Böse Überraschung vor dem OLG OldenburgBericht über Gerichtsverhandlung am 19.1.11
Gleich in der Auftaktverhandlung zu einem Rückforderungsprozess für die Jahre 2005 – 2009 erlebten die zahlreich vor dem OLG Oldenburg erschienenen Beobachter aus den Gaspreis-Initiativen eine böse Überraschung. Künftige EWE-Berufungsverfahren für die rund 1.000 vor den Landgerichten anhängigen Prozesse sind seit Jahresbeginn aus unbekannten Gründen – man kann sich hier nur seine eigenen Gedanken machen - dem verbraucherfreundlichen 12. Zivilsenat entzogen und einem laut NWZ „neu eingerichteten“ 5. Zivilsenat mit einem Richter Jannsen an der Spitze übertragen worden. Dieser Richter Janssen machte überdeutlich, dass mit der neuen Geschäftsverteilung vom OLG her von nun an auch
ein anderer Wind wehen wird!
Der 5. Senat sei nämlich anders als der 12. Senat der Meinung, dass die
AGB der EWE und anderer Versorger n
icht gegen EU-Recht verstoßen. Folglich sei der 5. Senat der Meinung, dass EWE-Fälle nicht dem EuGH vorgelegt werden müssten. Der 5. Senat wolle daher auch
nicht auf eine Entscheidung aus Luxemburg warten, sondern ganz im Gegenteil die 1 ½ bis 2 Jahre bis dahin nutzen, um in den anstehenden 1.000 Verfahren, soweit sie denn wegen Berufung vor das OLG gelangen, „voranzukommen“. Sprich sie zu erledigen, so unsere Interpretation, um in möglichst vielen Fällen weitgehend vollendete Tatsachen zu schaffen. In welcher Richtung das OLG die Fälle entscheidend voranbringen will, machte Jannsen ebenfalls ohne Umschweife klar.
Im zu verhandelnden Rückforderungsprozess für die Jahre 2005 – 2009 hatte der klagende EWE-Kunde geltend gemacht, dass er nie AGB für seinen 1990 abgeschlossenen Gasvertrag erhalten habe. Folglich könnten gar keine Preisanpassungsklauseln wirksam einbezogen worden sein. Sein Rechtsanwalt Reshöft macht plausibel, dass alle Kunden aus jener Zeit AGB nur für Strom erhalten hätten mit dem Hinweis, die Gas-AGB auf Anforderung bekommen zu können. Das wollte Richter Jannsen schon mal nicht gelten lassen. Erstens
kehre sich nach Meinung des 5. Senats nach fast 20 Jahren die
Beweislast um: Der Kläger müsse beweisen, die Gas-AGB nicht bekommen zu haben. Zweitens habe sich der Kläger 20 Jahre lang nicht um den Erhalt der Gas-AGB gekümmert. Und drittens würde für den Fall, dass er tatsächlich keine AGB erhalten habe, die
ergänzende Vertragsauslegung zur Anwendung kommen. Danach sei ein
Preisanpassungsrecht für EWE wegen Bezugskostenänderungen aus der Sache heraus selbstverständlich und es komme nur darauf an, ob die Preiserhöhungen der EWE billig oder unbillig seien.
Obwohl noch gar nicht entschieden ist, dass die ergänzende Vertragsauslegung überhaupt zur Anwendung kommt, sprach er vorauseilend schon einmal die
Einladung an EWE aus, dem Gericht demnächst ausführlich vorzutragen, wie sie den
Beweis, dass EWE nie überhöhte Preise genommen hätte, für künftige (!) Verfahren zu führen gedächten. Und allen Klägern gab er schon mal zu bedenken:
Wegen Unbilligkeit klagen sollte nur, wer eine Rechtsschutzversicherung habe, denn das werde wegen einzuholender Gutachten teuer.
