Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen
Wärmepumpen-Tarif: Kündigung, Widerspruch Preiserhöhungen
Christian Guhl:
Das Bundeskartellamt hat in seinen Verfahren gegen div.Heizstromanbieter festgestellt, dass es sich dabei um Sonderverträge handelt (Pkt.20). Die Frage ist jetzt, was daraus folgt. Da die GVV nicht zur Anwendung kommt (auch nicht wirksam einbezogen wurde), besteht schon mal kein Preisanpassungsrecht für die Zukunft. Kommt die \"Sockelpreistheorie\" jetzt zur Anwendung, wenn der Versorger die Kunden ohne deren Einverständnis in verschiedenen Sonderverträgen hin-und herschiebt ? Als der BGH diese Theorie aufstellte, ging es um die Grundversorgung, nicht um Sonderverträge.
tangocharly:
--- Zitat ---Original von oskari
[...] Diese Frage stellt sich deshalb, da es einfach unmöglich ist, einen Sondervertrag von anderen Stromversorgern zu erhalten. Ich bin also erstmals gebunden. Ein Wechsel ist derzeit rechnerisch nicht erfolgreich[...]
--- Ende Zitat ---
Könnten Sie noch einmal nachfassen:
(1) Wechsel rechnerisch nicht erfolgreich
oder
(2) Unmöglich einen Sondervertrag von anderen Versorgern zu erhalten
Ich kann mir zwar vorstellen, dass ein Wechsel zu anderen Versorgern dort abgelehnt wird (was im Prozess dann vom alten Versorger heftig in Abrede gestellt wird).
In diesem Fall kann die Kündigung des bestehenden Vertrages treu- und kartellrechtswidrig sein.
tangocharly:
--- Zitat ---Original von Christian Guhl
Das Bundeskartellamt hat in seinen Verfahren gegen div.Heizstromanbieter festgestellt, dass es sich dabei um Sonderverträge handelt (Pkt.20). Die Frage ist jetzt, was daraus folgt. Da die GVV nicht zur Anwendung kommt (auch nicht wirksam einbezogen wurde), besteht schon mal kein Preisanpassungsrecht für die Zukunft. Kommt die \"Sockelpreistheorie\" jetzt zur Anwendung, wenn der Versorger die Kunden ohne deren Einverständnis in verschiedenen Sonderverträgen hin-und herschiebt ? Als der BGH diese Theorie aufstellte, ging es um die Grundversorgung, nicht um Sonderverträge.
--- Ende Zitat ---
Ich habe mir die Argumentation des BKartA in Tz. 20 kurz angesehen. Die etwas wirr klingende Argumentation bedarf der Analyse:
--- Zitat ---[...] bezogen auf die vom entsprechenden Vertriebsunternehmen im jeweiligen Kalenderjahr abgesetzte Heizstrommenge, in Abzug gebracht. Heizstromverträge unterscheiden sich vom gesetzlichen Leitbild der Grundversorgung mit Allgemeinstrom, insbesondere aufgrund der regelmäßig vereinbarten Möglichkeit, die Stromversorgung zu unterbrechen. Die Abweichung von den gesetzlichen Rahmenbedingungen der Grundversorgung hat zur Folge, dass nach den Abgrenzungskriterien des Bundesgerichtshofs Heizstromverträge grundsätzlich als Sonderverträge einzuordnen sind.
--- Ende Zitat ---
(1) Abweichung von den gesetzlichen Rahmenbedinungen.
Wo weicht der (Heiz-)Stromvertrag vom gesetzlichen Leitbild der Grundversorgung mit Allgemeinstrom ab ?
Von § 6 Abs. 2 StromGVV ?
Dort ist aber die Möglichkeit der Unterbrechung vorgesehen.
Von § 36 Abs. 1 EnWG ?
Dort ist zwar nicht davon die Rede, dass das EVU sich eine Unterbrechungsmöglichkeit genehmigen kann. Möglicherweise wäre dann § 6 Abs. 2 StromGVV contra legem. Die Bestimmung stünde im Widerspruchs zu übergeordnetem Bundesrecht, weil ja die Versorgung zu \"Jederzeit\" und für \"Jedermann\" gefordert wird (arg.: Jederzeit ja, aber vielleicht doch nicht - so § 6.2.1 StromGVV).
