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Autor Thema: Kündigung oder nicht?  (Gelesen 14464 mal)

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Offline bolli

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Kündigung oder nicht?
« Antwort #15 am: 27. Mai 2011, 08:52:37 »
Zitat
Original von Maharik
Die vertreten (auf Seite 12) die Ansicht, das von einer wirksamen Einbeziehung der AGB ausgegangen werden könne, wenn auf diese hingewiesen wurde (s. oben). Außerdem vertreten die das Venire contra factum prorium.
...
Ich vermag aus den Darlegungen des Gerichtes in Warendorf nicht zu ersehen, dass ich beweisen muss, dass mir die AGB vor Vertragsabschluss zugänglich waren, sonder dieses Gericht scheint ja davon auszugehen, dass die \'Bedingungen zum Sonderabkommen\' Bestandteil des Vertrages geworden sind, weil auf die Geltung hingewiesen wurde.

Oder sehe ich das falsch?
Nun, die Auffassung des AG Warendorf wird von anderen Gerichten durchaus anders gesehen:
Zitat
OLG Oldenburg v. 12.02.2010 - 6 U 164/09
Zur Einbeziehung von AGB in den Vertrag bedarf es einer vertraglichen Abrede.
...
Bei einem Vertragsschluss unter Abwesenden kann der Bestimmung des § 305 Abs. 2 Nr. 2 BGB i.d.R. nur durch (vorherige) Übersendung der AGB genügt werden (vgl. Palandt Heinrichs, aaO, § 305 Rn 35).

Eine Übersendung der AVBGasV, auf die in den Vertragsbestätigungen hingewiesen wurde, ist unstreitig nicht erfolgt. Vielmehr hat die Klägerin die Übersendung der AVBGasV auf Wunsch des jeweiligen Kunden lediglich angeboten. Der Hinweis auf die AVBGasV in den schriftlichen Vertragsbestätigungen ist zudem verspätet, weil er gerade nicht bei Vertragsschluss erfolgte (vgl. auch OLG Oldenburg, 12 U 49/07, Seite 14. Palandt – Heinrichs, aaO § 305 Rn 30, 43), sondern nach den überreichten Dokumentationen und dem eigenen Sachvortrag der Klägerin erst nach Vertragsschluss bzw. - beginn. Das Einverständnis der Beklagten als Kunden mit der Einbeziehung der AGB ist jedoch eine notwendige Einbeziehungsvoraussetzung. Nimmt der Verwender erstmals in der Auftragsbestätigung auf beigefügte AGB Bezug, bedeutet das Schweigen des Kunden, das im Rechtsverkehr grundsätzlich keine Aussagekraft besitzt, insbesondere weder Zustimmung noch Ablehnung ausdrückt, in der Regel keine Zustimmung (vgl. Palandt – Heinrichs, aaO, § 305 Rn 43 unter Hinweis BGH NJW 1988, 2106. OLG Köln NJW – RR 1994, 1430). Entgegen der Auffassung der Klägerin ist der bloße Hinweis auf die AVBGasV nicht ausreichend, vielmehr hätte die Klägerin ihren Kunden mit den Vertragsbestätigungen das Regelwerk überlassen müssen.
Im vorliegenden Fall sollten die AVBGasV wohl als besondere AGB in den  Vertrag einbezogen werden. Insofern muss man also nicht zwingend davon ausgehen, dass bei Ihnen die AGB als Vertragsbestandteil vereinbart worden sind.

