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BGH, B. v. 18.05.11 VIII ZR 71/10 EuGH- Vorlage: § 4 AVBGasV wirksam?

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RR-E-ft:
BGH, B. v. 18.05.11 VIII ZR 71/10 EuGH- Vorlage. § 4 AVBGasV wirksam?


Der Senat hat in der Revision eines Gastarifkunden das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob § 4 AVBGasV gegenüber Tarifkunden überhaupt ein wirksames Preisänderungsrecht darstellt oder aber wegen Verstoß gegen verbraucherschützende  EU- Richtlinien unwirksam ist.

Diese Frage ist gleichermaßen für § 5 GasGVV zu stellen.

Sollte sich erweisen, dass § 4 AVBGasV als Preisänderungsrecht verstanden  unwirksam ist, können keine einseitigen Preisänderungen darauf gestützt werden.

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Nach einer anderen Auffassung (Fricke, ZNER 15/2/2011, S. 130 ff.) besteht nach § 10 Abs. 1 EnWG 1998, §§ 36 Abs. 1, 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 EnWG eine fortlaufende  gesetzliche Verpflichtung des Grundversorgers, die jeweiligen Allgemeinen Preise unter Beachtung der Verpflichtung zu einer möglichst preisgünstigen, effizienten leitungsgebundenen Versorgung den grundversorgten Tarifkunden gegenüber jeweils (neu) zu bestimmen.

Diese gesetzliche Preisbestimmungspflicht des Versorgers unterliege der Billigkeitskontrolle in unmittelbarer Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB mit der Folge, dass sie für die betroffenen Kunden jeweils nur verbindlich sein kann, wenn sie der gesetzlichen Verpflichtung aus §§ 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 EnWG und damit der Billigkeit entspricht (vgl. BGH, Urt. v. 02.10.91 VIII ZR 240/90 = NJW- RR 1992, 183 unter III 1; Urt. v. 05.07.05 X ZR 60/04 unter II 1 b).

Der Begriff des gesetzlichen Preisänderungsrechts führe in die Irre.


--- Zitat ---BGH XR 60/04 unter II. 1.

b) Die entsprechende Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB hat zur Folge,daß die vom Versorgungsunternehmen angesetzten Tarife für den Kunden nurverbindlich sind, wenn sie der Billigkeit entsprechen (§ 315 Abs. 3 Satz 1BGB). Entspricht die Tarifbestimmung nicht der Billigkeit, so wird sie, soferndas Versorgungsunternehmen dies beantragt, ersatzweise im Wege der richterlichen Leistungsbestimmung durch Urteil getroffen (§ 315 Abs. 3 Satz 2BGB; vgl. Staudinger/Rieble, aaO Rdn. 294 f.). Erst die vom Gericht neu festgesetzten niedrigeren Tarife sind für den Kunden verbindlich, und erst mit der Rechtskraft dieses Gestaltungsurteils wird die Forderung des Versorgungsunternehmens fällig und kann der Kunde in Verzug geraten (BGH, Urt. v. 24.11.1995 - V ZR 174/94, NJW 1996, 1054; MünchKomm./Gottwald, BGB, 4. Aufl., § 315 Rdn. 49; Palandt/Heinrichs, BGB, 64. Aufl., § 315 Rdn. 17; Staudinger/Rieble, aaO Rdn. 276); erst von diesem Zeitpunkt an besteht mithin eine im gerichtlichen Verfahren durchsetzbare Forderung des Versorgungsunternehmens.

c) Das gilt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofsgrundsätzlich auch dann, wenn, wie hier, die Tarifbestimmung mit Genehmigung der zuständigen Aufsichtsbehörde getroffen worden ist. Denn die rein öffentlich-rechtliche Wirkung der Genehmigung beschränkt sich auf das Verhältnis der Behörde zum Genehmigungsempfänger und ist für die privatrechtliche Überprüfung eines einseitig festgesetzten Entgelts anhand des § 315 Abs. 3 BGB nicht präjudiziell (vgl. nur BGHZ 115, 311, 315; BGH, Urt. v. 02.07.1998 - III ZR 287/97, NJW 1998, 3188, jeweils m.w.N.; vgl. auch Ludwig/ Odenthal/ Hempel/Franke, Recht der Elektrizitäts-, Gas- und Wasserversorgung, § 30 AVBEltV Rdn. 56).
--- Ende Zitat ---

Dies müsse bei einer unmittelbaren Anwendung des § 315 BGB auf die gesetzliche Preisbestimmungspflicht des Versorgers gem. § 10 Abs. 1 EnWG 1998 bzw. §§ 36 Abs. 1, 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 EnWG erst recht gelten.