(2) die Abgrenzungskriterien des BGH ? Welche ?
- Sondervertrag, weil EVU\'s die Möglichkeit zur Unterbrechung der Stromlieferung vereinbaren dürfen ? Steht aber schon in der GVV, also keine Sondervereinbarung.
- Blickwinkel des Abnehmers, weil sich dieser seinem Versorger gegenüber auf der Basis der Privatautonomie sieht ?
Verhandeln, Vereinbarungen treffen, Preise aushandlen ? Wohl nicht; aber Sonderkunde, weil der NT-Strom-Kunde eben gerade nicht \"Jedermann\" ist.
- Abnahmemenge ?
Interessanter Gedanke, wird zwar nur en passent erwähnt, aber hat wohl die Überlegungen des BKartA in Tz. 20 mitgeprägt. Ist deshalb nicht von der Hand zu weisen, weil der Ansatz der höheren KAV bei höheren Abnahmemengen mit keinen höheren Kosten der Versorgung des betroffenen Kunden korrespondiert und deshalb die Preise für die höheren Abnahmemengen unbillig in die Höhe treibt.
Siehste auch da
Dort findet sich in Tz. 20 der Hinweis auf die BR-DrS 358/99, S. 6:
--- Zitat ---„Der Strom für Nachtspeicherheizungen soll auch künftig nicht mit der höheren Konzessionsabgabe für Tarifabnehmer belastet werden können.“
--- Ende Zitat ---
Es wurde also die Verbindung zur früheren BTOElt hergestellt, mit dem damaligen Tarifsystem der (freien) Wahltarife. Die NT-Kunden sollen nicht mit den teuren Konzessionsabgaben belastet werden.
Es liegt auf der Hand warum; weil diese eben in aller Regel höhere Abnahmemengen haben.
Also doch ein klarer gesetzgeberischer Wille ? Zum Schutz der Verbraucher bei höheren Abnahmemengen ? Es dürfte sich aber hierbei wohl kaum um solche Kriterien handeln, welche für eine Sondervertragseinstufung der BGH am 15.07.2009 aufgestellt hatte.
Der zitierte § 7 BTOElt hatte folgenden Wortlaut:
--- Zitat ---§ 7 Wärmepumpen und andere unterbrechbare Verbrauchseinrichtungen
(1) Kann das Elektrizitätsversorgungsunternehmen den Strombezug für elektrische Wärmepumpen zur Raumheizung durch technische Vorrichtungen nach Absatz 2 oder 3 unterbrechen und wird ihr Verbrauch getrennt gemessen, so darf der Stromverbrauch dieser Wärmepumpen bei der Ermittlung des Leistungspreises nicht berücksichtigt werden.
(2) Bei Wärmepumpen in bivalentalternativ betriebenen Heizungsanlagen darf die Versorgung für bis zu 960 Stunden im Jahr unterbrochen werden.
(3) Bei Wärmepumpen, die den Jahreswärmebedarf allein decken (monovalente Wärmepumpen) oder in bivalentparallel betriebenen Heizungsanlagen eingesetzt werden, darf die Versorgung innerhalb von 24 Stunden insgesamt 6 Stunden unterbrochen werden. Die einzelne Unterbrechung darf nicht länger als 2 Stunden dauern. Die Betriebszeit zwischen zwei Sperrzeiten darf nicht kürzer sein als die jeweils vorangegangene Sperrzeit.
(4) Absatz 1 findet auch für andere Verbrauchseinrichtungen Anwendung, deren Versorgung nach Absatz 2 oder 3 unterbrochen werden kann. Für Absatz 3 gilt dies nur, wenn dadurch die Lastverhältnisse des Elektrizitätsversorgungsunternehmens nicht verschlechtert werden. Das Elektrizitätsversorgungsunternehmen kann die Anwendung für andere Verbrauchseinrichtungen, die zur Raumheizung dienen, ausschließen.
--- Ende Zitat ---
oskari:
Hallo vielen Dank für die ausführliche Diskussion. Aber ehrlich, ich bin etwas verwirrt.
