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Autor Thema: Kein Schutz für Sondervertragskunden bei ordnungsgemäßer Kündigung  (Gelesen 14267 mal)

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Offline RR-E-ft

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Manche mögen es nicht wahrhaben:

Kein Schutz von Sondervertragskunden

Offline Energietourist

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Kein Schutz für Sondervertragskunden bei ordnungsgemäßer Kündigung
« Antwort #1 am: 02. Februar 2011, 08:36:16 »
Wie jetzt?? Das hat doch wohl niemand ernsthaft bestritten? Kann man doch in fast allen AGBs nachlesen, das beide Seiten das Recht zur Kündigung haben. Es geht doch wohl nur darum, was eine ordnungsgemäße Kündigung ist.

Offline RR-E-ft

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Kein Schutz für Sondervertragskunden bei ordnungsgemäßer Kündigung
« Antwort #2 am: 02. Februar 2011, 08:40:56 »
Es sollte  deutlich herausgestellt werden, dass jedem Sondervertragskunden sein Vertrag unter Einhaltung einer Kündigungsfrist ordnungsgemäß gekündigt werden kann, er keinerlei Anspruch auf Neuabschluss eines Sondervertrages hat und deshalb in Bezug auf ein bestimmtes Preisniveau über die Kündigungsfrist hinaus über keinerlei Schutz verfügt. Der Sondervertragskunde kann sein Preisniveau nicht einfrieren und konservieren. Hinsichtlich angebotener Sondervertragspreise ist auch keine Preiskontrolle gem. § 315 BGB möglich, nur ganz ausnahmsweise eine kartellrechtliche Preishöhenmissbrauchskontrolle.

Offline bolli

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Kein Schutz für Sondervertragskunden bei ordnungsgemäßer Kündigung
« Antwort #3 am: 02. Februar 2011, 10:02:57 »
Zitat
Original von Energietourist
Wie jetzt?? Das hat doch wohl niemand ernsthaft bestritten? Kann man doch in fast allen AGBs nachlesen, das beide Seiten das Recht zur Kündigung haben. Es geht doch wohl nur darum, was eine ordnungsgemäße Kündigung ist.

Na ja, zum einen ist nicht alles, was in den AGB steht auch zwingend wirksam  ;) (schließlich steht auch in den meisten AGB etwas zum Preisanpassungsrecht aber weder wurden die AGB wirksam einbezogen, noch halten diese Regelungen einer rechtlichen Prüfung auf Basis der §§ 305, 307 BGB stand, was da aber natürlich nicht beisteht  ;) ) und zum anderen gab es mal eine Zeit zu Beginn der Kündigungswelle 2007/2008, da wurde dieses Kündigungsrecht auch bei einer ordentlichen Kündigung durchaus von einigen in Frage gestellt, mit der Begründung, dass es sich um ein dauerschuldverhältnisähnliches Vertragsverhältnis handele und dieses nicht einseitig kündbar sei. Stand sogar meines Wissens mal so oder ähnlich in einer Energiedepesche.

Mittlerweile ist aber den Eingeweihten wohl durchaus klar, dass eine ordentliche Kündigung auch ohne Zustimmung des Vertragspartners möglich ist, zumal der BGH diese Möglichkeit, sich vom (unliebsamen) Vertragspartner zu lösen mehrfach als Argument gegen eine ergänzende Vertragsauslegung benutzt hat.

Aber es gibt immer noch eine ganze Reihe Mitstreiter, die es (gerne) nicht wahrhaben wollen und (gerne) in ihren Verträgen von annodazumal verbleiben möchten (dort ist\'s doch so mollig warm, vor allem wenn man an den vereinbarten Preis denkt  ;) ). Manchmal ist man aber auch nur nicht auf dem aktuellen Stand. Könnte nur im Prozessfall etwas teurer werden.  8)

Offline BerndA

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Kein Schutz für Sondervertragskunden bei ordnungsgemäßer Kündigung
« Antwort #4 am: 21. Februar 2011, 19:56:38 »
Hallo Herr Fricke,

ich muss mich dazu auch nochmal zu Wort melden. Unsere Versorger, die Firma Gelsenwasser, kündigt ebenfalls aktuell (Schreiben vom 16.02.2011) die bestehenden Erdgaslieferverträge.