Nach dieser Ansicht konstituieren § 4 AVBV/ § 5 GVV gar kein Preisänderungsrecht, sondern regeln als besondere Ausgestaltung gegenüber § 315 Abs. 2 BGB lediglich, wie die gesetzliche Preisbestimmungspflicht des Versorgers im Sinne von § 315 Abs. 1 BGB jeweils ausgeübt werden muss: Wirksamkeit der Ausübung gem. § 315 Abs. 2 BGB wegen der sonst damit verbundenen Beweisschwierigkeiten auch ohne Zugang einer entsprechenden Willenserklärung beim anderen Vertragsteil (§ 130 BGB).

Nach dieser Ansicht müsse immer der jeweils bestimmte Allgemeine Preis insgesamt auf seine Billigkeit kontrolliert werden.

Schließlich sei denkbar, dass ein Versorgungsunternehmen seiner gesetzlichen Verpflichtung entsprechend die Tarife absenken muss, dies jedoch nicht nur unterlässt, sondern den Tarif sogar anhebt.
Der betroffene Kunde dürfe dann nicht mit dem Ergebnis abgespeist werden, dass die Erhöhung unwirksam sei, deshalb der bisherige Preis weitergelte.



--- Zitat ---Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann ein Gasversorgungsunternehmen das ihm nach dem Regelungsgehalt des § 4 Abs. 1 oder 2 AVBGasV kraft Gesetzes zukommende und dort nach Anlass, Voraussetzun-gen und Umfang nicht präzisierte Recht zur Preisänderung nicht nach freiem Belieben ausüben; eine solche Preisänderung hat vielmehr gemäß § 315 BGB nach billigem Ermessen zu erfolgen. Sie ist deshalb für den anderen Teil nur verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht. Zu diesem Zweck kann dieser die Preisänderung auch gerichtlich auf ihre Billigkeit überprüfen lassen (BGH, Urteile vom 13. Juni 2007 - VIII ZR 36/06, BGHZ 172, 315 Rn. 14 ff.; vom 29. April 2008 - KZR 2/07, BGHZ 176, 244 Rn. 26; vom 19. November 2008 - VIII ZR 138/07, BGHZ 178, 362 Rn. 26; vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 56/08, BGHZ 182, 41 Rn. 19 f.).
--- Ende Zitat ---

Dem wird entgegengehalten, dass auch die gesetzliche Verpflichtung zur Preisanpassung zugunsten der betroffenen Kunden justitiabel und gerichtlich durchsetzbar sein muss (Art. 19 Abs. 4 GG), was in der Rechtsprechung des BGH- Senats jedoch keine Entsprechung fände, diese entegen der gesetzlichen Regelung eine Preisvereinbarung mit den betroffenen Kunden postuliere, die mit einer gesetzlichen Preissenkungspflicht denknotwendig unvereinbar sei.


--- Zitat ---Aus dieser gesetzlichen Bindung des allgemeinen Tarifs an den Maßstab der Billigkeit folgt nicht nur die Rechtspflicht des Versorgers, bei einer Preisänderung Kostensenkungen ebenso zu berücksichtigen wie Kostenerhöhungen. Der Versorger ist vielmehr auch verpflichtet, die jeweiligen Zeitpunkte einer Preisänderung so zu wählen, dass Kostensenkungen nicht nach für den Kunden ungünstigeren Maßstäben Rechnung getragen wird als Kostenerhöhungen, so dass Kostensenkungen mindestens in gleichem Umfang preiswirksam werden müssen wie Kostenerhöhungen. Die gesetzliche Regelung umfasst daher neben dem Recht des Versorgers zur Preisänderung auch die Pflicht hierzu, wenn die Änderung für den Kunden günstig ist (BGH, Urteile vom 29. April 2008 - KZR 2/07, aaO; vom 13. Januar 2010 - VIII ZR 81/08, WM 2010, 481 Rn. 18 mwN).
--- Ende Zitat ---

RR-E-ft:

--- Zitat ---Original von RR-E-ft

--- Zitat ---BGH, B. v. 18.05.11 VIII ZR 71/10

Die Beklagte bezieht von der Klägerin, einem Gasversorgungsunternehmen, als Tarifkundin im Haushalts-Tarif leitungsgebunden Erdgas für ihr Grundstück in B. .