Deshalb nochmals zum aktuellen Vorgang:
Ich habe mit dem Formschreiben \"Widerspruch zur Kündigung des Sondervertrages\" dieser und der Einstufung in dem allgemeinen Stromtarif widersprochen. Ich bat um Begründung und um Unterlagen, die mir die Kündigung nachvollziehen läßt. Hinweise wie im Formschreiben auf § 226 und 242 BGB wurden übernommen. Auch vorsorglich auf § 315... für die Ersatzsonderverträge bzw. der Grundversorgung im Abnahmefall hingewiesen.
Die Antwort ist nichtssagend. Keine Erklärung und keine Unterlagen.
Bisher war ich der Meinung, daß eine Kündigung des Sondervertrages nur möglich ist, wenn eine unwirksame \"Preisänderungsklausel\" vorliegt (siehe Ausführungen bei \"unfreiwilliger Abschied vom 5.9.2009 RA L. Holling) und dies vom Versorger erklärt und nachgewiesen werden müßte.
Unter \"Kein Schutz für Sondervertragskunden bei ordnungsgemäßer Kündigung\" von RA Fricke, Beitrag 01.02.2011 im Forum sieht dies allerdings anders aus. Obwohl der Stromversorger Monopolist ist und für Wärmepumpenstrom keine Alternative besteht, ist also eine Kündigung - so oder so - ohne Begründung möglich und rechtens. Oder nicht?
Kann erstmals nur dieser Punkt besprochen werden?
Servus und schönes Wochenende
tangocharly:
Halten wir zunächst einmal fest: Wie der Versorger sein Kind tauft, ist relativ Wurst.
Gehen wir mal davon aus, dass Sie vor der Kündigung und gleichwohl nach der Kündigung Sondervertragskunde waren und sind.
Halten wir mal eine Kündigung versorgerseits für zulässig und unterstellen weiter, dass Sie in einen neuen Vertrag gelangt sind, der wiederum auch Sondervertrag sein soll.
Für die Preisgestaltung und/oder Preisänderung gelten dann die Bestimmungen gem. §§ 305 ff. 307 BGB.
In diesem Fall stehen Sie wiederum vor der alten Leier der Vertragsbedingungen (AGB): Einbeziehung, Transparenz und Unklarheitenverbot, Angemessenheit sowie -wenn Preisänderungsrecht- dann Preisbestimmungspflicht (Haben Sie ja im forum vermutlich bereits eingehend studiert).
Dass die alten Bedingungen (nach der beliebten Methode des VIII. BGH-Senats durch Stillschweigen) zu nun neuen Bedingungen kreiert werden könnten, kommt nicht in Betracht, weil dem Verbot widersprüchen Verhaltens (des Versorgers) zuwider laufend.
Im günstigsten Fall ist dann allenfalls der Preis bei (unterstellter) Vertragsbeendigung des alten und beim Vertragsbeginn des neuen Versorgungsvertrages vereinbart und damit der Sockel (wenn nicht, wie schon eingangs dieses threads diskutiert, Ihrem Widerspruch -aus Billigkeitsgründen - gefolgt werden muß und darin eine Sondervertragsvereinbarung dahin gehend gesehen werden kann, dass Sie dem Versorger eine einseitige Preisbestimmung nach § 315 BGB -vertraglich- eingeräumt haben).
Unterstellen wir in Ihrem Falle eine Monopolstellung des Versorgers (wofür auch nach meinen Erfahrungen einiges spricht) und unterstellen wir weiter eine Mißbräuchlichkeit des Versorgers bei der Ausübung einer einseitigen, empfangsbedürftigen Willenserklärung, dann hat diese Kündigung nicht zur Vollbeendigung des bestehenden Sondervertrages geführt. Dies ist für die Auffassung des Versorgers, Sie seien nun in der Allg. Versorgung eingestuft, elementar. Denn ein solcher Grundversorgungsvertrag kann nur dann zustande kommen, wenn nicht ein anderer Versorgungsvertrag besteht.
Alles in allem, haben Sie durch das Verhalten des Versorgers, der zudem auch ihren Widerspruch nicht beachtet, Rechtsschutzbedürfnis an einer negativen Feststellungsklage mit dem Rechtsschutzziel den Zustand eines Ihrer Auffassung nach bestehenden Rechtsverhältnisses zu klären und zwar dahingehend negativ, weil die Wirkungen der Kündigung des Versorgers ins Leere laufen.
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