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Autor Thema: Konkludenter Vertragsabschluss Strom mit Hindernissen - § 154 Abs. 1 BGB -  (Gelesen 4016 mal)

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Eine Anwaltskanzlei entnimmt seit 10.06.2010 normal Strom aus dem Versorgungnetz.

Per Boten kam nun ein nicht normales \"Begrüßungsschreiben\" über einen angeblichen Vertragsabschluss Grundversorgung Strom/ Gas per 01.06.2010, bei welchem zur Meidung des Einbaus eines Vorinkassozählers Strom Vorauszahlungen Strom/ Gas bis einschließlich August 2010 gefordert werden. Das Schreiben trägt Lichtstadt- Logo.

Anlass genug, für ein Schreiben an die Geschäftsführung des Grundversorgers.

Zitat

Sehr geehrte Herren,  

in vorbezeichneter Angelegenheit bedanke ich mich zunächst für das Schreiben Ihres Hauses vom 10.06.2010.  

Jenes offenbart mir, dass in Ihrem Hause aufgrund von Falschinformationen diverse Irrtümer bestehen (müssen).  

I.  

Ich entnehme an der genannten Verbrauchsstelle kein Gas. Nachdem ich durch meine Vermieterin davon erfahren habe, dass ein Außendienstmitarbeiter zur Zählerablesung hier war und hierdurch auch erstmals von der Beendigung des Vertragsverhältnisses mit .... Kenntnis erlangte, habe ich meine Vermieterin beauftragt, die Gaszufuhr abzustellen, so dass nach dem 31.05.2010 garantiert kein Gas aus dem Netz bezogen wird. Dieser Aufforderung ist sie nach eigener Aussage  nachgekommen.   Die Gaslieferungen betreffen die Heizung der Kanzleiräume.

Sofern ich in den Sommermonaten für die Kanzleiräume mehr Wärme benötigen sollte, öffne ich tagsüber die Fenster.  Eine umweltfreunlichere Deckung eines Energiebedarfs ist mir nicht bekannt.  Es besteht somit voraussichtlich vor dem 01.10.2010 kein Bedarf an einer gasbetriebenen Heizung.    

II.  

Richtig ist, dass ich aufgrund der geschilderten Umstände seit 01.06.2010 an der Abnahmestelle Elektrizität aus dem Leitungsnetz entnehme.  

Ihr Irrtum besteht insoweit darin, dass ein Grundversorgungsvertrag bestünde und Sie darüber hinaus Anspruch auf Vorauszahlungen gem. § 14 StromGVV hätten.   Es handelt sich folglich um einen Doppelirrtum, den ich Ihnen gern erläutern möchte.

Mit  dem rubrizierten Schreiben wurde insbesondere auch ein Preisblatt „Allgemeine Preise der Grundversorgung mit Elektronenergie“ übersandt.  Darin werden zwei Allgemeine Preise der Grundversorgung aufgeführt, die sich in ihrer Höhe unterscheiden, mithin nicht identisch sind. Sie werden hiermit aufgefordert, deren öffentliche Bekanntgabe gem. § 36 Abs. 1 EnWG, § 5 StromGVV nachzuweisen.  

Der günstigere Preis soll nur für Privatkunden (Eigenverbrauch im Haushalt) gelten. Ein demgegenüber höherer Preis soll für Geschäftskunden (beruflicher, landwirtschaftlicher, gewerblicher oder sonstiger Bedarf) bei einem Jahresverbrauch unter 10.000 kWh gelten.  

Bei meiner Kanzlei handelt es sich – Ihnen aus meinen Schreiben andere Abnahmestellen betreffend  bekannt – nicht um meinen Haushalt. Vielmehr gehe ich bekanntermaßen einer freiberuflichen Tätigkeit als Rechtsanwalt nach.  

Grundversorger sind gem. §§ 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 EnWG zu einer möglichst preisgünstigen, effizienten leitungsgebundenen Versorgung mit Elektrizität und Gas verpflichtet und haben nach § 36 Abs. 1 EnWG in Erfüllung vorgenannter gesetzlicher Verpflichtung Allgemeine Preise für die Versorgung von Haushaltskunden mit Elektrizität und Gas öffentlich bekannt zu geben.  

Die Allgemeinen Preise der Grundversorgung sind gesetzlich an den Maßstab der Billigkeit gebunden, was die Verpflichtung einschließt, rückläufige Kosten über Preisanapassungen an die Kunden weiterzugeben (BGH VIII ZR 320/07 Rn. 29), wobei nur solche Kosten einer effizienten Betriebsführung berücksichtigungsfähig sind, nicht jedoch „unnötige“ Kosten (BGH VIII ZR 138/07 Rn. 43). Dies gilt auch für die Elektrizitätsbelieferung (BGH VIII ZR 204/08].  

