Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen
trotz SV, LG sieht Anerkenntnis bzw. Neuvereinbarung des Preises 2004 durch Musterbrief!
Kampfzwerg:
Weiterführung dieses Threads...
LG rät mir \"dringend\" zu einem Vergleich!
...denn jetzt brauche ich wirklich Eure Hilfe bei der Entscheidungsfindung.
Das LG kam in der mdl. Verhandlung zu folgener Meinung:
1. Sondervertrag seit Vertragsschluss 1991 bis zu Kündigung
2. Preisklauseln sind unwirksam
3. Anerkenntnis bzw. Neuvereinbarung des Preisniveau von 2004, da ich mittels des Musterbriefes und des weiteren Schriftwechsels eine Erklärung abgegeben hätte, diese Preise zahlen zu wollen.
4. Die zugestandenen 2% Sicherheitsaufschlag gelten nicht
(merkwürdig, oder?, das passt doch nicht zusammen)
und weiterhin...
5. Die Gestehungskosten des Versorgers wären seit 1991 enorm gestiegen
6. Die Akzeptanz der Vertragspreise eines Uraltvertrags sei nicht zumutbar
Diese Rechtsauffassung wäre übereinstimmend mit einem BGH Urteil vom 14.07.10 (welches sollte das sein??)
Und stünde ebenfalls im Einklang mit der zur Zeit geltenden Rechtsprechung.
Es spiele dabei auch keine Rolle, dass ich nur unter Vorbehalt gezahlt habe!
Daher wird zu einem Vergleich geraten, soll heissen, ich soll auf Basis der Preise von 2004 ein paar Tausend nachzahlen.
Weitere Aussichten:
Sollte ich diesem Vergleich nicht zustimmen, beabsichtige das LG
1. der Klage des Versorgers stattzugeben
2. ein Sachverständigengutachten einzuholen
Ich bin nicht wirklich bereit, nach diesen vielen Jahren jetzt mit diesem Vergleich kampflos unterzugehen, brauche aber eine realistische Einschätzung der Erfolgsaussichten und für den worst case auch eine der einzukalkulierenden Kosten?
Lt. Anwalt sind die Kosten für ein Sachverständigengutachten vom Prozesskostenfonds nicht gedeckt.
Und ich habe keine RS-Versicherung.
Also was kann ich tun?
Wie stehen die Erfolgsaussichten, wenn ich den Vergleich ablehne?
Was kostet ein Gutachten?
Stimmt die Rechtsauffassung des LG und entwickelt sich die Rechtsprechung im Allgemeinen tatsächlich in die Richtung, dass bei Verwendung des alten Musterbriefes von 2004 ein Anerkenntnis der Preise von 2004 vorliegt und die Vertragspreise eines Uraltvertrags unzumutbar wären?
Sollte das tatsächlich der Fall sein, überlege ich mir nämlich sehr ernsthaft, eine Anzeige wegen Betrugs zu erstatten.
Der Versorger hat sich inzwischen 20 Jahre ungerechtfertig bereichert.
Währen der 3jährigen Verjährung kommt sowieso nur ein Bruchteil davon als Rückforderung in Betracht.
Seit 2006 kürze ich jetzt auf die Vertragspreise und habe ihm damals explizit erklärt, ein Sondervertragskunde zu sein.
Und nach dem Urteil des BGH, Urt. v. 29.04.2008 - KZR 2/07- Erdgas- Sondervertrag - eigenständiger Erdgasmarkt für Endkunden war ich auch sicher, damit richtig zu liegen.
Die Vertragsunterlagen hat er mir auf meine Anfrage hin übersandt.
Mehrfach versuchte er zwischenzeitlich, mir mit unlauteren Mittel einen neuen Sondervertag aufzudrängen bzw. unterzujubeln, unter Aufhebung des bestehenden Sondervertrags.
Und nun plötzlich, in der zur jetztigen Verhandlung bestand er wider besseren Wissens und Kenntnis wieder einmal auf einem Grundversorgungsvertrag.
Cremer:
@Kampfzwerg,
haben Sie das Urteil LG KH (SW Kh gegen mich) gelesen?
Könnten Sie sich darauf abstützen?
BGH v. 14.7.2010 ist: Az. VIII ZR 327/07, zu finden in der Urteilesammlung
Ich hatte konsequenter Weise seit 2004 die Preise gekürzt und bei jeder Preiserhöhung und Jahresrechnung widersprochen.
