Energiepreis-Protest > EWE
Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
RR-E-ft:
@PLUS
Sie sollten nochmals meine Beiträge 30.01.2011 21:09 und 31.01.2011 22:30 lesen.
Möglicherweise besteht ein grundsätzliches Verständnisproblem.
Man sollte sich die paar Minuten nehmen, alles genau bei Lichte zu betrachten, sich ein Bild von den Dingen zu machen. ;)
tangocharly:
@PLUS
Wo zu suchen ist, hat der Kartellsenat am 04.03.2008 beantwortet:
--- Zitat ---Tz. 21
[...] Der Maßstab der Billigkeit und Angemessenheit ist lediglich kein individueller, sondern muss aus der typischen Interessenlage des Netznutzungsverhältnisses und den für dessen Ausgestaltung maßgeblichen gesetzlichen Vorgaben gewonnen werden (vgl. BGHZ 115, 311, 317 ff.; BGH NJW 2007, 2540 Tz. 17).
--- Ende Zitat ---
.
Wer da behaupten will, man müsse nur eine Schublade aufziehen und fände darin die Billigkeit, der sucht lange.
Richtig ist aber auch, dass der Gesetzgeber gefragt ist, seine Richter an die Leine zu nehmen.
Ein Richter, der 25-mal am Tag den Begriff \"Ermessensspielraum\" in den Mund nimmt und dabei an die 20 %-Marke der Honorare der Patentanwälte denkt, wird zwangsläufig zunächst einmal nicht auf die maßgeblichen gesetzlichen Vorgaben stoßen, welche in §§ 1 u. 2 EnWG geregelt sind.
Wenn der die Kurve über § 433 Abs. 2 BGB zu § 315 Abs. 3 BGB hin bekommen hat (und nicht weiter liest), dann ist der Schluß darauf, was daran nicht interessengerecht sei, wenn der Abnehmer am Jahresende 20,00 € mehr zahlt, recht nahe.
Die Prüfung hört damit eigentlich dort schon auf, wo sie eigentlich anfängt. Der Gewinn, so der Kartellsenat, liegt in der Berücksichtigung
(a) der typischen Interessenlage
und
(b) der maßgeblichen gesetzlichen Vorgaben.
Und wer dann noch weiter liest, um den maßgeblichen gesetzlichen Vorgaben gerecht zu werden, der muß dann zwangsläufig auf derart klare und bestimmte Vorgaben stoßen, wie sie in § 10 EnWG 2005 nieder gelegt sind.
Doch wer die Bestimmungen gem. §§ 1 u. 2 EnWG unter dem Vorzeichen liest, \"der Geist war willig, doch das Fleisch so schwach\", der findet bald sein Ruhekissen - und begnügt sich mit Zeugenaussagen von Sachbearbeitern und WP-Atlaten (ohne überhaupt zu wissen, von was die dann da reden (\"das Wetter ist schön, die Sonne scheint und bald gibts a Brotzeit\").
RR-E-ft:
BGH KZR 29/06 Rn. 20 stützt meine Auffassung, dass sich die gesetzliche Leistungsbestimmungspflicht des Allgemeinversorgers aus § 10 Abs. 1 EnWG 1998 selbst ergab.
M.E. ergibt sich auch die gesetzliche Preisbestimmungspflicht des Grundversorgers unmittelbar aus § 36 Abs. 1 EnWG selbst. Ich meine, dass wegen der Preisbestimmungspflicht des Grundversorgers und dessen einseitiger Leistungsbestimmungspflicht gem. § 315 Abs. 1 BGB, die im laufenden Vertragsverhältnis fortbesteht, weder bei Abschluss des Grundversorgungsvertrages noch später eine Preisvereinbarung mit dem Kunden getroffen wird, sich der vom Kunden zu zahlende Preis sich vielmehr jederzeit nur aus der einseitigen Leistungsbestimmung des Grundversorgers in Erfüllung dessen gesetzlicher Preisbestimmungspflicht ergibt. Die einseitige Preisbestimmungspflicht des Versorgers allein bildet m.E. die vertragliche Preishauptabrede. Dies ist auch für Vertragsabschlüsse im Bereich des Kaufrechts möglich. § 433 Abs. 2 BGB steht dem also nicht entgegen.