Zitat
Original von Maharik
Was nun aber die Kündigung angeht: Der Versorger will den Tarif Optimo beenden und erklärt dies. Einen Vertag über den Tarif Optimo habe ich nicht abgeschlossen, sondern der Tarif hieß schlicht und ergreifend 430.Der damals abgeschlossene Tarif bezog sich u.a. darauf, dass der Preis des Sonderabkommens mit dem Preis für die Haushaltsversorgung (3.000 - 10.000) kWh verknüpft war.
Maßgeblich für Ihren damaligen Vertragsabschluß war doch nicht ein Tarifname sondern vereinbarte Preise. Wie der Versorgeroder ein etwaiger Nachfolger den Tarif im folgenden nennt, kann Ihnen weitestgehend egal sein, solange sich die vereinbarten Preise nicht zu Ihren Lasten ändern. Tun sie das, sollte es eine vertragliche Grundlage dafür geben. Ist diese nicht vorhanden, ist die Preisänderung nicht zulässig, gleichwohl kann sie Wirkung entfalten (wenn Sie nämlich die höheren Preise zahlen). Solange aber die Rechtmäßigkeit der Preiserhöhung nicht angezweifelt wird, tut sich mal nichts (von alleine).
Der Versorger kann auch meines Erachtens nicht den Tarif sondern nur den Vertrag mit den zur Zeit vereinbarten Preisen kündigen. Ob er den nun richtig benennt oder nicht, ist wohl eher zweitrangig, zumal wenn es nur einen Vertrag mit dem Versorger gibt.

Offline berghaus

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Kündigung oder nicht?
« Antwort #16 am: 31. Mai 2011, 02:08:29 »
Zitat
Kurzfasssung: 1993 Haus gekauft, Gas angemeldet...Nach meiner Auffassung habe ich einen Vertrag mit (damals) der VEW geschlossen. Dieser Vertrag sagte, dass ich aufgrund der Tatsache, meinen \"gesamten Raumwärmebedarf\" durch Gas zu decken und durch die Abnahmemenge (über 10.000 kWh) eine Gasbelieferung außerhalb der Grundversorgung zugesagt bekomme. Das ist für mich der Inhalt des Vertrages.Da dies nicht für einen Einzelkunden, sondern für eine Mehrzahl von Kunden angeboten wurde, wurde keine Einzelvertrag geschlossen, sondern ich wurde in einem \'Tarif\' beliefert.

Also hat weder der Kunde noch der Versorger einen von beiden Parteien unterschriebenen Vertrag vorliegen und den gibt es offensichtlich auch nicht.
Auch AGBs wurden dem Kunden nicht ausgehändigt.
Immerhin wird schon 1994 von dem Rechtsnachfolger der VEW schriftlich bestätigt, dass ein Vertrag besteht:


Zitat
Gegeben ist ein Schreiben der SWST vom 24.01.04  Überschrift: Vertragsbestätigung und Abschlagsforderung  Wir begrüßen Sie als neuen Kunden der SWST. Entsprechend unserer Vereinbarung mit den VEW ist die Stadtwerke Steinfurt GmbH ab 01.01.1994 für die Gasversorgung zuständig.  Die Stadtwerke Steinfurt GmbH tritt in die von Ihnen mit der VEW geschlossenen Verträge ein.

Meine Frage:

Gibt es in einem solchen Fall, der wohl häufiger vorgekommen ist, überhaupt einen Vertragsabschluss mit einem Vertragspreis und einer Kündigungsfrist, die sich allenfalls aus den 1993 üblichen Verträgen und AGBs ableiten lässt, oder kann der Versorger in der Folge machen was er will?


berghaus 31.05.10

Offline RR-E-ft

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Kündigung oder nicht?
« Antwort #17 am: 31. Mai 2011, 09:01:24 »
@berghaus

Der Versorger kann nie machen, was er will, sondern hat sich immer an die vertraglichen Abreden und daneben an Recht und Gesetz zu halten.

Es ist doch vollkommen unstreitig, dass bereits seit 1993 ein wirksamer Vertrag bestand.

In den VEW- AGB soll eine Kündigungsfrist von 3 Monaten vorgesehen gewesen sein. Folglich handelte es sich bei dem 1993 abgeschlossenen Vertrag um einen Sondervertrag.

Zwischen Kunde und VEW bestand deshalb seit 1993 ein Sondervertrag (BGH VIII ZR 295/09 Rn. 22), unabhängig davon, ob nun die VEW-AGB bei Vertragsabschluss in den Vertrag wirksam einbezogen wurden oder nicht (BGH VIII ZR 246/08].