Der dem Bezug zugrunde liegende Energielieferungsvertrag wurde 1991 zwischen der Beklagten und den Stadtwerken W. geschlossen, deren Aufgaben inzwischen die Klägerin übernommen hat.

 Bei Erwerb des Grundstücks vom Gemeindeverband Mittleres S. im Jahr 1990 hatte die Beklagte in dem notariellen Kaufvertrag versichert, dass sie die dort zu errichtenden Gebäude hauptsächlich mit Erdgas als Energieträger versorgen und den gesamten Bedarf an Gas zur Erzeugung von Raumwärme und Warmwasser von den Stadtwerken W. beziehen werde.

In der Zeit vom 1. Januar 2005 bis zum 1. Januar 2007 erhöhte die Klägerin den Arbeitspreis für das von ihr gelieferte Gas insgesamt vier Mal; am 1. April 2007 erfolgte eine Senkung des Arbeitspreises. Die Beklagte widersprach den auf die Preisänderungen folgenden Jahresabrechnungen der Jahre 2005, 2006 und 2007. Sie hält die Gaspreiserhöhungen der Klägerin für unbillig.

Die Klägerin beansprucht die Zahlung der aus den genannten Jahresabrechnungen noch offen stehenden Restbeträge. Das Amtsgericht hat der auf Zahlung von 2.733,12 € nebst Verzugszinsen und Rechtsanwaltskosten gerichteten Klage stattgegeben.

Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr auf Klageabweisung gerichtetes Begehren weiter.

II.

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Vorabentscheidungsverfahren von Interesse, ausgeführt:

Die Preiserhöhungen der Klägerin in den Jahren 2005 bis 2007 entsprächen der Billigkeit gemäß § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV in Verbindung mit § 315 Abs. 3 BGB, da sie im Wesentlichen auf gestiegene Bezugskosten zurückzuführen seien; ferner habe die Klägerin ihre gesunkenen Bezugskosten im April 2007 pflichtgemäß an die Kunden weitergereicht. Die gestiegenen Bezugskosten seien auch nicht durch rückläufige Kosten in anderen Bereichen ausgeglichen worden.

III.

Die Entscheidung über den Zahlungsanspruch der Klägerin hängt von der Frage ab, ob bei einem Gasversorgungsvertrag, der von einem Gasversorgungsunternehmen mit einem Haushalts-Kunden im Rahmen der allgemeinen Versorgungspflicht geschlossen worden ist (Tarifkundenvertrag), das in § 4 Abs. 1 und 2 der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Gasversorgung von Tarifkunden vom 21. Juni 1979 (BGBl. I S. 676 - AVBGasV) enthaltene gesetzliche Preisänderungsrecht wirksam ist.
--- Ende Zitat ---

Diese Rechtsfrage betrifft sämtliche anhängigen entsprechenden Zahlungsprozesse gegenüber grundversorgten Tarifkunden.


Will ein nationales Gericht letztinstanzlich  darüber entscheiden, muss es diese Rechtsfrage - ebenso wie der BGH-  dem EuGH von Amts wegen vorab vorlegen.


--- Zitat ---Die Entscheidung über die Vorlagefrage zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts ist gemäß Art. 267 AEUV dem Gerichtshof der Europäischen Union vorbehalten.
--- Ende Zitat ---


--- Ende Zitat ---

tangocharly:
Man kann sich das geeiere des VIII.Senats in der Frage der Preisanpassungspflicht (oder -recht) nicht mehr mit ansehen:

\"Das Transparenzgebot sei nur für die \"geltenden Preise\" geboten, nicht für die Preisänderungen. Wenn der Kunde \"die Füße unter den Arm nehmen und wechseln könne\", dann sei das für das Transparenzgebot der RiLi-Gas ausreichend\" (siehe nachfolgend)


