Forum des Bundes der Energieverbraucher

Autor Thema: Böse Überraschung vor dem OLG Oldenburg  (Gelesen 5832 mal)

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

Offline janto

  • Forenmitglied
  • Beiträge: 81
  • Karma: +0/-0
    • Bezahlbare Energie
Böse Überraschung vor dem OLG Oldenburg
« am: 22. Januar 2011, 12:40:43 »
Böse Überraschung vor dem OLG Oldenburg
Bericht über Gerichtsverhandlung am 19.1.11

Gleich in der Auftaktverhandlung zu einem Rückforderungsprozess für die Jahre 2005 – 2009 erlebten die zahlreich vor dem OLG Oldenburg erschienenen Beobachter aus den Gaspreis-Initiativen eine böse Überraschung. Künftige EWE-Berufungsverfahren für die rund 1.000 vor den Landgerichten anhängigen Prozesse sind seit Jahresbeginn aus unbekannten Gründen – man kann sich hier nur seine eigenen Gedanken machen - dem verbraucherfreundlichen 12. Zivilsenat entzogen und einem laut NWZ „neu eingerichteten“ 5. Zivilsenat mit einem Richter Jannsen an der Spitze übertragen worden. Dieser Richter Janssen machte überdeutlich, dass mit der neuen Geschäftsverteilung vom OLG her von nun an auch ein anderer Wind wehen wird!

Der 5. Senat sei nämlich anders als der 12. Senat der Meinung, dass die AGB der EWE und anderer Versorger nicht gegen EU-Recht verstoßen. Folglich sei der 5. Senat der Meinung, dass EWE-Fälle nicht dem EuGH vorgelegt werden müssten. Der 5. Senat wolle daher auch nicht auf eine Entscheidung aus Luxemburg warten, sondern ganz im Gegenteil die 1 ½ bis 2 Jahre bis dahin nutzen, um in den anstehenden 1.000 Verfahren, soweit sie denn wegen Berufung vor das OLG gelangen, „voranzukommen“. Sprich sie zu erledigen, so unsere Interpretation, um in möglichst vielen Fällen weitgehend vollendete Tatsachen zu schaffen. In welcher Richtung das OLG die Fälle entscheidend voranbringen will, machte Jannsen ebenfalls ohne Umschweife klar.

Im zu verhandelnden Rückforderungsprozess für die Jahre 2005 – 2009  hatte der klagende EWE-Kunde geltend gemacht, dass er nie AGB für seinen 1990 abgeschlossenen Gasvertrag erhalten habe. Folglich könnten gar keine Preisanpassungsklauseln wirksam einbezogen worden sein. Sein Rechtsanwalt Reshöft macht plausibel, dass alle Kunden aus jener Zeit AGB nur für Strom erhalten hätten mit dem Hinweis, die Gas-AGB auf Anforderung bekommen zu können. Das wollte Richter Jannsen schon mal nicht gelten lassen. Erstens kehre sich nach Meinung des 5. Senats nach fast 20 Jahren die Beweislast um: Der Kläger müsse beweisen, die Gas-AGB nicht bekommen zu haben. Zweitens habe sich der Kläger 20 Jahre lang nicht um den Erhalt der Gas-AGB gekümmert. Und drittens würde für den Fall, dass er tatsächlich keine AGB erhalten habe, die ergänzende Vertragsauslegung zur Anwendung kommen. Danach sei ein Preisanpassungsrecht für EWE wegen Bezugskostenänderungen aus der Sache heraus selbstverständlich und es komme nur darauf an, ob die Preiserhöhungen der EWE billig oder unbillig seien.

Obwohl noch gar nicht entschieden ist, dass die ergänzende Vertragsauslegung überhaupt zur Anwendung kommt, sprach er vorauseilend schon einmal die Einladung an EWE aus, dem Gericht demnächst ausführlich vorzutragen, wie sie den Beweis, dass EWE nie überhöhte Preise genommen hätte, für künftige (!) Verfahren zu führen gedächten. Und allen Klägern gab er schon mal zu bedenken: Wegen Unbilligkeit klagen sollte nur, wer eine Rechtsschutzversicherung habe, denn das werde wegen einzuholender Gutachten teuer.