In diesen inhaltlich unveränderten Vertrag waren die Stadtwerke eingetreten und dieser Vertrag hat seit 1993 keine inhaltliche Abänderung mehr erfahren, da sich der Kunde nicht mit einer nachträglichen Vertragsänderung einverstanden erklärt hatte, es zu keinen vertraglichen Neuvereinbarungen gekommen war.

Dann gilt der 1993 vereinbarte Sondervertrags- Gaspreis (OLG Hamm, Urt. v. 27.01.11, Urt. v. 19.05.11; LG Köln, Urt. v. 16.03.11).

Sollten die VEW-AGB 1993 nicht wirksam in den Vertrag einbezogen worden sein, beträgt die Kündigungsfrist für die ordentliche Kündigung des Versorgers sechs Monate (BGH VIII ZR 241/08].

Bei wirksamer Einbeziehung der VEW-AGB richten sich Kündigungszeitpunkt und Kündigungsfrist nach diesen.

Der Versorger kann nur den konkreten Gaslieferungsvertrag kündigen undzwar unter Einhaltung der geltenden Kündigungsfrist.

Ob bei ihm Tarife auslaufen oder aber Gehirnflüssigkeit des Geschäftsführers ist dafür vollkommen unerheblich.

Siehe auch:

Sonderabkommen I und II waren immer schon Sonderverträge

Offline berghaus

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Kündigung oder nicht?
« Antwort #18 am: 01. Juni 2011, 01:23:40 »
Zitat
Es ist doch vollkommen unstreitig, dass bereits seit 1993 ein wirksamer Vertrag bestand.
Ich will ja auch nicht streiten.

Aber der Kunde hat keinen Vertrag und der Versorger findet auch keinen.
Kommt es nicht wirklich vor, dass eine Kunde sich anmeldet, beliefert wird und kein mündlicher oder schriftlicher Vertrag abgeschlossen wird?

 Vielleicht gibts dann eine Mitteilung. daß man nach dem Tarif XX beliefert wird und zahlt auch Abschläge oder die Jahresrechnung usw.

Was ist in einem solchen Fall der \'vertragliche\' Anfangspreis des Sonderkunden und wie ist es mit den Kündigungfristen?

berghaus 01.06.11

Offline RR-E-ft

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Kündigung oder nicht?
« Antwort #19 am: 01. Juni 2011, 09:27:01 »
Ein Sondervertrag kann auch dadurch zustande kommen, dass der Versorger seine Kunden bereits ab Lieferbeginn von sich aus im Rahmen der Vertragsfreiheit automatisch in einen Sondertarif einstuft (BGH VIII ZR 246/08 Rn. 26 ff.)

Wenn ein Versorger nachträglich dazu überging, den Kunden zu einem Sondertarif zu beliefern (vgl. VIII ZR 295/09 Rn. 22), dann lässt sich der Zeitpunkt, zu dem die Umstellung erfolgte, an den Verbrauchsabrechnungen ersehen.

Die Übung bestand dann darin, dass der Kunde vom Versorger im Rahmen der Vertragsfreiheit zu einem Sondertarif an der Abnahmestelle beliefert wurde.

In derjenigen Verbrauchsabrechnung, in welcher erstmals die Abrechnung zum Sondertarif erfolgte, ist dann auch der Preis zu ersehen, der zu Beginn dieses Zustandes galt, als vereinbart gilt und den der Versorger nur dann nachträglich abändern konnte, wenn eine wirksame Preisänderungsklausel wirksam vereinbart wurde.

Die Frage, ob ein entsprechender Vertrag besteht oder nicht, bemisst sich nicht danach, ob es über den entsprechenden Vertragsabschluss überhaupt eine Urkunde gibt oder ob sich eine solche auffinden lässt.

Es gelten entweder die vertraglich wirksam vereinbarten Kündigungsfristen oder es gelten in Ermangelung solcher die Grundsätze aus BGH, B. v. 15.09.09  VIII ZR 241/08 über das Recht des Versorgers zur ordentlichen Kündigung eines Energielieferungsvertrages.

 

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