Didakt:
@Kampfzwerg,
eine ganz miese Sache ist das. Sie weckt die Erinnerung an meinen Fall. Im Moment habe ich leider keine Zeit, mich näher dazu zu äußern. Hilfreich wäre in erster Linie natürlich die Meinung \"unseres besten Juristen aller Zeiten\" hierzu!
Daher zuerst eine Antwort auf die Frage zum BGH-Urteil vom 14.07.2010. Nach meiner Meinung kommt im Gegensatz zu Cremers Hinweis das Urteil BGH vom 14.07.10 - VIII ZR 246-08 (Fall EWE) in Frage.
MfG
RR-E-ft:
Möglicherweise meldet sich \"unser bester Jurist aller Zeiten\" hier auch noch zu Wort.
Einstweilen eine kurze Anmerkung meinerseits.
Das Muster findet sich hier:
Hanseatische OLG Hamburg, B. v. 09.12.10 Az. 13 U 211/09 [E.ON Hanse soll nun erst mal offen legen]
Im Grundsatz gilt:
--- Zitat ---Original von RR-E-ft
Die Kl. unterschied zwischen den Allgemeinen Tarifen und den Sonderabkommen. Ausdrücklich hieß in ihren Allgemeinen Versorgungsbedingungen für Gaslieferungen an Haushalte und Gewerbe:
„Soweit in den Sonderabkommen nicht etwas anderes vereinbart ist, gelten die Verordnung über Allgemeine Bedingungen…“.
Für einen Parallelfall hat der Bundesgerichtshof nun klar entschieden:
BGH VIII ZR 295/09 Rn. 25
Vorliegend wurde der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum von der Beklagten nicht (mehr) zu allgemeinen Tarifen, sondern zu dem als Sondertarif zu qualifizierenden Tarif E. beliefert.
Dieser stand bei den von der Beklagten angebotenen Belieferungsalternativen in unübersehbarem Kontrast zu dem daneben angebotenen Tarif E. B. GAS, der genauso wie der Tarif E. GAS sämtliche in Betracht kommenden Verbrauchsmengen erfasste.
Anders als der Tarif E. B. GAS wurde der Tarif E. GAS dabei aber zu den hierfür aufgestellten Bedingungen angeboten, die eine Geltung der AVBGasV nur insoweit vorsahen, als in ihnen nichts Abweichendes geregelt war. Allein schon hieraus ergab sich - wie das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler angenommen hat - für einen durchschnittlichen Abnehmer, dass die Beklagte die Belieferung zum Tarif E. GAS nicht mehr im Rahmen ihrer Allgemeinen Anschluss- und Versorgungspflicht oder Grundversorgungspflicht vornehmen wollte, sondern im Rahmen ihrer allgemeinen Vertragsfreiheit (vgl. Senatsurteile vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 56/08, BGHZ 182, 41 Rn. 16, und VIII ZR 225/07, aaO Rn. 17).
BGH VIII ZR 295/09 Rn. 24
Ein Gasversorgungsunternehmen kann sich auf das gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 AVBGasV in einen Tarifkundenvertrag automatisch einbezogene gesetzliche Preisänderungsrecht gemäß § 4 AVBGasV damit nicht unmittelbar stützen, wenn es mit dem Kunden aus dessen Sicht einen Sonderkundenvertrag zu Sondertarifen im Rahmen der allgemeinen Vertragsfreiheit und damit von vornherein außerhalb des sachlichen Geltungsbereichs der AVBGasV abgeschlossen hat. Ein Preisänderungsrecht nach § 4 AVBGasV besteht aber auch dann nicht, wenn das Versorgungsunternehmen - wie hier - dazu übergeht, einen Kunden, der bis dahin als Tarifkunde versorgt worden ist, aus dessen Sicht außerhalb der allgemeinen Tarifpreise unter Inanspruchnahme von Vertragsfreiheit zu Sonderpreisen zu versorgen. Denn ein Recht zur einseitigen Änderung von Preisen, die keine allgemeinen Tarifpreise sind, regelt § 4 AVBGasV nicht vgl. Morell, AVBGasV, Stand November 2003, E § 1 Abs. 1 Anm. g mwN).
BGH VIII ZR 295/09 Rn. 26
Die Beklagte kann das Preisänderungsrecht, das sie für die im streitgegenständlichen Zeitraum außerhalb des allgemeinen Tarifs erfolgte Belieferung mit Gas beansprucht, entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auch nicht darauf stützen, dass § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV in die von ihr anlässlich der Belieferung gestellten Bedingungen wirksam einbezogen worden seien.