--- Zitat ---4. Die Gas-Richtlinie bedarf hinsichtlich ihrer inhaltlichen Anforderungen an die Transparenz von Preisänderungsregelungen in Verträgen mit Haushalts-Kunden über die Erdgasversorgung der Auslegung.

a) Nach Anhang A Buchst. b der Gas-Richtlinie haben die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass die Kunden rechtzeitig über eine beabsichtigte Änderung der Vertragsbedingungen und dabei über ihr Rücktrittsrecht unterrichtet werden. Dabei haben die Dienstleister im Falle einer Gebührenerhöhung ihren Kunden jede Erhöhung mit angemessener Frist, auf jeden Fall jedoch vor Ablauf der normalen Abrechnungsperiode, auf die die Gebührenerhöhung folgt, mitzuteilen; zudem haben die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass es den Kunden freisteht, den Vertrag zu lösen, wenn sie die neuen Bedingungen nicht akzeptieren, die ihnen der Gasdienstleister mitgeteilt hat.

b) Nach Auffassung des Senats wird aus diesen Regelungen der Gas-Richtlinie deutlich, dass der europäische Normgeber das Interesse der Versorgungsunternehmen anerkennt, Kostensteigerungen während der Vertragslauf-zeit weiterzugeben, ohne die Verträge kündigen zu müssen. Auf den gleichen Erwägungen beruht auch im nationalen deutschen Recht das gesetzliche Preisänderungsrecht gemäß § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV (jetzt: § 5 Abs. 2 der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Grundversorgung von Haus-haltskunden und die Ersatzversorgung mit Gas aus dem Niederdrucknetz [Gasgrundversorgungsverordnung - GasGVV] vom 26. Oktober 2006 [BGBl. I S. 2391]; vgl. dazu BGH, Urteile vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 225/07, BGHZ 182, 59 Rn. 22; VIII ZR 56/08, aaO Rn. 24). Aus dem in Art. 3 Abs. 3 Satz 4 der Gas-Richtlinie lediglich in allgemeiner Weise formulierten Transparenzgebot ergeben sich nach Auffassung des Senats jedoch keine Vorgaben, welche der Gültigkeit von § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV entgegenstehen.

Insbesondere hat der Senat Zweifel, ob die teilweise aus Anhang A Buchst. c der Gas-Richtlinie hergeleiteten Transparenzanforderungen, die sich nur auf \"geltende Preise und Tarife\" beziehen, bei Preisänderungen überhaupt zur Anwendung kommen können. Es spricht mehr dafür, die Anforderungen an künftige Preisänderungen nach den auf diese Fallgestaltung eigens zugeschnittenen Vorgaben von Anhang A Buchst. b der Gas-Richtlinie als der spezielleren Norm zu bestimmen. Diesen Transparenzanforderungen wird nach Auffassung des Senats die Preisänderungsklausel des § 4 AVBGasV gerecht. Denn jedenfalls durch eine richtlinienkonforme Auslegung ist sichergestellt, dass der Kunde von einer bevorstehenden Preisänderung so frühzeitig Kenntnis erlangt, dass er neben der ihm durch § 315 BGB eröffneten Möglichkeit einer inhaltlichen Nachprüfung der Preiserhöhung am Maßstab des billigen Ermessens auch ausreichend Gelegenheit hat, sich nach § 32 Abs. 2 AVBGasV in der Weise vom Versorgungsvertrag zu lösen, dass die Preisänderung ihm gegenüber nicht wirksam wird..
--- Ende Zitat ---

Die Möglichkeit einer inhaltlichen Nachprüfung der Preiserhöhung am Maßstab des billigen Ermessens ? Und wo bleibt der Maßstab der Kostenorientierung ? Und wo bleibt der Maßstab der Transparenz ? Wird etwas transparent, wenn es nicht untersucht wird, weil man darauf verzichtet ? Ist nun etwa doch der \"weite Spielraum der Billigkeit\" ein Transparenzkriterium ?

