Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen
Kündigung des Fernwärmevertrages kartellrechtlich wirksam?
sternenmeer:
Durfte mein Fernwärmeversorger (Stadtwerke Ludwigsburg-Kornwestheim)nur mir,dem einzigen Protestler,den Norm-Sondervertrag gem. § 1 Abs. 3 AVBFernwärmeV zum 31.12.2009 kündigen,während alle anderen Verträge mit der gerichtlich festgestellten,gesetzwidrigen Preisänderungsklausel (AG Ludwigsburg v. 05.08.2009,Az.:1 C 3533/08) zum 01.01.2010 gem. Vertrag um weitere 5 Jahre verlängert wurden?
(Monopolsituation,Anschluss-und Benutzungszwang,Kontrahierungs-
Zwang,gleichartige Fernwärmeabnehmerstruktur).
Die Kartellkammer des LG Stuttgart hat diese Frage bejaht ( Urteil v. 30.06.2011,Az.:17 O 64/11) und keinen kartellrechtlichen Missbrauch gese-
hen.(Kopie des Urteils ist zwecks Veröffentlichung unterwegs zum BdE).
Begründung der Kartellkammer:\"Einer der Missbrauchsgründe im Sinne v.
§ 19 Abs. 4 GWB ist nicht ersichtlich.\"
Unsere Feststellungsklage beruhte auf § 19 Abs. 1 GWB (Generalklausel)/ § 134 BGB,die zu Unwirksamkeit der Kündigung führen sollte ,um dadurch
wieder gleichgestellt zu werden mit allen anderen,gleichartigen Abnehmern
der Fernwärme in Ludwigsburg City-Ost.
Das LG weiter:\"Die Kündigung war gegenüber dem Kläger auch sachlich gerechtfertigt.Durch das vom Kläger angestrengte Verfahren(s.o.)vor dem
AG Ludwigsburg war eine der wesentlichen Vertragsbestandteile des Lie-
ferungsvertrages,nämlich die Preisanpassungsklausel,angegriffen.\"
Weiter:\"Die Kündigung war daher gerechtfertigt und stellt sich nicht als
missbräuchlich dar. Der Ansatz des Klägers ist insofern verfehlt.Ein Missbrauch könnte sich nur dann ergeben,wenn die Beklagte nicht bereit wäre,mit ihm weiterhin einen Liefervertrag zu marktüblichen und marktan-
gemessenen Bedingungen abzuschliessen.\"
Nach der Kündigung des Vertrages haben mir die SWLB einen
-1-Jahresvertrag,
-höherer Arbeitspreis,
-schlechtere AGB`s,
-zum Festpreis
zum 01.01.2010 angeboten.Diesen habe ich abgelehnt wg. kartellrechtli-
chem Missbrauch(Ungleichbehandlung).
Es erfolgten mehrere Sperrandrohungen sowie Einschüchterungen.So am
15.12.2009:\"Wir weisen darauf hin,dass Ihr Mandant,wenn kein neuer Ver-
trag abgeschlossen wird,von unserer Mandantin ab dem 01.01.2010 prinzi-
piell nicht mehr mit Fernwärme versorgt werden kann.\" Weiter:\"....dass kein konkludenter Vertragsabschluss für Ihren Mandanten hergeleitet werden kann.\"
Weiter am 05.01.2010:\"Wir haben bereits mitgeteilt,dass wir das Vertrags-
verhältnis jedenfalls zum 31.12.2009 als beendet ansehen und eine Weiterbelieferung ihres Mandanten nicht als konkludente Erklärung zur
Fortführung des Vertrages zu den Konditionen von 2004 angesehen wer-
den kann.\"
Wenn ich nicht in die Berufung zum OLG Stuttgart gehe,dann habe ich nun
einen konkludenten Vertrag mit den SWLB mit dem vertragswidrigen Preis,
gegen den ich als einziger gerichtlich erfolgreich angegangen bin.
M.d.B. um Kommentierung /Ratschläge zu diesem für mich unerfreulichen
LG-Urteil.
Übrigens: Gemäss § 90 GWB war das LG-Stuttgart verpflichet,das Bundes-
kartellamt über dieses Verfahren zu unterrichten.Hat es aber nicht getan,
sonst hätte ich einen Hinweis in der Akte vorgefunden.
PLUS:
@sternenmeer, Es ist nicht nur eine juristische Frage. Es geht da auch um Energiepolitik. Aber die Gelegenheit ist günstig. In Pleidelsheim veranstaltet die CDU Ludwigsburg am Montag eine hochrangig besetzte Podiumusdiskussion. EU-Energiekommissar, MdB-MdL-Vertreter, Stadtwerke, EnBW und Bürgermeister sind vertreten.