Allerdings sind das explizit keine Sonderverträge, sondern nur Tarife der so genannten Normsonderkunden, also von Verbrauchern, die wegen Ihrer Abnahmemengen entsprechende Sonderpreise erhalten. Es wurde hier definitiv nie eine Unterschrift geleistet.

Diese Tarife werden jetzt mit einer Frist von einem Monat zum 31.03.2011 gekündigt. Gleichzeitig erhalten die betroffenen Verbraucher das Angebot, einen neuen tatsächlichen Sondervertrag bei Gelsenwasser abszuschließen, oder in der Grundversorgung zu landen.

Sind solche Kündigungen denn auch zulässig ?

Mit freundlichen Grüßen

B. Ahlers
Regionalvertretung Münsterland

Offline RR-E-ft

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Kein Schutz für Sondervertragskunden bei ordnungsgemäßer Kündigung
« Antwort #5 am: 21. Februar 2011, 20:19:28 »
Normsonderkundenverträge sind Sonderverträge (BGH VIII ZR 225/07, VIII ZR 320/07, VIII ZR 81/08, VIII ZR 246/08, VIII ZR 295/09).

Solche Sonderverträge können auch dadurch zustande gekommen sein, dass der Versorger die Kunden automatisch in günstigere Sondertarife eingestuft hat, also ohne dass ein schriftlicher Vertrag darüber abgeschlossen wurde (BGH VIII ZR 246/08 Rn. 27).

Diese Sonderverträge  können als solche ordnungsgemäß gekündigt werde unter Einhaltung einer Kündigungsfrist. Die Kündigungsfrist  kann, sofern nicht wirksam vertraglich vereinbart, bis zu sechs Monate betragen (BGH VIII ZR 241/08].

Offline bjo

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Kein Schutz für Sondervertragskunden bei ordnungsgemäßer Kündigung
« Antwort #6 am: 21. Februar 2011, 21:23:34 »
Zitat
Original von RR-E-ft
Normsonderkundenverträge sind Sonderverträge (BGH VIII ZR 225/07, VIII ZR 320/07, VIII ZR 81/08, VIII ZR 246/08, VIII ZR 295/09).

Solche Sonderverträge können auch dadurch zustande gekommen sein, dass der Versorger die Kunden automatisch in günstigere Sondertarife eingestuft hat, also ohne dass ein schriftlicher Vertrag darüber abgeschlossen wurde (BGH VIII ZR 246/08 Rn. 27).

 (BGH VIII ZR 241/08].


RWE ist son Fall Abnahmemengen >10.000 KWH

Offline BerndA

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Kein Schutz für Sondervertragskunden bei ordnungsgemäßer Kündigung
« Antwort #7 am: 21. Februar 2011, 21:52:15 »
Hallo Herr Fricke,

damit ist ja dann in diesen Fällen für die Zukunft wohl Schluss mit \" Widerstand\", oder habe ich das falsch interpretiert ?

Mit freundlichen Grüßen

B. Ahlers
Regionalvertretung Münsterland

Offline ESG-Rebell

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Kein Schutz für Sondervertragskunden bei ordnungsgemäßer Kündigung
« Antwort #8 am: 22. Februar 2011, 00:59:49 »
Zitat
Original von BerndA
damit ist ja dann in diesen Fällen für die Zukunft wohl Schluss mit \" Widerstand\", oder habe ich das falsch interpretiert ?
Nach meinem bisherigen Kenntnisstand wurde aber doch immer noch nicht die Fiktive-anfängliche-konkludente-Sockelpreisvereinbarungsrechtsprechung des VIII. Senats auch auf ehemalige Sondervertragskunden angewendet, die mittels Änderungskündigung in die Grundversorgung befördert worden sind und somit vor Beginn der Grundversorgung bereits Unbilligkeitseinwand erhoben haben, oder doch?