Die drei EWE-Anwälte konnten nicht umhin, dem Senat ein großes „Kompliment“ auszusprechen. Ihr dringlichster Wunsch, von den ungültigen Vertragsklauseln weg und zur vorteilhafteren Billigkeitsprüfung zu kommen und dafür mit dem Berufungsgericht ein gerichts- bzw. OLG-festes Nachweis-Modell für künftige Verfahren auszuhandeln, scheint kurz vor der Erfüllung zu stehen. Sie hatten nur noch einen Zusatzwunsch: Der 5. Senat möchte doch auch für die Zeit 2008/2009 die ergänzende Vertragsauslegung zulassen, damit EWE für diesen Zeitraum nicht Millionen wegen unwirksamer Preisanpassungsklausel zurückzahlen müsse, sondern weitaus niedrigere Beträge nur dann, wenn ein Kläger der EWE mit Hilfe von Gutachten überhöhte Preise nachweise.

Soweit traute sich Jannsen nicht vor, denn über die Unwirksamkeit der Preisänderungsklausel hatte immerhin der BGH entschieden. Danach habe jeder einen Rückzahlungsanspruch. Aber über die Höhe könne man mit dem OLG verhandeln. Wenn man, so Jannsen, nicht den Gaspreis vom 1.4.2007 von 4,11 Cent als Ausgangspunkt für die Berechnung von Ansprüchen nehme, sondern den Preis vom 1.11.2006 von 4,51 Cent, reduziere sich der Anspruch der Kunden um ein Drittel. Wir möchten an dieser Stelle ergänzen: Das wären 70 Mio. € weniger Kundenansprüche gegen EWE.

Klägeranwalt Reshöft war einigermaßen fassungslos. Nicht der Preis vom 1.11.06, sondern der Preis vom 1.4.07 war eindeutig der letzte nach den alten AGB zustande gekommene und damit laut BGH der letzte rechtsgültig zustande gekommene Preis. Nur dieser Preis könne daher Ausgangspunkt der Berechnung sein. Keins der bisher mit Rückzahlungsklagen befassten Amtsgerichte und auch niemand sonst ist auf die abwegige Idee gekommen, dass die Gaspreisänderung zum 1.4.2007 nach den am 1.4.07 selbst ja erst in Kraft getretenen neuen AGB zustande gekommen sein könnte. Hoffen wir, dass Reshöft dem 5. Senat klar machen kann, dass das OLG sich mit der abwegigen Auffassung, eine Preisänderung könne durch erst gleichzeitig in Kraft tretende Vertragsbedingung zustande gekommen sein, nur blamieren könne. Noch scheint dem Richter Jannsen und seinem 5. Senat jedoch nichts zu abwegig, was EWE helfen und Millionen sparen könnte.

Was bedeutet das für die aktuellen Klagen auf Rückzahlung der Gaspreiserhöhungen 2008/2009?

Im Moment noch nichts. Noch hat das OLG nicht entschieden, ob es als Referenzpreis für Rückforderungen für die Jahre 2008 und 2009 wie allgemein anerkannt den Preis vom 1.4.07 als Ausgangspunkt für die Berechnung nehmen will oder den Preis vom 1.11.06. Noch gehen wir auch davon aus, dass es Rechtsanwalt Reshöft gelingen wird, das OLG davon zu überzeugen, dass ein früherer Preis als der allgemein anerkannte eine zu abwegige Auffassung wäre und die EWE-Urteile dieses Gerichts insgesamt in ein schlechtes Licht rücken würde. Nur wenn das OLG an seiner abwegigen Auffassung festhält und am Ende so urteilt, wäre zu befürchten, dass einzelne Amtsgerichte sich dem aus Opportunismus oder der EWE zu Gefallen anschließen. Wir gehen aber auch bei einem negativen OLG-Urteil davon aus, dass die meisten Amtsrichter sich solchen abstrusen Ansichten nicht anschließen werden. Also bis auf Weiteres: Für die Ansprüche 2008/2009 klagen wie bisher! Oder um es mit dem einzigen EWE-kritischen Politiker in der EWE-Verbandsversammlung, Dieter Baumann aus Leer, zu sagen: „Klagen, klagen, klagen!“