BGH, Urt. v. 13.01.10 VIII ZR 81/08 Rn. 18:  

Aus der Bindung des Allgemeinen Tarifs an billiges Ermessen folgt, dass das Preisänderungsrecht des Gasversorgungsunternehmens nach § 4 AVBGasV mit der Rechtspflicht einhergeht, bei einer Tarifanpassung Kostensenkungen ebenso zu berücksichtigen wie Kostenerhöhungen und den Zeitpunkt einer Tarifänderung so zu wählen, dass Kostensenkungen nicht nach für den Kunden ungünstigeren Maßstäben Rechnung getragen wird als Kostenerhöhungen. Die gesetzliche Regelung umfasst daher neben dem Recht des Versorgers zur Preisanpassung auch die Pflicht hierzu, wenn die Anpassung dem Kunden günstig ist (BGHZ 176, 244, Tz. 26; Senatsurteile vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 225/07, aaO, Tz. 28, und vom 28. Oktober 2009, aaO, Tz. 29).  

Der bestehenden gesetzlichen Verpflichtung haben Sie ersichtlich in mehrfacher Hinsicht nicht entsprochen.  

Sie haben schon nicht einen Allgemeinen Preis für Elektrizitätslieferungen an Haushaltskunden im Sinne von § 3 Nr. 22 EnWG gem. § 36 Abs. 1 EnWG öffentlich bekannt gegeben.   Eine sachliche Rechtfertigung für Preisdifferenzierungen innerhalb der grundversorgungsberechtigten Haushaltskunden besteht insbesondere nicht, weshalb sich eine solche m. E. auch als kartellrechtswidrig erweist.  

Schließlich entsprechen die Preise auch nicht der Billigkeit, weil insbesondere gesunkene Großhandelspreise für Elektrizität infolge der globalen Wirtschaftskrise und in deren Zuge gesunkener Nachfrage nach Energie (vgl. nur die Pressemittelung Ihres Hauses vom 31.03.2009 zu gesunkenen Energiepreisen) nicht durch Preissenkungen weitergegeben wurden.  

Da infolge Ihrer Verstöße gegen die einschlägigen energiewirtschaftsrechtlichen Bestimmungen ein eindeutiger Allgemeiner Preis für die Belieferung von Haushaltskunden i.S. v. § 3 Nr. 22 EnWG mit Elektrizität schon nicht bestimmt wurde, scheint der konkludente Abschluss eines Grundversorgungsvertrages gem. § 2 Abs. 2 StromGVV zweifelhaft.  

Ein (konkludenter) Vertragsabschluss scheitert an der Nichtbestimmbarkeit eines Allgemeinen Preises für die Belieferung von Haushaltskunden aus dem Niederspannungsnetz, bei dem es sich jedoch um einen vertragswesentlichen Punkt für den Abschluss eines Energielieferungsvertrages nach den kaufrechtlichen Bestimmungen handelt.    

BGH, Urt. v. 07.02.2006 KZR 24/04 Rn 21, juris:  

Denn wenn die Parteien sich weder auf den Kaufpreis noch auf eine Methode zu seiner Berechnung geeinigt haben, so besteht nicht nur eine Vertragslücke, die durch ergänzende Vertragsauslegung geschlossen werden könnte, sondern es fehlt an einer Einigung über einen wesentlichen Vertragsbestandteil, ohne den ein Kaufvertrag - vorbehaltlich eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts nach §§ 315 ff. BGB, das hier auch nach Auffassung des Berufungsgerichts nicht in Betracht kommt - gemäß § 154 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht wirksam zustande kommen kann.  

Ein Vertragsabschluss durch Energieentnahme  zum 01.06.2010 ist folglich nur   aufgrund des gesetzlichen Leistungsbestimmungsrechts des Grundversorgers im Sinne des § 315 Abs. 1 BGB möglich.    

Schließlich bin ich auch bereit, einen unter Beachtung der einschlägigen energiewirtschaftrechtlichen Bestimmungen gebildeten Preis für die Elektrizitätslieferungen zu zahlen.  

Bitte weisen Sie einen der Billigkeit entsprechenden Preis für Elektrizitätslieferungen anhand offen gelegter Preiskalkulation nach (BGH, Urt. v. 02.10.1991 VIII ZR 240/90 = NJW-RR 1992, 183).  

Insbesondere möchten Sie dabei die Netzkosten, Kosten des Messstellenbetriebs, Kosten der Messung und Abrechnung neben den Steuern und Abgaben in Bezug auf Grund- und Arbeitspreis gesondert ausweisen und den nachvollziehbaren und prüffähigen Nachweis darüber führen, dass es sich jeweils um notwendige Kosten einer effizienten,  leitungsgebundenen Versorgung im Sinne von §§ 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 EnWG handelt.  

Bis dahin berufe ich mich vorsorglich auf die Unverbindlichkeit gem. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB iVm. § 17 Abs. 1 Satz 3 StromGVV.   Ein derzeit fälliger Zahlungsanspruch ist demnach nicht ersichtlich.  