Ergo sum:
Das was bereits festgezurrt ist (sil: gelte), dafür besteht das Transparenzgebot; dagegen dafür, was künftig geändert werden soll, hier genügt das Kündigungsrecht des § 32 AVBGasV - (der Anfangs-/Sockelpreis läßt wiederum grüßen).

uwes:
Eine bestimmte  (Rechts-)Frage, die sich für die immer noch anhängigen Alt.Streitigkeiten der Tarifkunden ergibt, wird damit aber wohl auch nicht geklärt:

Denn nach der Begründung dieses Beschlusses hält der BGH ein Anpassungsrecht ja mit Blick auf seine eigene Rechtsprechung dann für vereinbar mit den Transparenzvorgaben der GasRiLi, wenn den Kunden die Möglichkeit zur Kündigung gegeben war.

Was aber gilt dann für diejendigen Kunden, die in den Jahren 2004 - 2006 aufgrund des Fehlens anderer Anbieter gar keine Möglichkeit hatten, den Gasversorger zu wechseln, also die Kündigungsmöglichkeit auf dem Papier zwar bestand, die Rechtswirklichkeit aber eine andere war?

Es wird also in zweifacher Hinsicht interessant.

1. Wird der EuGH im Sinne des VIII Zivilsenats ein Preisanpassungsrecht bejahen?
2. Falls er dies tut, wird er maßgeblich auf das Bestehen einer realen, effektiv nutzbaren Kündigungsmöglichkeit abheben?

tangocharly:
Die Richtlinie Gas richtet sich doch offensichtlich nicht nur an Grundversorgungsverhältnisse, sondern an alle Gasdienstleister :


--- Zitat ---ANHANG A  Maßnahmen zum Schutz der Kunden  Unbeschadet der Verbraucherschutzvorschriften der Gemeinschaft, insbesondere der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (1) und der Richtlinie 93/13/EG des Rates (2), soll mit den in Artikel 3 genannten Maßnahmen sichergestellt werden, dass die Kunden    

a. Anspruch auf einen Vertrag mit ihren Anbietern von Gasdienstleistungen haben, in dem Folgendes festgelegt ist:      
— Name und Anschrift des Anbieters,      
— erbrachte Leistungen und angebotene Leistungs-Qualitätsstufen sowie Zeitbedarf für den Erstanschluss,      
— gegebenenfalls die Art der angebotenen Wartungsdienste,      
— Art und Weise, wie aktuelle Informationen über alle geltenden Tarife und Wartungsentgelte erhältlich sind,      
— Vertragsdauer, Bedingungen für eine Verlängerung und Beendigung der Leistungen und des Vertragsverhältnisses, Vorhandensein eines Rücktrittsrechts,      
— etwaige Entschädigungs- und Erstattungsregelungen bei Nichteinhaltung der vertraglich vereinbarten Leistungsqualität, und      
— Vorgehen zur Einleitung von Streitbeilegungsverfahren gemäß Buchstabe f). Die Bedingungen müssen gerecht und im Voraus bekannt sein. Diese Informationen müssen in jedem Fall vor Abschluss oder Bestätigung des Vertrags übermittelt werden. Auch bei Abschluss des Vertrags durch Vermittler müssen die oben genannten Informationen vor Vertragsabschluss bereitgestellt werden;    

b. rechtzeitig über eine beabsichtigte Änderung der Vertragsbedingungen und dabei über ihr Rücktrittsrecht unterrichtet werden. Die Dienstleister teilen ihren Kunden direkt jede Gebührenerhöhung mit angemessener Frist mit, auf jeden Fall jedoch vor Ablauf der normalen Abrechnungsperiode, die auf die Gebührenerhöhung folgt. Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass es den Kunden freisteht, den Vertrag zu lösen, wenn sie die neuen Bedingungen nicht akzeptieren, die ihnen ihr Gasdienstleister mitgeteilt hat;    

c. transparente Informationen über geltende Preise und Tarife sowie über die Standardbedingungen für den Zugang zu Gasdienstleistungen und deren Inanspruchnahme erhalten;    

d. über ein breites Spektrum an Zahlungsmodalitäten verfügen können. Die Unterschiede in den Vertragsbedingungen spiegeln die Kosten wider, die dem Lieferanten durch die unterschiedlichen Zahlungssysteme entstehen. Die allgemeinen Vertragsbedingungen müssen fair und transparent sein. Sie müssen klar und verständlich abgefasst sein. Die Kunden müssen gegen unfaire oder irreführende Verkaufsmethoden geschützt sein;    

e. den Lieferanten ohne Berechnung von Gebühren wechseln können;    