Janto Just
Interessengemeinschaft Energie Schortens
http://www.janto-just.de

Offline angeljustus

  • Forenmitglied
  • Beiträge: 234
  • Karma: +0/-0
  • Geschlecht: Männlich
Böse Überraschung vor dem OLG Oldenburg
« Antwort #1 am: 22. Januar 2011, 13:38:43 »
Wie war das noch:

Zitat
Der Betroffene wird sich dann erinnern oder eine Erinnerung einfach ergoogeln:  Zitat: Original von janto  Die Sache ist einfach zu klar. Vor Gericht braucht ein Kläger nur zu sagen, dass er der Meinung ist, EWE müsse zu Unrecht kassierte Preiserhöhungen wieder rausrücken. Wenn der dann noch erwähnt, dass es seines Wissens nicht darauf ankommt, ob man Widerspruch eingelegt hat oder nicht, ist das schon die Kür.   Na dann... Sich öffentlich sehr weit aus dem Fenster lehnen ist ja vielleicht auch ein Bürgerrecht.

Man sollte sich nie zu sicher sein.

Offline RR-E-ft

  • Rechtsanwalt
  • Forenmitglied
  • ***
  • Beiträge: 17.078
  • Karma: +15/-2
  • Geschlecht: Männlich
Böse Überraschung vor dem OLG Oldenburg
« Antwort #2 am: 22. Januar 2011, 13:48:20 »
Die wirksame Einbeziehung von AGB gem. Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB iVm. § 305 Abs. 2 BGB ist eine Frage jedes konkreten Einzelfalles. Besonders intensiv mit dieser Frage auseinandergesetzt hat sich damit in EWE- Fällen bisher das Landgericht Frankfurt/Oder.

Dass es für Sonderverträge auf eine Billigkeitskontrolle ankommen soll ist aus bekannten Gründen wenig nachvollziehbar.

Es gibt aber Fälle, da geht es gerade den Kunden um die Angemessenheit der Preise, deren Billigkeit gem. § 315 BGB.

Und dafür braucht es tatsächlich eines praktikablen Prüfrasters. Und wenn die Verbraucherseite, vornehmlich die Verbraucherverbände, ein solches nicht erarbeitet, dann machen es eben andere.

Offline janto

  • Forenmitglied
  • Beiträge: 81
  • Karma: +0/-0
    • Bezahlbare Energie
Böse Überraschung vor dem OLG Oldenburg
« Antwort #3 am: 22. Januar 2011, 17:39:10 »
@ angeljustus

Wir sind nach wie vor noch der Meinung, dass man auf Amtsgerichtsebene für Klagen auf Rückzahlung der Preiserhöhungen 2008/2009 keinen Rechtsanwalt braucht. Die Sache ist einfach und klar. Gegen abwegige Gedanken eines einzelnen Richters oder Gerichts wie jetzt Jannsen und seinen 5. OLG-Senat ist man nie gefeit - sogar ein Reshöft nicht, wie man sieht.

Sich öffentlich weit aus dem Fenster lehnen, ist in der Tat ein Bürgerrecht - und das machen wir auch weiter. Leisetreter gibt es genug.

