@ hby
Die
Pressemitteilung des OLG Nürnberg vom 9.8.2010 zu dem Gaspreisprozess mit Aktenzeichen 1 U 2437/08 enthält die folgende Aussage:
Auch hat das Oberlandesgericht entschieden, dass es unerheblich ist, ob der Energieversorger mit seinen Gewinnen andere Teile des Konzerns quersubventioniert. Insbesondere der Ausgleich von Verlusten der städtischen Verkehrsbetriebe durch Gewinne des Energieversorgers betreffe die Gewinnverwendung durch die Gesellschaft und sei deshalb nicht durch das Gericht zu überprüfen. Für die Billigkeit der Preiserhöhungen komme es nämlich allein darauf an, ob sie durch entsprechende Kostensteigerungen gerechtfertigt sind. Nachdem die Gewinne des Energieversorgers aus dem Gasabsatz nicht gestiegen seien, bestehe kein Anspruch auf Überprüfung des Verhaltens der Gesellschaft, soweit es die Quersubventionierung angeht.Die
Nürnberger Nachrichten leiten daraus am 10.8.2010 ab:
\"
Bei der Frage der Preisgestaltung spiele es keine Rolle, ob ein Energieversorger Verluste in anderen Teilen des Konzerns subventioniere.\"
Natürlich bleiben die Urteilsgründe abzuwarten. Aber die Aussage in den Nürnberger ist gegenüber der Pressemitteilung des OLG stark verkürzt. Denn mitnichten erteilt das OLG Nürnberg einen Freibrief für jegliche Form von Quersubventionierung. Wenn die Gewinne aus dem Geschäft mit Energie so hoch sind, dass daraus Defizite z. B. im öffentlichen Nahverkehr, in städtischen Schwimmbädern oder in Kulturbetrieben gedeckt werden können, dann liegt zumindest der Verdacht von mehreren Rechtsverstößen nahe. Dazu wären jedoch nähere Informationen über Unternehmenskennzahlen der N-Ergie nötig, u. a. zur Eigenkapitalrendite und zur möglichen Preisdifferenzierung gegenüber verschiedenen Abnehmern. Wenn man von den Preisklausel-Diskussionen und den Fragen rund um die §§ 305 - 310 BGB absieht, existieren für die Preisgestaltung mehrere rechtliche Grenzen.
1. kartellrechtliche GrenzenDie Preisgestaltung kann gegen z. B. durch Preisspaltung oder deutliches Übersteigen der Kosten gegen Kartellrecht verstoßen, z. B. § 19 GWB oder § 29 GWB.
2. energiewirtschaftsrechtliche GrenzenDie Energiepreise können eine Eigenkapitalrendite erzeugen, die weit über üblichen Vergleichsgrößen des Energiewirtschaftsrechts liegen. Als Vergleichsmaßstäbe nennt Dr. Peter Becker dazu in dem Artikel „
Kartellrechtliche Kontrolle von Strompreisen“ in der Zeitschrift für Neues Energierecht (ZNER) Heft 4, 2008, auf Seite 293:
„
Im Energierecht wurden auf Basis von § 21 Abs. 2 EnWG Verzinsungsvorschriften für das eingesetzte Eigenkapital (EK) bei Strom- und Gasnetzen vorgesehen, so von 6,5 % innerhalb der kalkulatorischen EK-Verzinsung von Altanlagen bzw. 7,91 % bei Neuanlagen (§ 7 Abs. 6 S. 2 StromNEV). Beim Gas wurden EK-Zinssätze bei Altanlagen von 7,8 % bzw. bei Neuanlagen von 9,21 % auf das EK vorgeschrieben (§ 7 Abs. 6 S. 2 GasNEV). Nach dem Beschluss der Bundesnetzagentur vom 07.07.2008 sind es nunmehr 9,29 % für Neu- und 7,56 % für Altanlagen vor Steuern.“
Demnach dürften Eigenkapitalrenditen von deutlich über 10 % energiewirtschaftsrechtlich unzulässig sein.
3. kommunalrechtliche GrenzenWenn es sich bei dem Energieversorger um ein Unternehmen handelt, das sich mehrheitlich im Eigentum einer Kommune befindet, dann gelten diverse Kommunalvorschriften. die N-Ergie gehört zu rund 60 % der Städtischen Werke Nürnberg GmbH, die wiederum zu 100 % der Stadt Nürnberg gehört.
Nach Artikel 87 Absatz 1 der Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern entsprechen alle „
Tätigkeiten oder Tätigkeitsbereiche, mit denen die Gemeinde oder ihre Unternehmen an dem vom Wettbewerb beherrschten Wirtschaftsleben teilnehmen, um Gewinn zu erzielen“, keinem öffentlichen Zweck. Das bayerische Kommunalabgabengesetz sieht in Artikel 8 zu den Benutzungsgebühren auch keine Gewinnerzielung vor. Vielmehr soll nach Absatz 2 von Artikel 8 des Kommunalabgabengesetzes das Gebührenaufkommen „
die nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen ansatzfähigen Kosten einschließlich der Kosten für die Ermittlung und Anforderung von einrichtungsbezogenen Abgaben decken.“ Nach Absatz 3 von Artikel 8 des Kommunalabgabengesetzes gehören zu den Kosten „i
nsbesondere angemessene Abschreibungen von den Anschaffungs- und Herstellungskosten und eine angemessene Verzinsung des Anlagekapitals.“ Die bayerische Eigenbetriebsverordnung sieht in § 8 zu „
Gewinn und Verlust“ vor, dass der Jahresgewinn des Eigenbetriebs so hoch sein soll, dass neben angemessenen Rücklagen „
mindestens eine marktübliche Verzinsung des Eigenkapitals erwirtschaftet wird“. Für Kommunalkredite sind derzeit 5 - 6 % Zins üblich. Eine Eigenkapitalrendite, die darüber hinaus geht, wäre kommunalrechtlich verboten.
Diese drei genannten Grenzen beziehen sich nicht auf die Gewinnverwendung z. B. in Form einer Quersubvention, sondern allein auf der Herkunft der Gewinne. In meinem Zivilstreit habe ich diese Argumente auch eingeführt, siehe u. a. Seite 29 - 33 in dem Schriftsatz vom 18.2.2009 unter
http://www.ra-bohl.de/Schriftsatz_18.02.09.pdf und Seite 20 - 22 in dem Schriftsatz vom 20.10.2009 unter
http://www.ra-bohl.de/Schriftsatz_20.10.09.pdf. Durch Verstoß gegen die genannten rechtlichen Grenzen wird ein Preis automatisch unbillig. Was die Gewinnverwendung für eine Quersubvention angeht, so verweise ich auf meine umfangreiche Abhandlung zur Verfassungswidrigkeit der Quersubvention durch überhöhte Energiepreise vom November 2008 unter
http://www.cleanstate.de/Energiepreise.html.
Ich vermute, der Gaskunde der N-Ergie hat in dem Zivilstreit keine entsprechenden Argumente vorgetragen. Im Fokus dürften die Preisanpassungsklauseln gestanden haben und natürlich die Argumentation des VIII. Zivilsenats, durch widerspruchloses Bezahlen von Rechnungen neue Preise zu vereinbaren. Denn es handelte sich laut Pressemitteilung des OLG Nürnberg um einen Sondervertragskunden. Genaueres bleibt aber den Urteilsgründen vorbehalten.
Viele Grüße
Lothar Gutsche
Email: Lothar.Gutsche@arcor.de