Dafür, dass es sich bei der Preisbestimmungspflicht des Versorgers um die vertragliche Preishauptabrede handelt, spricht m. E. die vertragsgegenständliche Regelung des § 6 Abs. 1 Satz 2 GVV, wonach der Grundversorger die Energie zu den jeweiligen Allgemeinen Preisen zur Verfügung zu stellen hat [hinsichtlich derer ihn allein die Preisbestimmungspflicht trifft].
§ 5 GVV räumt dem Versorger kein Preisänderungsrecht ein, sondern regelt, wie dieser imlaufenden Vertragsverhältnis seine aus § 36 Abs. 1 EnWG folgende Preisbestimmungspflicht auzuüben hat. Es handelt sich um eine besondere Regelung in Abweichung von § 315 Abs. 2 BGB. Um mehr nicht.
BGH KZR 29/06 Rn. 27 stützt meine Auffassung, dass dem Antrag des anderen Vertragsteils auf Ersatzbestimmung gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB allzuleicht der Erfolg versagt sein kann, nämlich dann, wenn wegen fehlender Darlegungen der zur einseitigen Leistungsbestimmung berufenen Partei offen geblieben ist, ob deren einseitige Leistungsbestimmung der Billigkeit entsprach oder nicht (so schon BGH VIII ZR 240/90 am Ende).
Ebenso wie für die gesetzliche Leistungsbestimmungspflicht des Allgemeinversorgers gem. § 10 Abs. 1 EnWG 1998 fehlte es auch für die gesetzliche Leistungsbestimmungspflicht des Netzbetreibers gem. § 6 EnWG 1998 (über § 1 EnWG hinaus) vollständig an gesetzlichen Regelungen. Insbesondere bei den Preisfindungsprinzipien der VVII bzw. VVII plus handelte es sich nicht um gesetzliche Regelungen für die Ermittlung des Netznutzungsentgelts. Deren Anwendung konnte jedoch vertraglich vereinbart werden. Die Verpflichtung aus § 1 EnWG musste auch bei der Ermittlung der Netzentgelte berücksichtigt werden (so ebenfalls schon BGH VIII ZR 240/90 für die einseitige Bestimmung eines Strompreises).
Auf die Unbilligkeitseinrede des Kunden hat der Grundversorger m.E. nachvollziehbar und prüffähig darzulegen, warum er meint, dass der von ihm bestimmte Preis dem Kunden die vom Versorger gesetzlich geschuldete möglichst preisgünstige, effiziente Versorgung ermöglicht. Und er hat dies (nach den erfolgten nachvollziehbaren und prüffähigen Darlegungen) auf Bestreiten des Kunden im Prozess ggf. zu beweisen.
An dieser Stelle greift § 93 ZPO.
PLUS:
Es geht mir nicht um Zweifel an der Preisbestimmungspflicht des Grundversorgers oder um die Frage nach der vertragliche Preishauptabrede. Es geht mir um eine notwendige Ergänzung dazu, es geht um die Technik, um Instruktion, um allgemeinverbindliche Regeln zur Feststellung der Billigkeit, mindestens im Grundversorgungsbereich. Hier sehe ich keinen Fortschritt und gerade bei der Lektüre von Urteilen und den seitenfüllenden juristischen Auseinandersetzungen ein ungelöstes grundlegendes Defizit. Bei der Bedeutung für die Menschen ist das kein Zustand.
--- Zitat ---Art 80 GG
(1) Durch Gesetz können die Bundesregierung, ein Bundesminister oder die Landesregierungen ermächtigt werden, Rechtsverordnungen zu erlassen. Dabei müssen Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetze bestimmt werden. Die Rechtsgrundlage ist in der Verordnung anzugeben............
--- Ende Zitat ---
RR-E-ft:
Das geht doch gar nicht.
