Energiepreis-Protest > Bundesweit / Länderübergreifend
BKartA legt Abschlussbericht Sektorenuntersuchung Stromgroßhandel vor
RR-E-ft:
Verbraucher nehmen regelmäßig nicht an dem auch von der Sektorenuntersuchung des Bundeskartellamtes betroffenen Stromgroßhandel teil.
Das Bundeskartellamt war nach der Sektorenuntersuchung zu dem Ergebnis gelangt, dass es den Konzernen im Stromgroßhandel möglich sei, die Preise zu manipulieren, dass solche Manipulationen jedoch für bestimmte Jahre vom Amt selbst nicht notwendig gerichtsfest nachgewiesen werden konnten.
Dieser Thread sollte der oben genannten, in der Sache geführten Korrespondenz mit der 10.Beschlussabteilung des Bundeskartellamtes vorbehalten bleiben.
Untunlich weil überhaupt nicht zielführend ist eine Diskussion darüber, wer was woraus wie weshalb für sich schließt bzw. folgert.
Es ist schon nicht ersichtlich, auf welchem persönlichen Sachverstand sich entsprechende gedankliche Folgerungen gründen sollen.
energienetz:
Sehr geehrter Herr Engelsing,
zunächst möchte ich Ihnen für die kurzfristige Antwort danken.
Sie sprechen das Jahr 2006 und das Verfahren der EU Kommission an (Punkt 3).
Die EU-Kommission hat sich nicht auf Unternehmensangaben verlassen, sondern zweimal die Geschäftsräume der Konzerne durchsucht. Die Funde waren alles andere als harmlos:
E.on hat ein Siegel gebrochen, das die sichergestellten Unterlagen sicherte und dafür hat die Kommission gegen E.on ein Bussgeld in Höhe von 38. Millionen Euro verhängt. Der Europäische Gerichtshof hat diese Entscheidung vor wenigen Tagen bestätigt.
E.on hat sich zu weitgehenden Zusagen gegenüber dem Kommission verpflichtet, bevor diese das Verfahren einstellte (Verkauf von Stromnetzen und Kraftwerken).
Das Bundeskartellamt hat selbst in einem internen Vermerk eine Fundsache zitiert, nach der E.on gezielt handelte, um an der Börse ein Zielniveau zu erreichen. Dieser Vermerk ist an die Öffentlichkeit gelangt und kann u.a. auf unserer Internetseite nachgelesen werden.
Auch hat ein Insider, der an der Strombörse selbst tätig war, auf die Strompreismanipulationen dort öffentlich aufmerksam gemacht und dies auch für das Jahr 2006 nachvollziehbar belegt.
Anders als es sich bei Ihnen unter Punkt 3 liest, war also der Stromgrossmarkt im Jahr 2006 alles andere als in Ordnung.
Zu ergänzen ist allerdings, dass das Bundeskartellamt zu jener Zeit unter einer anderen Leitung stand und auch die Beschlussabteilung nicht von Ihnen sondern von Carsten Becker geleitet wurde. Unter dieser anderen Besetzung wurde auch ein Mißbrauchsverfahren gegen E.on und RWE eingeleitet wegen Einpreisung kostenlos zugeteilter Zertifikate. Dieses Verfahren wurden eingestellt, kurz nachdem die Leitung des Bundeskartellamts gewechselt hatte.
Unter Punkt 4 führen Sie an, dass der Börsenpreis nicht manipuliert werden kann, weil Unternehmen dort entweder nur kaufen oder nur verkaufen könnten.
Das ist sachlich unrichtig. Ein Börseninsider, der selbst in der EEX Börse tätig war, teilte uns dazu mit: „Natürlich haben Unternehmen, die über einen Zugang zur Börse verfügen, mehrere Abteilungen, die diesen Zugang -entweder weitgehend unabhängig voneinander oder koordiniert- parallel nutzen. So kann zum Beispiel die Handelsabteilung Strom verkaufen während die Beschaffungsabteilung desselben Unternehmens Strom kauft. Bei größeren EVUs wie RWE oder Vattenfall ist diese Arbeitsweise sogar nicht die Ausnahme sondern die Regel“.
Gunnar Harms, der selbst als Händler an der EEX Börse handelt, teilt dazu mit: „Kauf am Spotmarkt und gleichzeitiger bzw. kurzfristig danach erfolgender Verkauf am Terminmarkt ist durchaus möglich. Kauf am Spotmarkt und Verkauf am langen Ende ist aber m.E. offensichtlich erfolgt und genau das hätte ein Untersuchungsziel des Bundeskartellamts sein müssen. Außerdem haben große Unternehmen durchaus auch mehrere Handelszugänge, z.B. allein schon über ihre diversen Handelstöchter. Händler A kauft am Spotmarkt und Händler B beobachtet und verkauft gleichzeitig am Terminmarkt“.
Sie führen aus, dass ein Stromkauf am Spotmarkt wirtschaftlich sinnlos sei, weil der gekaufte Strom nicht wieder verkauft werden kann und im Bilanzkreis dann zuviel Strom zur Verfügung stände (Punkt 5).
Allerdings kann ein Stromerzeuger wie zB RWE zum Ausgleich des Bilanzkreises die Eigenerzeugung entsprechend herunterfahren. Da am Spotmarkt nur ein geringer Teil des insgesamt erzeugten Stroms gehandelt wird, genügt schon der Kauf geringer Strommengen, um das Strompreisniveau an der Börse deutlich nach oben zu schieben. Auf die entsprechenden Belege des VIK sei verwiesen. Bei Ihrer Untersuchung der Kapazitätszurückhaltung von Kraftwerken wäre ein solches Verhalten nicht aufgefallen, da sogar Stillstandszeiten von 25% nicht weiter von Ihnen hinterfragt worden sind.