Maßgeblich ist zunächst eine wirksame Einbeziehung gem. Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB iVm. § 305 Abs. 2 BGB, was eine Aushändigung der entsprechenden Bedingungen vor Vertragsabschluss und das Einverständnis des Kunden mit der Einbeziehung bei Vertragsabschluss voraussetzt. Ein bloßer Hinweis auf die Geltung der Bestimmungen genügt nicht (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 29.05.08 Az. 19 U 52/08 = VuR 2009, 316; OLG Düsseldorf, Urt. v. 24.06.09 Az. VI – 2 U (Kart) 14/08; OLG Dresden, Urt. v. 26.01.10 Az. 14 U 983/08; OLG Oldenburg, Urt. v. 12.02.10 Az. 6 U 164/09; OLG Dresden, Urt. v. 13.07.10 Az. 9 U 93/10; LG Frankenthal, Urt. v. 09.03.11 Az. 2 S 207/10, juris).
Wenn Gasversorger gem. § 2 Abs. 3 AVBGasV bzw. § 2 Abs. 4 GasGVV gesetzlich verpflichtet sind, grundversorgten Tarifkunden rechtzeitig vor oder bei Vertragsabschluss ein Exemplar unaufgefordert auszuhändigen, so muss dies für die Einbeziehung entsprechender Bedingungen als AGB in einen Sondervertrag gem. § 305 Abs. 2 BGB erst recht gelten.
Ein bloßer Hinweis auf die AVBGasV/ GasGVV oder das Anerbieten zur Übersendung der selben in einem nach Vertragsabschluss übersandten Vertragsbestätigungsschreiben genügen dafür nicht (OLG Dresden, aaO.).
Vorliegend wurden die Bedingungen der AVBGasV/ GasGVV der Bekl. weder vor Abschluss des Sonderabkommen- Vertrages noch danach ausgehändigt.
Sie kannte diese Bedingungen nicht und hatte sich mit der Einbeziehung solcher in den Gasliefervertrag weder bei Vertragsabschluss noch später einverstanden erklärt.
Der Kl. stand deshalb kein Recht zu, den Gaspreis nach Vertragsabschluss einseitig abzuändern. Auf Widersprüche der Beklagten kam es dafür, dass der Gasversorger gem. § 433 Abs. 2 BGB dazu verpflichtet war, das Gas zu dem bei Vertragsabschluss vereinbarten Sonderabkommen – Gaspreis weiter zu liefern, schon nicht an.
Preisneuvereinbarungen kamen insbesondere nicht durch die unwidersprochene Hinnahme von Preisänderungen und vorbehaltlose Zahlungen auf entsprechende Verbrauchsabrechnungen zustande (vgl. BGH, Urt. v. 14.07.10 VIII ZR 246/08 Rn. 57 ff., BGH VIII ZR 199/04, juris).
Einseitige Preisänderungen nach Vertragsabschluss waren infolge des nicht wirksam vereinbarten Preisänderungsrechts per se unwirksam. Das Gas musste auch im streitgegenständlichen Zeitraum zu dem Sonderabkommen- Gaspreis erfolgen, zu dem die Belieferung bereits zu Beginn der Belieferung auf vertraglicher Grundlage erfolgte, Überzahlungen unterliegen der Rückforderung (vgl. OLG Koblenz, Urt. v. 02.09.10 Az. U 1200/09 (Kart); OLG Hamm, Urt. v. 28.10.10 Az. I-2 U 60/10; OLG Frankfurt, Urt. v. 07.12.10 Az. 11 U 27/10; LG Köln, Urt. v. 07.10.10 Az. 8 O 302/09; LG Landau, Urt. v. 28.10.10 Az. HK O 9/09; LG Bonn, Urt. v. 03.11.10 Az. 5 S 3/10 und 5 S 218/09; LG Berlin, Urt. v. 05.11.10 Az. 56 S 63/10; LG Berlin, Urt. v. 29.12.10 Az. 6 O 323/09; LG Köln, Urt. v. 05.01.11 Az. 9 S 207/10; LG Hamburg, Urt. v. 18.02.11 Az. 320 S 129/10 und 320 S 82/10; LG Frankfurt/Oder, Urt. v. 22.02.11 Az. 6a S 30/10; LG Frankenthal, Urt. v. 09.03.11 Az. 2 S 257/10).
