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Autor Thema: EuGH-Kartellverfahren: Syndikusanwälte haben kein Anwaltsprivileg  (Gelesen 4270 mal)

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In seinem Urteil vom 14.09.2010 hat der EuGH entschieden, dass unternehmensinterne Korrespondenz von Syndikusanwälten, also von Inhouse-Juristen, nicht den Schutz des sog. Anwaltsprivilegs genießt. Das heißt, dass im Rahmen von Kartellverfahren solche Unterlagen beschlagnahmt und verwertet werden können.

Der EuGH ist der Ansicht, dass in Unternehmen angestellte Rechtsanwälte insofern nicht vergleichbar mit externen, unabhängigen Anwälten seien, bei denen dieses Anwaltsprivileg gilt. Im konkreten Fall waren Emails des in der Unternehmensrechtsabteilung für Kartellrecht zuständigen Juristen an den Geschäftsführer beschlagnahmt worden.


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Offline RR-E-ft

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EuGH-Kartellverfahren: Syndikusanwälte haben kein Anwaltsprivileg
« Antwort #1 am: 24. September 2010, 14:34:10 »
Es entspricht der Berufsordnung für Rechtsanwälte, dass Angestellte eines Unternehmens mit Rechtsanwaltszulassung das Unternehmen selbst nicht vertreten dürfen, weil aufgrund ihrer Abhängigkeit im Angestelltenverhältnis schon nicht gewährleistet ist, dass sie insoweit als unabhängige Organe der Rechtspflege tätig werden. Vertritt mithin dieser angestellte Jurist das Unternehmen nicht in zulässiger Weise anwaltlich, so kann er sich auch nach Verfahrensrecht nicht auf das Berufsgeheimnis berufen.

Offline ESG-Rebell

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EuGH-Kartellverfahren: Syndikusanwälte haben kein Anwaltsprivileg
« Antwort #2 am: 24. September 2010, 19:54:14 »
Zitat
Original von RR-E-ft
... weil aufgrund ihrer Abhängigkeit im Angestelltenverhältnis schon nicht gewährleistet ist, dass sie insoweit als unabhängige Organe der Rechtspflege tätig werden.
Also die Logik erschliesst sich mir (immer noch) nicht.

Ein selbständiger Anwalt ist zwar nicht weisungsgebunden, muss aber in Betracht ziehen nicht (weiter) von seinem Mandanten beauftragt zu werden, wenn er diesen nicht zufrieden stellt.

Dies schliesst insbesondere den Fall eines Konfliktes zwischen den Interessen des Mandanten und der Verpflichtung zur unabhängigen Rechtspflege (was immer das im konkreten Fall bedeudet) ein. Ein Beispiel wäre das Bestreiten von Tatsachen, die dem Mandanten jedoch bekannt sind.

Ob ein Anwalt angestellt und damit weisungsgebunden oder selbständig ist und um Folgeaufträge bangen muss, ist meines Erachtens Jacke wie Hose.

Gruss,
ESG-Rebell.

Offline RR-E-ft

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EuGH-Kartellverfahren: Syndikusanwälte haben kein Anwaltsprivileg
« Antwort #3 am: 24. September 2010, 23:47:40 »
§ 46 BRAO trifft eine klare Regelung hinsichtlich des Vertretungsverbots.

Ein Anwalt wird insbesondere nicht wider besserem Wissen entgegen § 138 Abs. 1 ZPO ewas bestreiten und sich an einem Prozessbetrug beteiligen.
Im Zweifel wird er ein Mandat niederlegen (müssen), wenn der Mandant entsprechendes verlangt.

Der Angestellte oder sonst wirtschaftlich Abhängige verfügt gegenüber seinem Dienstherrn nicht über die Freiheit in seinen Entscheidungen, welche die freie Berufsausübung als unabhängiges Rechtspflegeorgan erfordert.

Offline ESG-Rebell

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EuGH-Kartellverfahren: Syndikusanwälte haben kein Anwaltsprivileg
« Antwort #4 am: 25. September 2010, 14:13:13 »
Zitat
Original von RR-E-ft
Ein Anwalt wird insbesondere nicht wider besserem Wissen entgegen § 138 Abs. 1 ZPO ewas bestreiten und sich an einem Prozessbetrug beteiligen.
Im Zweifel wird er ein Mandat niederlegen (müssen), wenn der Mandant entsprechendes verlangt.
Womit sich für diesen Mandanten die Frage stellt, welche Informationen er schon seinem eigenen Anwalt tunlichst nicht mitteilen sollte. Vor allem wenn deren Preisgabe im Prozess zum Unterliegen in demselben führen kann und vor dem Hintergrund, dass die Gegenseite es mit der Wahrheitsliebe auch nicht so hat. In einem anderen Forenbeitrag wurde ja gerade erst von einem offensichtlichen Fehler in einem WP-Testat berichtet, der aufgeflogen ist.

Dieser Aspekt ist mir neu.
Bislang ging ich davon aus, dass ein offenes Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant anzustreben und zweckmäßig sei.

Gruss,
ESG-Rebell.

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EuGH-Kartellverfahren: Syndikusanwälte haben kein Anwaltsprivileg
« Antwort #5 am: 25. September 2010, 15:16:27 »
@ESG-Rebell, es geht hier nach meiner Meinung weniger um das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant.

Ein Arbeitgeber ist ja im Verhältnis zum Angestellten kein Mandant.

Hier geht es um das Rechtsanwaltsgeheimnis, um geschütze Daten. Diesen Schutz gibt es für einen angestellten Juristen nach dem EuGH nicht.

siehe auch: §203 StGB

Man verweigert ja nicht selten die Auskunft und versteckt sich dabei hinter sogenannten geschützten Geheimnissen. Stichwort: Geschäftsgeheimnis bei kommunalen Unternehmen ... etc.

 

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