Gruss,
ESG-Rebell.

Offline bolli

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Kein Schutz für Sondervertragskunden bei ordnungsgemäßer Kündigung
« Antwort #9 am: 22. Februar 2011, 08:57:52 »
Zitat
Original von ESG-Rebell
Nach meinem bisherigen Kenntnisstand wurde aber doch immer noch nicht die Fiktive-anfängliche-konkludente-Sockelpreisvereinbarungsrechtsprechung des VIII. Senats auch auf ehemalige Sondervertragskunden angewendet, die mittels Änderungskündigung in die Grundversorgung befördert worden sind und somit vor Beginn der Grundversorgung bereits Unbilligkeitseinwand erhoben haben, oder doch?
Angewendet wird sie von den Versorgern und deren Anwälten schon (ich glaube sogar von Untergerichten), aber es gibt meines Wissens noch keinen Fall, der diesbezüglich vor dem BGH gelandet ist. Das sind ja eben so Sonderfälle, die mit der Theorie des VIII. Senats nicht in Einklang zu bringen sind. Aber dieser würde uns bestimmt auch dafür eine, wenn auch nicht akzeptierte oder nachzuvollziehende Begründung liefern. Möglich ist bei denen alles.

Leider hat mich mein Versorger diesbezüglich noch nicht verklagt. Hab nämlich auch so einen Fall, aber der will einfach nicht (an sein Geld).  :D

Offline RR-E-ft

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Kein Schutz für Sondervertragskunden bei ordnungsgemäßer Kündigung
« Antwort #10 am: 22. Februar 2011, 10:51:25 »
Wenn man weiß, dass im Rahmen der Vertragsfreiheit jedenfalls in geringerer Höhe kalkulierte Preise angeboten werden können als in der Grundversorgung (Kammergericht, Urt. v. 28.10.08 Az. 21 U 160/06) und andere Anbieter weit günstigere Sondervertragspreise anbieten als der bisherige Versorger, dann muss man sich im Falle der Kündigung des bisherigen Sondervertrages mit dem bisherigen Versorger nicht weiter streiten, auch wenn man den Streit an sich lieb gewonnen hat. Man kann auch zu einem anderen Lieferanten wechseln, so wie es etwa die Kunden der swb und der E.ON Hanse nach deren Kündigungswelle getan haben.

Schließlich stellt sich die Frage, warum man einem Versorger, dessen Preisgestaltung man nicht vertraut, überhaupt auch nur noch einen einzigen Cent für Energielieferungen zahlen möchte. Einem solchen Versorger ist doch wohl besser damit geholfen, dass man als Kunde durch einen Lieferantenwechsel ein ganz klares Signal setzt.  Das hilft auch dem eigenen Geldbeutel vollkommen ohne weiteren Streit, der immer auch mit gewissen Risiken verbunden ist. Man sollte nicht streiten, nur weil man den Streit lieb gewonnen hat.

So lange man einen Sondervertrag mit vertraglich vereinbarten günstigen Preisen und ohne wirksam einbezogene oder wirksame Preisänderungsklausel hatte, war es sinnvoll, wehrhaft an diesem günstigen Vertrag festzuhalten. Wenn dieser Vertrag dann jedoch durch wirksame ordentliche Kündigung beendet ist, dann geht man eben zu einem anderen Lieferanten, der es besser kann.

Schließlich hat der bisherige Versorger durch seine ordentliche Kündigung selbst bekundet, dass er seine Kunden nicht mehr zu so günstigen Konditionen wie bisher beliefern will. Es handelt sich dabei um eine unternehmerische Entscheidung, welche das Risiko des Kundenverlustes einschließt. Jenes Risiko sollte sich dann auch für ihn realisieren. Die Kunden selbst haben die Möglichkeit, Versorger mit unbilligen Preisgesaltungen für immer abzuwählen.

Man darf eben kein weiteres Geld zu solchen Unternehmen tragen.

