allgemeinen Prozessrisikos.

Bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung ist mithin alles offen.
Dieser Umstand ist ein Grund dafür, warum sich die Parteien  zuweilen für den rechtskräftigen  Abschluss des Verfahrens auf einen gerichtlichen Vergleich einigen.
Auch die Prozesskosten bei Abschluss eines solchen können mit dem Prozesskostenrechner nachvollzogen werden.

 

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