Da der Spothandel stets am Vortag stattfindet, hat jeder Kraftwerksbetreiber genügend Zeit, die Einsatzplanung je nach Bezuschlagung der erteilten Spotmarkt-Orders in Ruhe für den Folgetag zu justieren und ausgeglichene Fahrpläne abzugeben. Es ist übliche Praxis, am Spotmarkt Orders für den Folgetag unterhalb der eigenen Kosten einzustellen. Wenn diese erfolgreich bedient werden, kann man die eigenen Anlagen in genau dem Umfang ruhen lassen, weil man den Strom billiger an der EEX bekommt. Umgekehrt gilt das Gleiche: Parallel werden Verkaufsorders oberhalb der eigenen Kosten eingestellt, um Gewinne mitzunehmen, falls der Preis so hoch steigt. Erfolgreiche Zuschläge werden dann aus der noch verfügbaren Eigenerzeugung bedient. Wenn kein Zuschlag erfolgt, kann man das auch oft noch intraday vermarkten.
Sie führen aus (Punkt 12), dass ich Anzeige gegen RWE und E.on erstattet hätte. Das ist unrichtig.
Weder ich als Person, noch der Bund der Energieverbraucher e.V. haben gegen RWE oder E.on Anzeige erstattet. Unrichtig ist auch, dass dies auf unserer Internetseite berichtet wird.
Richtig ist vielmehr, dass am 23. März 2009 Herr Federhen Strafanzeige gegen E.on und RWE gestellt hat wegen des Verdachts der Strompreismanipulation. Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf hat aufgrund der Anzeige durchaus Vorermittlungen aufgenommen, jedoch nach gut acht Monaten auf über hundert Seiten schriftlich begründet, dass kein ausreichender Anfangsverdacht vorliege. Die Staatsanwaltschaft Essen hat die Anzeige gegen RWE an die Staatsanwaltschaft Leipzig abgegeben. Von dort wurde am 10.1.2011 mitgeteilt, dass die Vorermittlungen eingestellt wurden. Dies haben immerhin fast zwei Jahre angedauert. Sie stellen dies so dar, dass kein Verfahren eröffnet wurde.
Der renommierte Fachanwalt und Autor Dr. Peter Becker schreibt über Ihre Untersuchung: „Entscheidende Fragen sind nicht gestellt worden: Warum die großen Vier mit 80 % ihres Stromangebots einen Bogen um die Energiebörse EEX machten, der damit hochgetriebene Börsenpreis aber der Referenzpreis ist – diese Strategie hätte auf ihre Auswirkungen auf den Großhandelsmarkt untersucht werden müssen“. Es freut mich, dass durch unseren Austausch die Meinungsverschiedenheiten konkretisiert werden konnten.
Mit freundlichem Gruss Dr. Aribert Peters Vorsitzender Bund der Energieverbraucher e.V.
RR-E-ft:
Im Zuge der Diskussion um die Laufzeitverlängerung der Kernkrfatwerke hieß es, diese würden für günstigere Strompreise sorgen. Die Gegner erwiderten, die Laufzeitverlängerung habe keinen Einfluss auf die Großhandelspreise, weil die Kernkraftwerke mit geringen variablen Stromerzeugungskosten nach der merit-order-Preisbildung gar nicht preisbestimmend seien.
Die Befürworter der Laufzeitverlängerung erwiderten, beim Wegfall der atomaren Stromerzeugungsanlagen würde sich die Angebotskurve verschieben und der Großhandelspreis würde sich deshahalb höher einstellen.
Wenn dem so wäre, könnte der Großhandelspreis dadurch beeinflusst werden, dass der in atomaren Stromerzeugungsanlagen erzeugte Strom von Anfang an nicht zu deren geringen Grenzkostenpreis auf dem Markt angeboten wird, man diese Strommengen nur im eigenen Konzern weiterverteilt und hierüber vermarktet, zu hohen Preisen.
energienetz:
Betr: Beratung zur Sektorenuntersuchung „Stromerzeugung und Stromgroßhandel“
Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete,
der Bund der Energieverbraucher e.V. ist der Ansicht, dass die Sektoruntersuchung des Bundeskartellamt die wesentlichen Fragestellungen des Themas gar nicht aufgegriffen und untersucht hat. Das ist sehr bedauerlich und vergleichbar mit einer Kassenprüfung, bei man nur die Münzen zählt und die Scheine übersieht.
Um dies zu belegen, füge ich einen Schriftwechsel zwischen mir und dem Leiter der zuständigen Beschlusskammer, Dr. Engelsing bei.
Der renommierte Fachanwalt und Autor Dr. Peter Becker schreibt über die Untersuchung der Wettbewerbswächter: „Entscheidende Fragen sind nicht gestellt worden: Warum machen die großen Vier mit 80 Prozent ihres Stromangebots einen Bogen um die Energiebörse EEX, während gleichzeitig der damit hochgetriebene Börsenpreis als Referenzpreis gilt. Das Kartellamt hätte diese Strategie auf ihre Auswirkungen auf den Großhandelsmarkt untersuchen müssen.“(Quelle: ZfK).
Mit herzlichem Gruss
Dr. Aribert Peters
Vorsitzender
RR-E-ft:
Zur Sektorenuntersuchung Stromerzeugung/ Stromgroßhandel kann auf den Aufsatz von Becker in ZNER 15/2/2011 S. 114 ff. verwiesen werden.
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