Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen

Was kostet ein Streit vor Gericht? Das Prozesskostenrisiko.

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RR-E-ft:
Bei Zahlungsklagen richtet sich der Gegenstandswert nach der eingeklagten Hauptforderung.

Geht es um die Wirksamkeit einer Kündigung ist die 3,5fache vertragliche Jahresvergütung für den Gegenstandswert zu Grunde zu legen.


Mangels anderweitiger Vereinbarung erfolgt die Abrechnung mit Rechtsanwälten nach RVG.

Die Kosten der Instanzen lassen sich hier berechnen:

http://rvg.pentos.ag/

Den Gegenstandswert/ Streitwert eingeben und \"gerichtlich\" anklicken.

Lothar Gutsche:
Wenn sich das Risiko der Prozesskosten bei Billigkeitsprozessen so einfach bestimmen ließe, wie es das Berechnungsprogramm von der Allianz ProzessFinanz GmbH vorspiegelt, dann könnte ein Verbraucher vor Beginn eines Rechtsstreites beurteilen, ob er das Risiko tragen kann. Leider kommen gerade bei Auseinandersetzungen über Energiepreise zu den kalkulierbaren reinen Anwalts- und Gerichtsgebühren in vielen Fällen noch Gutachterkosten in unbekannter Höhe dazu. Wegen der Komplexität der zu Grunde liegenden ökonomischen Sachverhalte können die Gutachten oft mehr als 10.000 Euro kosten.  

Der User \"__hp__\" hatte am 27.12.2010 22:31 in seinem umfangreichen Beitrag unter \"http://forum.energienetz.de/thread.php?postid=77495#post77495\" im EWE-Thread mit dem Titel „Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH“ gezeigt, dass die Prozesskosten und ihre Nicht-Kalkulierbarkeit eine wirtschaftliche Zugangshürde für Energieverbraucher darstellen. Die Unbestimmtheit der Prozesskosten verletzt den Justizgewährungsanspruch aus Art. 80 Abs. 3 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG. Die Prozesskosten verwandeln das Recht geradezu in eine Waffe der finanzstarken Energieversorger und verletzen das Grundprinzip der prozessualen Waffengleichheit. Wörtlich schreibt „__hp__“:


--- Zitat ---Es geht im engeren Sinne also um die Vorhersehbarkeit des gerichtlichen Verfahrens, die von derartiger Bedeutung für eine rechtsstaatliche Verfahrensgestaltung ist, dass das BVerfG diesem Aspekt neben den „klassischen“ Prozessgrundrechten (Art. 101, 103 GG) sowie dem effektiven Rechtsschutz, dem fairen Prozess sowie dem Justizgewährungsanspruch sogar eigenständige Bedeutung zugemessen hat.
--- Ende Zitat ---
Dem Charakter der Prozesskosten als Waffe der Energieversorger widmet der User \"__hp__\" einen größeren Abschnitt in seinem lesenswerten Beitrag. Fazit: Das tatsächliche Prozesskostenrisiko lässt sich mit einem Prozesskostenrechner leider nicht abschätzen.  

Viele Grüße
Lothar Gutsche
Email: Lothar.Gutsche@arcor.de

RR-E-ft:
Mit dem Prozesskostenrechner lässt sich das Risiko einschätzen, dass sich aus dem Streitwert ergibt.

Das Risiko, welches sich aus Bestreiten und Beweisangeboten (Zeugenauslagen, gerichtliches Sachverständigengutachten) ergibt, ist ein besonderes Risiko, welchem man sich ohne weiteres entziehen kann.
Entzieht man sich dergestalt, dass man entsprechendes Bestreiten rechtzeitig aufgibt, so verbleibt es bei dem Prozesskostenrisiko, dass sich mit dem Prozesskostenrechner berechnen lässt.

Tom81:
@RR-E-ft

Sie haben zwar aus formaler Sicht Recht, dass man sich den Kosten für ein SV-Gutachten durch Rücknahme der Klage o.Ä. bzw. durch Klaglosstellen des Klägers jederzeit entziehen könnte. Kündigt der Richter an, dass er ein SV-Gutachten einholen lassen will und dass dies voraussichtlich X Euro kostet, so kann die Seite, der das zu teuer werden würde, diese Kosten in der Tat abwenden.

Das Problem ist nur: Damit geben Sie zwangsläufig das Ziel auf, welches Sie mit der Klageerhebung bzw. dem Klageabweisungsantrag erreichen wollten (und damit womöglich Ihr \"gutes Recht\"). Sind Sie hierzu nicht bereit (Warum sollten Sie andernfalls auch geklagt haben bzw. die Forderung des potentiellen Klägers nicht vorher befriedigt haben?), bleibt es bei den de facto unkalkulierbaren Kosten eines Rechtsstreits.

M.E. sind diese Prozesskostenrechner nur ein erster Anhaltspunkt, der das Kostenrisiko unvollständig abbildet. Nur unter sehr restriktiven und m.E. völlig wirklichkeitsfernen Prämissen (z.B. es werden keine Zeugenauslagen bzw. Sv-Gutachten anfallen oder die eine Partei gibt jedesmal sofort nach, wenn die andere Partei einen Gutachter / Zeugen zu einem Beweisthema benennt) liefern Prozesskostenrechner ein zutreffendes Ergebnis. Es wäre daher angebrachter, Prozesskostenrechner in \"Gerichtsgebühren- und gesetzlicher Anwaltsvergütungsrechner\" umzubennen.

Überdies ist die Aufspaltung des Kostenrisikos in einen \"besonderen\" und einen sich aus dem Streitwert ergebenden Risikoanteil verzichtbar. Am Ende kommt es immer auf die gesamten Kosten zur Erreichung eines Ziels an.

Ich stimme der Einschätzung von Lothar Gutsche zu, wonach gerade bei Prozessen unter Beteiligung großer Energieversorger die Kosten für Sachverständige o.Ä. als Waffe des finanziell Potenteren eingesetzt werden.
Schauen Sie bitte auch auf die Website vzhh.de (Verbraucherzentrale Hamburg) und dort die einschlägigen Themengebiete (Versicherungen --> Teilzahlungszuschlag, Sammelklage Allianz). Die gesamten Prozesskosten gegen große Versicherer sind so hoch, dass die Verbraucherzentralen mittlerweile selektiv vorgehen müssen (d.h. nur einen Teil der Missstände in diesem Bereich gerichtlich überprüfen lassen) oder gar Sammelklagen bemühen, bei denen Verbraucher vorher einen Betrag X einzahlen müssen. Ich stand z.B. mit Frau Castello von der Vzhh in E-Mail-Kontakt. Sie hat mir gesagt, dass sie liebend gern auch gegen Allianz Unfallprämien-Rückgewährversicherungen vorgehen würde, dies aber aus finanziellen Gründen nicht zeitgleich mit einem Vorgehen gegen Allianz-Lebensversicherungsverträge erfolgen kann.

RR-E-ft:
BGH, B. v. 27.04.10 VIII ZB 91/09 Streitwert für Feststellung unwirksamer Gaspreisneufestsetzung

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