Offline Schwalmtaler

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Kein Schutz für Sondervertragskunden bei ordnungsgemäßer Kündigung
« Antwort #11 am: 22. Februar 2011, 11:10:26 »
Aber ist eine ordentliche Kündigung eines Sondervertrages statthaft, die nur den Widersprüchler ggü. ausgesprochen wird?
Nichtwidersprüchler behalten weiterhin ihren alten Sondervertrag mit alten Bedingungen (fehlende Einbeziehung, flasche Preisfestsetzungsklausel etc.), da sie nicht widersprechen und brav jede Preisänderung akzeptieren?
Dann ist m.E. die Kündigung rechtsunwirksam, da sie nur dem Zwecke dient, einen neuen Vertrag mit geänderten Bedingungen zu unterzeichnen.
Nach meinem Verständnis müsste ein Versorger allen Verbrauchern der alten Tarife kündigen und den Tarif vom Markt nehmen, oder?


Offline RR-E-ft

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Kein Schutz für Sondervertragskunden bei ordnungsgemäßer Kündigung
« Antwort #13 am: 22. Februar 2011, 12:34:19 »
Die Rechtsprechung des BGH zum fehlenden Preisänderungsrecht in Sonderverträgen infolge unwirksam einbezogener oder unwirksamer Preisänderungsklauseln gründet entscheidend darauf, dass eine ergänzende Vertragsauslegung deshalb ausscheidet, weil der Versorger sich durch ordentliche Kündigung in überschaubarer Frist aus dem betroffenen Vertragsverhältnis lösen kann (BGH KZR 2/07, VIII ZR 225/07, VIII ZR 320/07, VIII ZR 81/08, VIII ZR 246/08, VIII ZR 295/09).

Offline bolli

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Kein Schutz für Sondervertragskunden bei ordnungsgemäßer Kündigung
« Antwort #14 am: 22. Februar 2011, 13:14:48 »
Zitat
Original von Ralleph
http://www.baurechtsexperte.de/aenderungskuendigung-kartellrechtlich-unzulaessig-db30683.html
Dieser Artikel bezieht sich im wesentlichen auf die Grundversorgung und spricht den Sondervertrag nur am Rande und unkonkret an.
Wie RR-E-ft schon erläuterte, geht selbst der BGH von einer Kündigungsmöglichkeit der Sonderverträge aus, um sich gegenüber Kunden, die sich gegen Preiserhöhungen aufgrund fehlender Preisanpassungsregelungen wehren, lösen zu können.
Da es mittlerweile tatsächlich wohl fast überall in Deutschland die Möglichkeit gibt im Sondervertrag auch andere als den bisherigen Anbieter zu wählen, dürfte die Monopolstellung mit Sicherheit nicht mehr ziehen.

Der Versorger braucht tatsächlich nicht allen Kunden zu kündigen. Er geht aber das Risiko ein, dass sich diese Kunden auch später noch gegen die Preiserhöhungen wehren und Rückzahlungen fordern können. Das kann ihn später teurer kommen als heute.  ;)

Aber: Es bleibt abzuwarten, was das Türchen, welches der BGH in seiner Entscheidung am 14.07.2010 - VIII ZR 246/08 Rnr 52 offen gelassen hat, letztlich beinhaltet.
Zitat
Offen bleiben kann, ob eine andere Beurteilung geboten ist, wenn es sich um ein langjähriges Gasversorgungsverhältnis handelt, der betroffene Kunde den Preiserhöhungen und den darauf basierenden Jahresabrechnungen über einen längeren Zeitraum nicht widersprochen hat (vgl. dazu auch unten unter II 1) und nunmehr auch für länger zurück liegende Zeitabschnitte die Unwirksam-keit der Preiserhöhungen (durch Feststellungsklage oder durch Klage auf Rückzahlung geleisteter Entgelte) geltend macht.
Das LG Bonn hat dieses bisher z.B. noch nicht für den Versorger gefüllt, aber ob der VIII. Senat dieses bei einer zukünftigen Entscheidung auch so sieht weiss vielleicht noch nichtmals er selbst.  :D

 

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