Die drei EWE-Anwälte konnten nicht umhin, dem Senat ein großes „Kompliment“ auszusprechen. Ihr
dringlichster Wunsch, von den ungültigen Vertragsklauseln weg und zur vorteilhafteren Billigkeitsprüfung zu kommen und dafür mit dem Berufungsgericht ein gerichts- bzw. OLG-festes Nachweis-Modell für künftige Verfahren auszuhandeln, scheint
kurz vor der Erfüllung zu stehen. Sie hatten nur noch einen Zusatzwunsch: Der 5. Senat möchte doch auch für die Zeit 2008/2009 die ergänzende Vertragsauslegung zulassen, damit EWE für diesen Zeitraum nicht Millionen wegen unwirksamer Preisanpassungsklausel zurückzahlen müsse, sondern weitaus niedrigere Beträge nur dann, wenn ein Kläger der EWE mit Hilfe von Gutachten überhöhte Preise nachweise.
Soweit traute sich Jannsen nicht vor, denn über die Unwirksamkeit der Preisänderungsklausel hatte immerhin der BGH entschieden. Danach habe jeder einen Rückzahlungsanspruch. Aber
über die Höhe könne man
mit dem OLG verhandeln. Wenn man, so Jannsen, nicht den Gaspreis vom 1.4.2007 von 4,11 Cent als Ausgangspunkt für die Berechnung von Ansprüchen nehme, sondern den Preis vom 1.11.2006 von 4,51 Cent, reduziere sich der Anspruch der Kunden
um ein Drittel. Wir möchten an dieser Stelle ergänzen: Das wären 70 Mio. € weniger Kundenansprüche gegen EWE.
Klägeranwalt Reshöft war einigermaßen fassungslos. Nicht der Preis vom 1.11.06, sondern der Preis vom 1.4.07 war eindeutig der letzte nach den alten AGB zustande gekommene und damit laut BGH der letzte rechtsgültig zustande gekommene Preis. Nur dieser Preis könne daher Ausgangspunkt der Berechnung sein. Keins der bisher mit Rückzahlungsklagen befassten Amtsgerichte und auch niemand sonst ist auf die abwegige Idee gekommen, dass die Gaspreisänderung zum 1.4.2007 nach den am 1.4.07 selbst ja erst in Kraft getretenen neuen AGB zustande gekommen sein könnte. Hoffen wir, dass Reshöft dem 5. Senat klar machen kann, dass das OLG sich mit der abwegigen Auffassung, eine Preisänderung könne durch erst gleichzeitig in Kraft tretende Vertragsbedingung zustande gekommen sein, nur blamieren könne. Noch scheint dem Richter Jannsen und seinem 5. Senat jedoch nichts zu abwegig, was EWE helfen und Millionen sparen könnte.
Was bedeutet das für die aktuellen Klagen auf Rückzahlung der Gaspreiserhöhungen 2008/2009?Im Moment noch nichts. Noch hat das OLG nicht entschieden, ob es als Referenzpreis für Rückforderungen für die Jahre 2008 und 2009 wie allgemein anerkannt den Preis vom 1.4.07 als Ausgangspunkt für die Berechnung nehmen will oder den Preis vom 1.11.06. Noch gehen wir auch davon aus, dass es Rechtsanwalt Reshöft gelingen wird, das OLG davon zu überzeugen, dass ein früherer Preis als der allgemein anerkannte eine zu abwegige Auffassung wäre und die EWE-Urteile dieses Gerichts insgesamt in ein schlechtes Licht rücken würde. Nur wenn das OLG an seiner abwegigen Auffassung festhält und am Ende so urteilt, wäre zu befürchten, dass einzelne Amtsgerichte sich dem aus Opportunismus oder der EWE zu Gefallen anschließen. Wir gehen aber auch bei einem negativen OLG-Urteil davon aus, dass die meisten Amtsrichter sich solchen abstrusen Ansichten nicht anschließen werden. Also bis auf Weiteres:
Für die Ansprüche 2008/2009 klagen wie bisher! Oder um es mit dem einzigen EWE-kritischen Politiker in der EWE-Verbandsversammlung, Dieter Baumann aus Leer, zu sagen:
„Klagen, klagen, klagen!“Janto Just
Interessengemeinschaft Energie Schortens
http://www.janto-just.de