BGH, Urt. v. 05.07.2005 – X ZR 60/04, juris:  

1. Den Kunden eines Versorgungsunternehmens steht grundsätzlich die Einrede der unbilligen Tariffestsetzung zu.  b) Die Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB hat zur Folge, daß die vom Versorgungsunternehmen angesetzten Tarife für den Kunden nur verbindlich sind, wenn sie der Billigkeit entsprechen (§ 315 Abs. 3 Satz 1 BGB).   Entspricht die Tarifbestimmung nicht der Billigkeit, so wird sie, sofern das Versorgungsunternehmen dies beantragt, ersatzweise im Wege der richterlichen Leistungsbestimmung durch Urteil getroffen (§ 315 Abs. 3 Satz 2 BGB; vgl. Staudinger/Rieble, aaO Rdn. 294 f.). Erst die vom Gericht neu festgesetzten niedrigeren Tarife sind für den Kunden verbindlich, und erst mit der Rechtskraft dieses Gestaltungsurteils wird die Forderung des Versorgungsunternehmens fällig und kann der Kunde in Verzug geraten (BGH, Urt. v.24.11.1995 - V ZR 174/94, NJW 1996, 1054; MünchKomm./Gottwald, BGB, 4. Aufl., § 315 Rdn. 49; Palandt/Heinrichs, BGB, 64. Aufl., § 315 Rdn. 17; Staudinger/Rieble, aaO Rdn. 276); erst von diesem Zeitpunkt an besteht mithin eine im gerichtlichen Verfahren durchsetzbare Forderung des Versorgungsunternehmens.  2. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist der Beklagte nicht darauf beschränkt, die Einrede der unbilligen Leistungsbestimmung im Rahmen eines Rückforderungsprozesses geltend zu machen. Soweit die Leistungsbedingungen der Klägerin einen Einwendungsausschluß für den Zahlungsprozeß enthalten, ist dieser unwirksam.  

Der Gesetzgeber hat den grundversorgten Kunden ausdrücklich die Einrede der unbilligen Entgeltbestimmung gegenüber dem Grundversorger eingeräumt, § 17 Abs. 1 Satz 3 Grundversorgungsverordnung.  

Vorsorglich verweise ich nochmals auf die Entscheidung des BGH vom 09.06.2009 Az. 5 StR 394/08, wonach das Fordern entgegen gesetzlicher Bestimmungen unbillig einseitig festgesetzter Tarife und deren Zur-Abrechnung- Stellen durch ein Versorgungsunternehmen eine Betrugsstrafbarkeit der Verantwortlichen  begründen können.  

III.  

Wenn aber schon kein (derzeit) fälliger Zahlungsanspruch besteht, so können auch keine Vorauszahlungen verlangt werden, jedenfalls nicht ohne Vorfälligkeitsentschädigung.  

Schließlich ist mir die Ermittlung der verlangten Vorauszahlungen nicht nachvollziehbar, da ich die Vorjahresverbräuche nicht kenne. Ich rüge diese rein vorsorglich deshalb ebenfalls als unbillig gem. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB unter Berufung auf deren Unverbindlichkeit.  

IV.  

Ich fordere Sie deshalb in aller Form auf, zur Meidung einer weiteren gerichtlichen Auseinandersetzung vom Inhalt des Schreibens Ihrer Mitarbeiter .... vom 10.06.2010 und darin enthaltener wahrheitswidriger  Behauptungen zu Aussagen der.....  sowie  Forderungen nach Vorauszahlungen/ Einbau eines Vorinkassozählers durch schriftliche Erklärung   bis zum

.... – vorab per Fax – hier eingehend –  

Abstand zu nehmen und innerhalb gleicher Frist die geforderte Billigkeit des Preises für Stromlieferungen (bestehend aus Grund- und Arbeitspreis) nachzuweisen.      

Für Rückfragen stehe ich gern zur Verfügung.

Freundliche Grüße


Rechtsanwalt

Wir bleiben am Ball.

Beim Gas haben die Stadtwerke regelmäßig einen Rat für Sparfüchse:
Die günstigste Kilowattstunde ist die, die nicht verbraucht wird.
Wirklich sparen kann aber nur der, der im Sommer keine teure Grundgebühr zahlt.  


Die Fakten:

Großhandelspreise Strom Oktober 2008
Großhandelspreise Strom Mai 2010

Werden für einen Jahreverbrauch unter 10.000 kWh zwei verschiedene Allgemeine Strompreise bestimmt, können denknotwendig nicht beide Preise zugleich der Billigkeit entsprechen.

Das sieht wohl ein Blinder mit dem Krückstock, erst recht in Lichtstadt.

Lichtstadt Allgemeiner Preis für \"private\" Haushaltskunden

Lichtstadt Allgemeiner Preis für \"nicht private\" Haushaltskunden

§ 3 Nr. 22 EnWG kennt indes nur einen (legal definierten) Haushaltskunden.

Das weiß auch der Grundversorger, der - zu allem Überdruss- zu seinen unterschiedlichen  Allgemeinen Preisen für Elektrizitätslieferungen an Haushaltskunden die gesetzliche Definition auch noch aufführt.

Bis zur Rückkehr der DDR bleibt die Kanzlei natürlich privat.

Besonders üppig erscheinen die mit Lichtstadt- Logo  geforderten Grundpreise in Höhe von 90 €/ Jahr (netto), etwa im Vergleich zu den benachbarten Stadtwerken Eisenberg/ Thür.  und Stadtroda.

(Eisenberg oder Stadtroda haben auch kein Stadion mit Rasenheizung).

 

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