Forum des Bundes der Energieverbraucher

Autor Thema: AG Gelnhausen: weitere Rückforderungsklagen  (Gelesen 5373 mal)

0 Mitglieder und 2 Gäste betrachten dieses Thema.

Offline Kettner

  • Forenmitglied
  • Beiträge: 62
  • Karma: +0/-0
  • Geschlecht: Männlich
    • http://www.energieverbraucher-mkk.de
AG Gelnhausen: weitere Rückforderungsklagen
« am: 03. November 2010, 10:30:08 »
Am 09.11.2010 ab 9.30 Uhr startet am AG Gelnhausen das erste Sammelverfahren von Gaskunden der Main-Kinzig-Gas gegen eben jenen Versorger, in dem über die Höhe der Rückforderungen verhandelt wird.

Die Kläger in diesem Verfahren waren allesamt Gaspreisstreiker der ersten Stunde, denen nach dem Urteil des OLG Frankfurt (Az. 11 U 61/07 (Kart) am 05. Mai 2009) die Rückzahlung zuviel bezahlter Entgelte bis November 2005 zusteht.
Die Kläger allerdings berufen sich darauf, daß die vom OLG Frankfurt für unwirksam erklärte Preisgleitklausel bereits 1990 eingeführt wurde und daher sämtliche darauf basierenden Preiserhöhungen unwirksam seien.
Für langjährige Kunden könnte dies satte Nachzahlungen seitens des Gasversorgers bedeuten.
Möglicherweise dürfte dieses Verfahren nun auch in eine Billigkeitskontrolle der Gaspreise entsprechend BGH VIII ZR 246/08 münden.
Eigentlich genau das, was die Preisstreiker von Anfang an wollten.
Dr. Carsten Kettner
65551 Limburg

Offline bolli

  • Forenmitglied
  • Beiträge: 2.396
  • Karma: +23/-11
AG Gelnhausen: weitere Rückforderungsklagen
« Antwort #1 am: 03. November 2010, 13:33:41 »
Zitat
Original von Kettner
Die Kläger in diesem Verfahren waren allesamt Gaspreisstreiker der ersten Stunde, denen nach dem Urteil des OLG Frankfurt (Az. 11 U 61/07 (Kart) am 05. Mai 2009) die Rückzahlung zuviel bezahlter Entgelte bis November 2005 zusteht.
Die Kläger allerdings berufen sich darauf, daß die vom OLG Frankfurt für unwirksam erklärte Preisgleitklausel bereits 1990 eingeführt wurde und daher sämtliche darauf basierenden Preiserhöhungen unwirksam seien.
Für langjährige Kunden könnte dies satte Nachzahlungen seitens des Gasversorgers bedeuten.
Möglicherweise dürfte dieses Verfahren nun auch in eine Billigkeitskontrolle der Gaspreise entsprechend BGH VIII ZR 246/08 münden.
Eigentlich genau das, was die Preisstreiker von Anfang an wollten.
Aber auch nur vielleicht. Der VIII. Senat des BGH hat sich in seinem Urteil vom 14.07.2010 - VIII ZR 246/08 ja die nächste Tür offen gelassen, aber eben noch nicht entschieden, ob er auch durchgehen will.
Unter Rdnr. 52 findet sich die (noch) vorsichtige Formulierung:
Zitat
Offen bleiben kann, ob eine andere Beurteilung geboten ist, wenn es sich um ein langjähriges Gasversorgungsverhältnis handelt, der betroffene Kunde den Preiserhöhungen und den darauf basierenden  jahresabrechnungen über einen längeren Zeitraum nicht widersprochen hat (vgl. dazu auch unten unter II 1) und nunmehr auch für länger zurück liegende Zeitabschnitte die Unwirksamkeit der Preiserhöhungen (durch Feststellungsklage oder durch Klage auf Rückzahlung geleisteter Entgelte) geltend macht. Sind in einem solchen Fall die Gestehungskosten des Gasversorgungsunternehmens erheblich gestiegen und ergibt sich daraus für die betroffenen Zeiträume ein erhebliches Missverhältnis zwischen dem Wert der von dem Unternehmen zu erbringenden Leistung und dem vereinbarten Preis, lässt sich die Annahme eines nicht mehr interessengerechten Ergebnisses jedenfalls hinsichtlich der länger zurück liegenden Zeitabschnitte nicht ohne weiteres mit der Begründung verneinen, dass eine Kündigungsmöglichkeit bestand. Denn für das Versorgungsunternehmen bestand in einem solchen Fall zunächst kein Anlass, eine Kündigung des Vertrages in Erwägung zu ziehen.
Der geneigte Leser der Entscheidungen des VIII. BGH-Senats ahnt, was da kommen könnte.  X(

Offline Kettner

  • Forenmitglied
  • Beiträge: 62
  • Karma: +0/-0
  • Geschlecht: Männlich
    • http://www.energieverbraucher-mkk.de
AG Gelnhausen: weitere Rückforderungsklagen
« Antwort #2 am: 11. November 2010, 09:36:00 »
Die mündliche Verhandlung vor dem AG Gelnhausen ist zunächst ohne Ergebnis bzw. Urteil beendet worden. Aus prozess-ökonomischen Gründen wird eine Klage exemplarisch für die acht weiteren gleichgelagerten Fälle dieses Sammelverfahrens durch-verhandelt, während die anderen insgesamt 35 Verfahren ruhend gestellt werden.