Speziell wird man die Frage hier nicht beantworten, aber allgemein zur Monopol- und Preissituation bei Fernwärme oder Wärmestrom kann man sicher eine Antwort vom einen oder anderen Podiumsteilnehmer erwarten. Der Veranstaltung tun ein paar kritische Fragen sicher ganz gut. ;)
siehe auch hier: Um 30 Prozent EnBW verteuert Wärmestrom
RR-E-ft:
Minus zum Quadrat.
sternenmeer hat hier unter Grundsatzfragen ausschließlich eine juristische Frage angebracht und somit kein Interesse an allgemeinem Palaver bekundet.
Zur Rechtsfrage:
Wenn in einem Vertrag eine unwirksame Klausel enthalten ist, über deren Wirksamkeit Streit besteht, dann ist die deshalb erfolgte Kündigung nicht kartellrechtswidrig und deshalb unwirksam, vgl. auch OLG Celle, Urt. v. 19.05.11.
Hierzu gibt es auch eine ganze Reihe landgerichtlicher Entscheidungen, die diese zutreffende Rechtsansicht stützen:
Auch ein marktbeherrschendes Unternehmen kann nicht an Verträgen festgehalten werden, die ihm wegen unwirksamer Preisänderungsklausel auch die Weitergabe tatsächlich gestiegener Kosten versagen.
Im Falle einer Monopolsituation kann ein Kontrahierungszwang bestehen, der den Versorger zum Abschluss eines (neuen) Liefervertrages verpflichtet, dessen Anfangspreis nicht kartellrechtswidrig überhöht sein darf.
Wenn der Monopolist aber die geforderte Belieferung aufnimmt, ist die Frage, ob der dafür geforderte Preis dann angemessen ist oder nicht, ein vollkommen anderer Streit.
sternenmeer:
Ich bestreite nicht,dass ein Monopolist wegen unwirksamer Preisän-
derungsklauseln die standardisierten Norm-Sonderverträge aller gleicharti-ger Fernwärmeabnehmer kündigen kann,um tatsächlich gestiegene Kosten-
steigerungen ergebnisneutral auffangen zu können.
Gemäß § 19 Abs. 1 GWB (Generalklausel) ist jedoch der Tatbestand eines missbräuchlichen Verhaltens gegeben,wenn ein
-Fernwärme-Monopolist(Normadressat),
-bei einem Anschluss- und Benutzungszwang / Kontrahierungszwang
-gleichartiger Fernwärme-Abnehmerstruktur
ohne sachliche Rechtfertigung nur mir-dem einzigen Protestler-den Vertrag
kündigt.Eine solche Kündigung stellt eine missbräuchliche Ausnutzung ei-
ner marktbeherrschenden Stellung dar,da eine Diskriminierung gegenüber
allen anderen gleichartigen Fernwärmekunden (z.B.meinen Nachbarn) ge-
geben ist,denen nicht gekündigt wurde.
Durch eine einzelne,missbräuchliche Kündigung ist das Übel in Gestalt der
rechtswidrigen Preisänderungsklausel ja nicht aus der Welt geschafft.
Der Kartellsenat(BGH v. 07.12.2010,Az.:KZR 4/10,Rn. 57) sagt hierzu:
\"Die Ungleichbehandlung gleichartiger Abnehmer durch den Normadressa-
ten im beherrschten Markt spricht prima facie für eine unzulässige Diskrimi-
nierung.\"
Mir ist kein Urteil des BGH oder eines OLG bekannt,in dem eine Ungleichbe-
handlung gleichartiger Abnehmer durch einen Monopolisten nicht als kar-
tellrechtlicher Missbrauch angesehen wird.Darum geht es m.E.
Eine einzelne Kündigung eines Fernwärmevertrages durch einen Monopo-
listen bildet hier keine Ausnahme.
RR-E-ft:
Irgendwo gab es wohl einen entscheidenden Unterschied zu allen anderen Kunden, nämlich den gerichtlich ausgetragenen Streit über das Preisänderungsrecht im konkreten Vertragsverhältnis, auf den hin gerichtlich festgestellt wurde, dass die Preisänderungsklausel in diesem Vertragsverhältnis und somit die Preisänderungen des Versorgers in diesem konkreten Vertragsverhältnis unwirksam waren. Hinsichtlich der Verträge der anderen Kunden gab es eine solche gerichtliche Feststellung nicht.
Navigation
[0] Themen-Index
[#] Nächste Seite
Zur normalen Ansicht wechseln