Nun wird schon wieder \"eine neue Sau durch\'s Dorf getrieben\":
Behauptet das EVU, man habe in einem standardisierten Verfahren (??) an die Abnehmer \"Begrüßungspost\" verschickt und dabei ein Exemplar der AVB mitgegeben, dann werde der Zugang vermutet, wenn der Abnehmer schlicht den Zugang bestreitet (so AG Neu-Ulm).
Bei dieser Leseart müßte der Empfänger beweisen, dass er Nichts bekommen hat. Whow, das sitzt.
Wohl gemerkt, man befindet sich noch im Zivilrecht (Sondervertrag) und nicht im Verwaltungsprivatrecht (Grundversorgung).
Schaut man nach den verwaltungsrechtlichen Bekanntgabebestimmungen
(§ 41 Abs. 2 VerwVerfG), dann könnte man auf die Idee kommen, dass ....
Ein schriftlicher Verwaltungsakt, der im Inland durch die Post übermittelt wird, gilt am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben.
Doch prüft man den Regelungsinhalt (Abs. 2 Satz 3) weiter, dann kommt man schon gar nicht auf die Idee, dass ...
Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsaktes und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen.
.... der Empfänger auch nur irgend etwas beweisen, geschweige denn substantiiert bestreiten muß.
So und weil dies so ist, hat sich in der Vergangenheit das
Bundessozialgericht -BSG- (26.07.2007, Az.: B 13 R 4/06 R) und kein geringeres Organ, als das Bundesverfassungsgericht, mit dieser Frage zu befassen gehabt.
Tz 18
Ob das Hinweisschreiben dem Kläger zugegangen ist, hat das LSG nicht festgestellt. Seiner Rechtsansicht folgend, hat es diesen Umstand für unerheblich gehalten. Soweit es darüber hinaus ausgeführt hat, \"nach den sog Regeln des Anscheinsbeweises (müsse) davon ausgegangen werden\", dass eine \"Zustellung\" des Schreibens erfolgt sei, weil bei der BfA kein Rücklauf zu verzeichnen sei, beruht diese Feststellung auf einem Rechtsirrtum. Die Rechtsprechung hat bereits geklärt, dass ohne eine nähere Regelung weder eine Vermutung für den Zugang eines mit einfachem Brief übersandten Schreibens besteht (Bundesverfassungsgericht, Kammerbeschluss vom 15.5.1991 - 1 BvR 1441/90, NJW 1991, 2757; ebenso bereits Bundesfinanzhof vom 23.9.1966, BFHE 87, 203) noch insoweit die Grundsätze des Anscheinsbeweises gelten (BFH vom 14.3.1989, BFHE 156, 66 unter Aufgabe früherer Rechtsprechung: S 73; Bundesgerichtshof vom 5.4.1978 - IV ZB 20/78, VersR 1978, 671; BGH vom 24.4.1996 - VIII ZR 150/95, NJW 1996, 2033, 2035 aE) .
Und das BSG geht noch weiter und postuliert noch klarer:
Tz 19
Auch wenn nach der Lebenserfahrung die weitaus größte Anzahl der abgesandten Briefe beim Empfänger ankommt, ist damit lediglich eine mehr oder minder hohe Wahrscheinlichkeit für den Zugang einer Briefsendung gegeben. Der Anscheinsbeweis ist aber nicht schon dann geführt, wenn zwei verschiedene Möglichkeiten eines Geschehensablaufs in Betracht zu ziehen sind, von denen die eine wahrscheinlicher ist als die andere (BGH vom 27.5.1957, BGHZ 24, 308, 312) . Denn die volle Überzeugung des Gerichts vom Zugang lässt sich auf eine - wenn auch große - Wahrscheinlichkeit nicht gründen (BFH vom 14.3.1989, BFHE 156, 66, 71)
Tz 20
In diesem Sinne aber bestehen schon dann \"Zweifel\", wenn der Adressat den Zugang - schlicht - bestreitet (BFH vom 14.3.1989, BFHE 156, 66, 71) . Im Ergebnis nichts anderes gilt jedoch in anderen Rechtsbereichen; auch im Zivilrecht zB hat der Erklärende (bzw jener, der sich hierauf beruft) den Zugang einer Erklärung zu beweisen (so zB zur Mängelanzeige nach § 377 Handelsgesetzbuch: BGH vom 13.5.1987, BGHZ 101, 49, 55; dort auch dazu, dass eine Mängel\"anzeige\" empfangsbedürftig ist)
Tz 21
Das LSG wird daher festzustellen haben, ob dem Kläger das Hinweisschreiben zugegangen ist. Eine Nichtaufklärbarkeit geht insoweit zu Lasten der Beklagten.
Tz 22
Verlangt man, wovon die Beklagte in ihrer Revisionserwiderung auszugehen scheint, vom Adressaten eines angeblich nicht eingetroffenen einfachen Briefes mehr als ein schlichtes Bestreiten, das Schreiben erhalten zu haben - etwa das substantiierte Vorbringen von Umständen, die ein Abweichen von der \"Erfahrung des täglichen Lebens\" rechtfertigen, dass eine gewöhnliche Postsendung den Empfänger erreicht (so zB Engelmann in: von Wulffen, SGB X, 5. Aufl 2005, § 37 RdNr 13) , bedeutet dies eine Überspannung der an den Adressaten zu stellenden Anforderungen. Denn ihm ist im Regelfall schon aus logischen Gründen nicht möglich, näher darzulegen, ihm sei ein per einfachem Brief übersandtes Schreiben nicht zugegangen (zum Grundsatz \"negativa non sunt probanda\" s auch BFH vom 14.3.1989, BFHE 156, 66, 71 mwN; im Einzelnen hierzu: Hebeler, DÖV 2006, 112, 114 f) . Anders ist die Sachlage beim behaupteten verspäteten Zugang (hierzu zB BVerwG vom 24.4.1987 - 5 B 132/86) : Hier kann der Empfänger vortragen, wann genau und unter welchen Umständen er die Erklärung erhalten hat.