Kläger- und Beklagtenseite sind mit dieser Lösung einverstanden. Da es sich um einen sehr alten Vertrag handelt, und die Beklagtenseite auf die Diskrepanz von Forderung und Gestehungskosten hinwies, könnte es sein, daß (auch nach der offenen Hintertür des BGH) nun die Billigkeitsprüfung der Preise ansteht.

Einen Terminsbericht der Verhandlung mit Kommentaren findet sich hier.

Die Presse war auch zahlreich erschienen. Deren Berichte finden sich im Pressebereich der Energieverbraucher-Main-Kinzig.

Die Billigkeitsprüfung war genau das, womit die Gaspreisstreiker angetreten sind. Es bleibt spannend.
Dr. Carsten Kettner
65551 Limburg

Offline bolli

  • Forenmitglied
  • Beiträge: 2.396
  • Karma: +23/-11
AG Gelnhausen: weitere Rückforderungsklagen
« Antwort #3 am: 11. November 2010, 13:42:07 »
Zitat
Original von Kettner
Kläger- und Beklagtenseite sind mit dieser Lösung einverstanden. Da es sich um einen sehr alten Vertrag handelt, und die Beklagtenseite auf die Diskrepanz von Forderung und Gestehungskosten hinwies, könnte es sein, daß (auch nach der offenen Hintertür des BGH) nun die Billigkeitsprüfung der Preise ansteht.
Da sehe ich aber noch einige Hürden:

Zunächst einmal hat es der BGH ja bewusst offen gelassen, ob die Vertragslaufzeit und somit der tiefe Vertragsanfangspreis mit den Gestungskosten in Verbindung gesetzt werden muss.

Wenn dem so wäre, wäre die Frage, WIE diese Verbindung aussehen sollte.

Eine Billigkeitsprüfung im herkömmlichen Sinne sehe ich da nicht, da diese  ja ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht voraussetz, welches hier ja wohl eben nicht gegeben ist. Auch eine Einbeziehung des gesetzlichen Preisbestimmungs- bzw. -änderungsrechts ist eben nicht ersichtlich, weshalb eine gerichtliche Festsetzung eines billigen Preises entsprechend § 315 Abs. 3 BGB wohl ausscheidet.

Das LG Bonn hat wohl gerade gestern eine Entscheidung verkündet, wo es gesagt hat, auch bei längerdauernden Sonderverträgen zählt der Vertragsanfangspreis, unabhängig wie hoch dieser war. Leider liegt das Urteil noch nicht schriftlich vor, weshalb die Gründe für diese Entscheidung (so sie denn tatsächlich so getroffen wurde) noch nicht bekannt sind.

Siehe auch LG Bonn: Rückerstattungsanspruch der Gaskunden auch ohne Widerspruch

Offline Kettner

  • Forenmitglied
  • Beiträge: 62
  • Karma: +0/-0
  • Geschlecht: Männlich
    • http://www.energieverbraucher-mkk.de
AG Gelnhausen: weitere Rückforderungsklagen
« Antwort #4 am: 11. November 2010, 16:08:45 »
Zitat
Zunächst einmal hat es der BGH ja bewusst offen gelassen, ob die Vertragslaufzeit und somit der tiefe Vertragsanfangspreis mit den Gestungskosten in Verbindung gesetzt werden muss.  Wenn dem so wäre, wäre die Frage, WIE diese Verbindung aussehen sollte.

Nunja, eben diese Art der Verbindung scheint nun in die Diskussion zu kommen. Das Argument des Versorgers ist, daß heute natürlich die Preise 80% über den Gestehungskosten von vor 20 Jahren liegen. Dies sollte er nun dezidiert darlegen und vor allem die aufgehende Schere zwischen Gestehungskosten und Endverbraucherkosten gut erklären....

Aber: Das Urteil des LG Bonn (von dem ich eben erst Kenntnis erlangt habe) könnte unser Verfahren vor Ort verkürzen, sollte es rechtskräftig werden und sollte es übertragbar auf unsere Fälle werden. Bezüglich der Laufzeit der Sonderverträge und der unwirksamen Preisgleitklausel, sehe ich da schon einmal Positives. Näheres sollte die Urteilsbegründung erbringen.
Dr. Carsten Kettner
65551 Limburg

 

Bund der Energieverbraucher e.V. | Impressum & Datenschutz