f. transparente, einfache und kostengünstige Verfahren zur Behandlung ihrer Beschwerden in Anspruch nehmen können. Diese Verfahren müssen eine gerechte und zügige Beilegung von Streitfällen ermöglichen und für berechtigte Fälle ein Erstattungs- und Entschädigungssystem vorsehen. Sie sollten, soweit möglich, den in der Empfehlung 98/257/EG der Kommission (3) dargelegten Grundsätzen folgen;    

g. soweit sie an das Gasnetz angeschlossen sind, über ihre gemäß dem einschlägigen einzelstaatlichen Recht bestehenden Rechte auf Versorgung mit Erdgas einer bestimmten Qualität zu angemessenen Preisen informiert werden.
--- Ende Zitat ---

Wie der BGH richtig erkannt hat, ist der Anhang A auszulegen.
Also muß in der Auslegung am Wortlaut und dort wieder am Beginn des Wortlauts angefangen werden.

Und was hat der BGH schon als Erstes übersehen: den Vorspann, bevor es mit lit. a. - g. so richtig losgeht:


--- Zitat ---Unbeschadet der Verbraucherschutzvorschriften der Gemeinschaft,
--- Ende Zitat ---

Und weiter, wie kommt man zu der Annahme, dass zwischen lit. a. - g. eine spezieller als die andere Regelung sei ?
Bei Licht betrachtet beschreiben lit. a. - g. den gesamten Ablauf des Versorgungsverhältnisses, bis hin zu einem \"transparenten Beschwerdeverfahren\" in lit. f.

Was hat der BGH noch übersehen ?

Offenbar seine gesamte Rechtsprechung, insbesondere zur Übernahme der AVB in den Sondervertrag. Denn dort wurde ja erkannt, dass eine Übernahme ohne die Kündigungsregeln der AVB nicht wirksam ist.

Ferner wurde erkannt, dass der Kunde die Wahl hat, entweder den Vertragspreis auf seine Billigkeit prüfen zu lassen oder zu wechseln.

Beides hat doch offensichtlich mit \"Transparenz\" nichts gemein, allenfalls mit dem Verbot der \"unangemessenen Benachteiligung\" gem. § 307 BGB. Und das sind bekanntlich \"zwei Paar unterschiedliche Schuhe\".

Doch was soll der Hinweis der BGH auf den \"geltenden Preis\".
Nach dem Motto: \"Ein blindes Huhn findet auch mal ein Korn\", kommt er zu dem Ergebnis (heureka), dass Transparenz nur hierfür vonnöten sei.

Sollte der BGH (ich glaube es kaum) das System der Preisbildung nach § 36 EnWG nicht kennen ?

(a) Erst wird der Preis bestimmt, dann
(b) wird der Preis veröffentlicht und dann
(c) gilt der Preis - und zwar auf Teufel komm raus.

Donnerwetter, da war doch in den Entscheidungen des BGH zu lesen: Der Preis sei mit der Entnahme der Energie aus dem Netz vereinbart.

Das kommt davon, wenn man nicht nur Rumpf und Wörter beugt, sondern auch das Recht. Spätestens jetzt wird aus dem \"geltenden Preis\" einer der \"vereinbart\" werden kann/muß und schließlich erst jetzt \"gilt\".

Genau so muß sich der europäische Gesetzgeber sein System vorgestellt haben, welches er in Anlage A aufgerissen hat.

P.S.: Man sollte sich halt mal die letzten beiden Sätze von lit.a.) genauer ansehen.

Da die Preise in der Grundversorgung gelten, ob sie bekannt sind oder ob nicht, kommt es auf die Kenntnis der AVB ja nicht an.
Wenn diese Sätze nicht nur auf Sonderverträge bezogen sein sollten, sondern auch auf die Grundversorgung, dann müßte der Europäische Gesetzgeber die Bundesrepublik wohl zwingen haben wollen, auch in der Grundversorgung die Wirksamkeit eines Vertrags von der vorherigen Kenntnis und Zustimmung zu den AVB abhängig zu machen (§305 BGB). Kaum vorstellbar.

Bevor sich der BGH zu einer etwaigen Spezialität äußert, d.h. der lit.b. vor lit c., dann müßte er zunächst die Frage beantworten, ob es sich hierbei um eine Spezialität in Bezug auf die Grundversorgung handeln mag.

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