Die vom Grundversorger beeinflussbaren Kosten sind allein die Beschaffungskosten und die eigentlichen Vertriebskosten der Grundversorgung.
Der Gesetzgeber gibt in §§ 2, 1 EnWG vor: möglichst sicher, preisgünstig, effizient.
Damit ist vom Gesetzgeber alles gesagt, was zu sagen ist.
Die Beschaffungskosten hängen maßgeblich ab von der Beschaffungsstrategie, also davon wo und zu welchen Bedingungen sich der Versorger die Energie beschafft, um den Bedarf der Kunden möglichst sicher, preisgünstig und effizient zu decken.
Und derer Möglichkeiten zur Beschaffung wie auch der Konditionen gibt es mannigfaltige (kurzfristig, langfristig, mit Preisänderungsklausel oder ohne, Bandlieferung oder Vollversorgung, mit take or pay- Klausel oder ohne...).
Soll der Gesetzgeber den Grundversorgern etwa exakt vorschreiben, wo und zu welchen Bedingungen sie die Energie zu beschaffen haben, um den Bedarf der Kunden möglichst sicher, preisgünstig und effizient zu decken?
Das Gesetz weist so eindeutig wie zutreffend den Versorgern die Kompetenz zu, ihre gesetzliche Verpflichtung aus §§ 2, 1 EnWG zu erfüllen.
Ist wirklich jemand der Meinung, der Gesetzgeber könnte hinsichtlich der Beschaffungsstrategie klüger sein als die mit besonderem Sachverstand ausgestatten Versorger und ihnen deshalb deren Beschaffungsstratgie vorschreiben?
Wenn es zum Streit kommt, hat der Versorger nachvollziehbar und prüffähig darzulegen, dass er seine gesetzliche Verpflichtung aus §§ 2, 1 EnWG (möglichst sicher, preisgünstig, effizient) erfüllt hat und dies auf Bestreiten im Prozess zu beweisen.
Natürlich kann der Kunde ohne die erforderlichen nachvollziehbaren und prüffähigen Darlegungen des Versorgers relativ schlecht einschätzen, ob die Preisbestimmung des Versorgers der Billigkeit entspricht oder nicht.
Deshalb greift ja gerade § 93 ZPO im Zahlungsprozess des Versorgers gegen den Kunden, der nach der sehr leicht erhobenen Unbilligkeitseinrede gem. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB seine Zahlungen ebenso leicht und einfach gekürzt hatte.
Leicht und einfach steht bei mir synonym für effektiv.
Für halbwegs unsinnig halte ich den Weg, wie er der Entscheidung BGH KZR 29/06 zu Grunde lag (Rückforderungsklage nach Vorbehaltszahlungen im Wege der Stufenklage: Auskunft über preisbildende Kostenfaktoren, sodann gerichtliche Ersatzbestimmung gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB, sodann Bezifferung des Rückforderungsanspruchs). Viel zu kompliziert und vor allem auch unnötig.
Der Streit darüber, ob der Versorger seine gesetzliche Verpflichtung aus §§ (36 I), 2, 1 EnWG erfüllt hat, gehört für mich gem. §§ 108, 102, 103 EnWG erstinszanzlich vor die besonderen Kammern bei den Landgerichten.
Dabei eingeholte gerichtliche Sachverständigengutachten können gem. § 411a ZPO in Parallelverfahren verwendet werden.
Weil die Preisbestimmungen des Grundversorgers in Ausübung seiner gesetzlichen Preisbestimmungspflicht immer alle seine grundversorgten Kunden gleichermaßen betrifft, die Frage der Billigkeit der Preisbestimmung einheitlich zu beurteilen ist, wäre ein besonderes Klagerecht der Verbraucherverbände wünschenswert, wie es bereits im Gesetzgebungsverfahren zum EnWG 2005 in der Diskussion war.
Navigation
[0] Themen-Index
[#] Nächste Seite
[*] Vorherige Sete
Zur normalen Ansicht wechseln