Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen

§ 306 BGB: Rechtsfolgen vollständig nicht einbezogener AGB

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Heinrich:
Folgende Situation beschäftigt mich:

Angenommen, bei Abschluss eines Sondervertrags hat der Versorger versäumt, seine AGB insgesamt wirksam einzubeziehen (warum und wie auch immer). Dies hat nun, wie bereits an diversen Stellen diskutiert, zur Folge, dass eine eventuelle Preisanpassungklausel nicht wirksam ist. Welche Folgen ergeben sich aber darüber hinaus?

Führt z.B. die Vorschrift des § 316 Abs 2 BGB (\"Soweit die Bestimmungen nicht Vertragsbestandteil geworden oder unwirksam sind, richtet sich der Inhalt des Vertrags nach den gesetzlichen Vorschriften.\") dazu, dass ein (ebenfalls) nicht wirksam einbezogenes vertragliches Aufrechnungsverbot zu einem gesetzlichen Aufrechnungsverbot nach § 17 Abs. 3 GasGVV wird?

Und könnte die Nichtwirksamkeit weiterer AGB-Klauseln dazu führen, dass dem Versorger ein Festhalten am Vertrag nicht zugemutet werden kann? (§ 306 Abs. 3 BGB: \"Der Vertrag ist unwirksam, wenn das Festhalten an ihm auch unter Berücksichtigung der nach Absatz 2 vorgesehenen Änderung eine unzumutbare Härte für eine Vertragspartei darstellen würde.\") Wie z.B. im Hinblick auf Kündigungsmöglichkeiten des Versorgers oder anderem?

Oder müsste sich der Versorger bei fehlerhafter Nichteinbeziehung der AGB jedenfalls vorwerfen lassen, die für ihn nachteiligen Folgen schuldhaft selbst herbeigeführt zu haben?

RR-E-ft:
Diese Fragen sind bereits beantwortet, etwa in BGH VIII ZR 246/08.


Für Energielieferungsverträge gilt Kaufrecht, so dass zum wirksamen Abschluss nur erforderlich ist, dass sich die Parteien entweder bei Vertragsabschluss auf einen feststehenden Preis geeinigt haben oder aber einem Vertragsteil vertraglich ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht eingeräumt hatten. Erforderlich ist im Hinblick auf § 154 Abs. 1 BGB nur eine Einigung über vertragswesentliche Punkte (essentialia negotii) .

Eine Aufrechnungsverbot zählt nicht zu diesen.
 
Ein solches ergibt sich auch nicht aus der gesetzlichen Regelung des § 433 BGB.  

Die Bestimmungen der Grundversorgungsverordnung sind kein dispostives Recht.

Sie gelten überhaupt nur- dort jedoch zwingend -  für die Grund- und Ersatzversorgung, § 1 GVV, nicht aber als gesetzliche Regelung für sonstige Energielieferungsverträge.

Heinrich:

--- Zitat ---Original von RR-E-ft
Diese Fragen sind bereits beantwortet, etwa in BGH VIII ZR 246/08.
--- Ende Zitat ---
Geklärt hat sich meine erste Frage bzgl. der Aufrechnung. Ungeklärt ist weiterhin meine Frage, ob die Nichtwirksamkeit sämtlicher AGB-Klauseln nach § 306 Abs. 3 BGB dazu führen kann, dass dem Versorger ein Festhalten am Vertrag nicht zugemutet werden kann?

Oder anders ausgedrückt: Könnte ein prozessuales Sichberufen des Kunden darauf, dass der Versorger es versäumt hat, seine AGB insgesamt wirksam in den Vertrag einzubeziehen (nicht mitgesandt o.ä.), dazu führen, dass dieser Schuss für ihn nach hinten losgeht? Etwa wie hier, hier, hier und hier angesprochen?

Ebenso: Müsste sich der Versorger bei fehlerhafter Nichteinbeziehung der AGB vorwerfen lassen, die für ihn nachteiligen Folgen schuldhaft selbst herbeigeführt zu haben?

RR-E-ft:
BGH VIII ZR 246/08 besagt doch, dass sich der Versorger auch bei Nichteinbeziehung Allgemeiner Geschäftsbedingungen durch ordnungsgemäße Kündigung innerhalb überschaubarer Frist jedenfalls von dem für ihn nachteiliegn  Vertrag wieder lösen kann. Allein weil er sich derart aus dem für ihn ungünstigen Vertrag wieder lösen kann, ist er hinreichend geschützt.

Er muss dann eben alle Verträge, von denen er annehmen muss, dass AGB gem. Art. 229 § 5 Satz 2 iVm. § 305 II BGB nicht wirksam einbezogen seien, ordnungsgemäß kündigen.

Hierzu bestand jedenfalls dann Veranlassung, wenn der Kunde irgendwann einmal das Preisänderungsrecht bestritten  hatte (LG Bonn, Urt. v. 03.11.10 Az. 5 S 218/09 und 5 S 3/10).

Dass sich der Versorger in solcher Situation trotz der Möglichkeit zur ordnungsgemäßen Vertragskündigung nicht aus diesem Vertragsverhältnis gelöst hat und löst, darf dem Kunden nicht zum Nachteil gereichen (OLG Koblenz, Urt. v. 02.09.10 Az U 1200/09 Kart).

Das der Versorger in dieser Situation an den für ihn nachteiligen Vertrag gebunden ist, liegt allein daran, dass er noch nicht ordnungsgemäß gekündigt hat, was er sich doch selbst zuschreiben muss.
Bis dahin richtet sich der Vertrag ausschließlich nach Kaufrecht gem. § 433 BGB, was die Weitergeltung des bei Vertragsabschluss vereinbarten Preises mit einschließt.

§ 306 Abs. 3 BGB könnte wohl nur dann zum Tragen kommen, wenn das Recht zur ordentlichen Kündigung vertraglich ausgeschlossen wäre.
Ist es aber schon dann nicht, wenn es zum Kündigungsrecht keine ausdrückliche Vertragsabrede gibt.

Heinrich:

--- Zitat ---Original von RR-E-ft
Hierzu bestand jedenfalls dann Veranlassung, wenn der Kunde irgendwann einmal das Preisänderungsrecht bestritten  hatte (LG Bonn, Urt. v. 03.11.10 Az. 5 S 218/09 und 5 S 3/10).
--- Ende Zitat ---

Und wie beurteilt sich der Fall, wenn der Verbraucher z.B. einen Sondervertrag aus 1995 besitzt, ab 2004 zunächst nur die Billigkeit und erst ab 2007 das Preisänderungsrecht bestritten hat?

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