--- Ende Zitat ---
Anmerkung:
Vorstehend zitierte Entscheidungen sollte man gelesen haben und danach selbst zitieren.
Auch bei Sonderverträgen sind grundsätzlich Anerkenntnisse des Kunden vorstellbar. Die Frage, ob etwas anerkannt wurde oder nicht, hängt also nicht von der Frage ab, ob es sich um einen Sonderkundenvertrag handelt.
Für ein Anerkenntnis bedarf es des Zugangs einer entsprechenden Willenserklärung des Kunden beim Versorger, die sich zumindest als ein solches Anerkenntnis auslegen lässt.
M. E. lässt sich jedoch ein Widerspruchsschreiben, nach dessen Inhalt bis auf weiteres der bisherige Preis unter dem Vorbehalt der Rückforderung weiter gezahlt wird, nicht als Anerkenntnis des bisherigen Preises auslegen, weil schon der zugleich ausdrücklich erklärte Rückforderungsvorbehalt dem denknotwendig entgegensteht.
Der ausdrücklich erklärte Rückforderungsvorbehalt bewirkt gerade, dass sich der Versorger nicht darauf verlassen kann, dass er die unter diesem Vorbehalt geleisteten Zahlungen endgültig behalten, geschweige denn auch für die Zukunft beanspruchen (!) kann.
Insbesondere OLG Koblenz führt zutreffend aus, dass die Belieferung zum ursprünglich vereinbarten Vertragspreis dem Gasversorger nach erfolgtem Widerspruch auch nicht unzumutbar war, wenn dieser sich durch ordnungsgemäße Kündigung aus dem Vertragsverhältnis lösen konnte.
Es liegt allein in der Risikosphäre des Versorgers, wenn er sich in einer solchen Situation, nämlich dass in einen Sondervertrag keine oder keine wirksame Preisänderungsklausel einbezogen wurde und er deshalb weiter an den bei Vertragsabschluss ursprünglich vereinbarten Preis gem. § 433 BGB vertraglich gebunden bleibt, sich nicht durch eine ihm mögliche ordnungsgemäße Kündigung aus dieser - ihm nachteilig erscheindenen - vertraglichen Bindung löst.
Wollte man demgegenüber dazu gelangen, dass der 2004er- Preis anerkannt worden sei, wäre dieser jedenfalls zu zahlen, einseitige Preisänderungen nach Erstwiderspruch wären indes unwirksam.
Auf die Billigkeit der Preisänderungen und ein Sachverständigengutachten darüber käme es dann auch nicht an, weil die nach dem Erstwiderspruch erfolgten Preisänderungen jedenfalls unwirksam waren (BGH KZR 2/07, VIII ZR 274/06, VIII ZR 225/07, VIII ZR 320/07, VIII ZR 81/08].
Ein gerichtliches Sachverständigengutachten kann auch mit Kosten des Beweisverfahrens in Höhe zwischen 5 bis 20 TEUR zu Buche schlagen, die der Beweisführer vorzuschießen hat und die später in die Verfahrenskosten Eingang finden.
Entscheidend wird auch sein, ob die Berufung möglich ist und man ggf. in die Berufung gehen will.
Da das LG erstinstanzlich allein wegen des Streitwertes zuständig sein soll, ist die Entscheidung wohl berufungsfähig, selbst auch dann, wenn man zur Zahlung auf der Preisbasis 2004 verurteilt wird. Sonst hätte man für den Unterliegensfall die Zulassung der Berufung anzuregen/ zu beantragen.
Was so ein Verfahren in der I. Instanz und in der II. Instanz zu den gesetzlichen Gebühren insgesamt kostet, lässt sich mit Prozesskostenrechnern im Internet einfach ausrechnen, etwa hier:
http://www.prozesskostenrechner.de
Entweder trägt der Unterlegene am Ende alle Verfahrenskosten oder bei teilweisem Obsigen/ Unterliegen erfolgt eine Quotelung.
Die ganzen Gedanken zum Betrugs- Larifari kann man aus o.g. Gründen gleich ad acta legen.
Didakt:
@ RR-E-ft
a`la bonne heure, was Sie hier einstellen ist beeindruckend und höchst beachtenswert. Das hilft doch schon einmal weiter!
Das mit dem \"besten J. a. Z.\" hat sich doch wieder einmal bewahrheitet. ;)
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