Janto Just
IG Energie Schortens
http://www.janto-just.de

Offline Lothar Gutsche

  • Forenmitglied
  • Beiträge: 182
  • Karma: +2/-0
Böse Überraschung vor dem OLG Oldenburg
« Antwort #4 am: 22. Januar 2011, 18:58:36 »
@ janto

Um die Rechtsprechung und die Rechtsaufassungen mancher Richter zu verstehen, ist manchmal ein Blick auf ihre Nebentätigkeiten nützlich. Günther Jannsen, der Vorsitzende Richter des 5. Zivilsenats am OLG Oldenburg (Jahrgang 1948 ), ist laut Geschäftsverteilungsplan 2011 des OLG Oldenburg zuständig für  

Zitat
a) Ansprüche aus Heilbehandlung von Personen, auch wenn die Ansprüche auf Amtspflichtverletzung gestützt werden, insoweit einschließlich der Rückgriffsansprüche pp. gemäß der Umschreibung unter d) beim 6. Zivilsenat;
b) Entscheidungen nach §§ 5, 46 FGG a.F., § 5 FamFG, §§ 36, 37 ZPO;
c) Entscheidungen nach § 159 GVG.
d) Streitigkeiten aus privatrechtlichen Versicherungsverträgen, soweit nicht der 9. Zivilsenat zuständig ist.
e) Streitigkeiten aus Energielieferungsverträgen.

Seine richterlichen Aufgaben hinderten Herrn Jannsen nicht daran, am 28.9.2010 als Referent auf einem Forum der Versicherungswirtschaft aufzutreten und über \"Leistungsfragen bei Zahnbehandlungen\" zu referieren, siehe http://www.vvw.de/vvw/download/VeFo/VeFo_Jahresprogr_2010.pdf und http://www.bld.de/fileadmin/bld/txt_pdf/VA000169_20100928.pdf. Herr Günther wird mit Foto unter http://www.vvw.de/vvw/forum/veranstaltungen/referent.asp?persID=Jannsen,%20G%FCnther/1 wie folgt vorgestellt:

Zitat
Günther Jannsen ist Vorsitzender des für Versicherungsvertragsrecht sowie Arzthaftungsund Gebührenrecht zuständigen 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg. Er bearbeitet dort seit Jahren sämtliche anfallenden Zahnarztsachen selbst.
Neben seiner Vortragstätigkeit auf arztrechtlichem Gebiet ist er Mitverfasser des Kommentars Schubach/ Jannsen, Private Unfallversicherung, Verlag C. H. Beck, 2010.

Diese Nebentätigkeit muss nichts bedeuten, kann es aber, wenn man den Fall Wolfgang Ball vom VIII. Zivilsenat des BGH als großes Vorbild vor Augen hat, vgl. Abschnitt 5 in meiner Kritik an der Preissockeltheorie unter http://www.cleanstate.de/Preissockel_Energiepreise.html#_Toc250390772.

Deshalb sollten Sie und Ihre Mitstreiter intensiv beobachten, ob der Vorsitzende Richter des 5. Zivilsenats am OLG Oldenburg nun vermehrt Vorträge in der Energiewirtschaft hält. Damit müsste sich ein Befangenheitsantrag nach § 42 ZPO begründen lassen. Die Erfolgsaussichten einer Dienstaufsichtsbeschwerde beim Präsidenten des OLG Oldenburg halte ich für wesentlich geringer.

Viele Grüße
Lothar Gutsche
Email: Lothar.Gutsche@arcor.de

Offline angeljustus

  • Forenmitglied
  • Beiträge: 234
  • Karma: +0/-0
  • Geschlecht: Männlich
Böse Überraschung vor dem OLG Oldenburg
« Antwort #5 am: 22. Januar 2011, 22:01:57 »
@janto

Schuster bleib bei deinen Leisten (Taxen)............

Offline superhaase

  • Forenmitglied
  • Beiträge: 4.098
  • Karma: +7/-6
  • Geschlecht: Männlich
Böse Überraschung vor dem OLG Oldenburg
« Antwort #6 am: 23. Januar 2011, 12:14:35 »
Zitat
Original von janto
Wir sind nach wie vor noch der Meinung, dass man auf Amtsgerichtsebene für Klagen auf Rückzahlung der Preiserhöhungen 2008/2009 keinen Rechtsanwalt braucht.
Das ist m.E. eine gefährliche Selbstüberschätzung.
Oder kennen Sie sich wenigstens mit der ZPO gut aus?
8) solar power rules

 

Bund der Energieverbraucher e.V. | Impressum & Datenschutz