@eislud
Entega gibt sich ja mächtig Mühe, Sie unter ihre AGB-Fittiche zu bringen. Für den Hinweis auf die BGH-Entscheidung vom
11.10.2007 III ZR 63/07 besten Dank.
Dieser Hintergrund zu Änderungsvorbehalten in den AGB hat mir noch in meiner Heimwerkersammlung gefehlt.
Bei erster Betrachtung scheint der dort verhandelte Sachverhalt jedoch nicht ganz deckungsgleich mit dem Entega-Änderungsvorbehalt in deren AGB zu sein.
Man muss also prüfen, was aus den Begründungen der Entscheidung für den Entega-Fall zu verwenden ist, um dann eine Antwort auf die Frage zu finden, ob man auf die neuen AGB reagieren soll oder nicht. Offenbar haben Sie die schon gefunden.
Ich mach’ mal einen Versuch mit meinen Bordmitteln, wobei ich mich auf die Rd.Nr. 27 – 32 der BGH-Entscheidung konzentriere:
Während der BGH über einen sehr breiten Vorbehalt entschieden hat, der sich auf die gesamten AGB sowie auf Leistungs- und Produktbestimmungen erstreckt, fordert Entega ihre Änderungsbefugnis nur bei Änderung der gesetzlichen Grundlagen und bei einer Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Außerdem auch nur, wenn die Rechtmäßigkeit einzelner Regelungen angekratzt wird. Der Änderungsvorbehalt scheint also enger gefasst, und eigentlich ist es ja der Gesetzgeber und der BGH mit seiner Übernahmerechtsprechung, die gemeinsam hier den Änderungsaufwand erzeugen. Entega sieht sich gewissermaßen veranlasst, nur noch zu folgen, - umzusetzen, zu übernehmen. So hat sie jedenfalls sinngemäß im Dez 2008 neue AGB ihren Bestandskunden angedient.
Dessen ungeachtet kann der Versorger nach meiner Einschätzung aber auch mit diesem Instrument den gesamten Vertrag inhaltlich wesentlich umgestalten, und darauf kommt es an.
In der Rd. Nr. 32 der Entscheidung habe ich dann tatsächlich den gesuchten durchschnittlichen Verbraucher, wie ich nun mal auch einer bin, wiedergefunden: Mir wird nämlich allein schon schwindlig, wenn ich das Kleingedruckte aus der Ferne sehe. Der Zustand geht dann sogar in eillose Verwirrung über, wenn außerdem auch noch verschachtelte Änderungsvorbehalte wie in Ziffer 14. der Entega-AGB, Stand 4/2010, über mich herfallen. In diesem Zustand laufen nur noch reflexartige Handlungen ab. Die linke Hand greift zum Locher, die rechte sucht den Ordner, um dieses Werk schleunigst wegzuheften. Danach ordnet sich wieder der Geist. Gelassene Ruhe tritt ein, und ich vertraue den guten Absichten des Versorgers, die im Mantel der kundenfreundlichen Gestaltung daherkommen.
So oder so ähnlich, vielleicht nicht ganz so dramatisch, scheint auch der BGH den durchschnittlichen Verbraucher einzuschätzen, der schlimm unter die Räder kommen kann, wenn ein fingierter Konsens, manchmal auch als Genehmigungsfiktion bezeichnet (genehmigt, wenn nicht widersprochen), ungehemmte Wirkung entfalten würde. Hier beginnt dann der Schutzengeleffekt zu greifen.
Nach Prüfung unter Zuhilfenahme der §§ 307 ff BGB muss sich nämlich herausstellen, ob die vom Versorger „beanspruchten Wirkungen der fingierten Erklärung den Kriterien dieser Bestimmungen standhalten“, Rd. Nr. 30. Vom Ergebnis dieser Inhaltskontrolle hängt es also ab, ob überhaupt ein fingierter Konsens ausreicht, um Zustimmung zu erzeugen.
Der eigentliche Konsens ist nicht schon im Vorhinein verbaut. Änderungen einzelner Details der AGB können mit einer Genehmigungsfiktion durchaus umsetzbar sein. Verworfen wird die aber, wenn Änderungsvorbehalte, essentielle Auswirkungen auf den Vertrag haben können. Beispielsweise, wenn das Vertragsverhältnis weitreichend umgestaltet werden könnte oder das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung, umschrieben als Äquivalenzverhältnis, sich zu Gunsten des Versorgers verschiebt und gleichzeitig die Position des Kunden entwertet wird, Rd. Nr. 31.
In diesen Fällen wird der Kunde entgegen dem Gebot von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt. Will der Versorger in diesem Umfang ändern, muss er kündigen, einen andere Anlauf zur Vertragsgestaltung nehmen und dabei die erforderliche Zustimmung unmittelbar im Einvernehmen mit dem Kunden erwirken. Eine Zustimmungsfiktion reicht dazu nicht aus, Rd.Nr. 32.
Was sagt mir das jetzt aber für den konkreten Änderungsvorbehalt der Entega in
Ziffer 14.? Wie soll ich als durchschnittlicher Verbraucher überhaupt erkennen, dass mit Änderungen, deren Ursprung möglicherweise in der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu suchen sind, essentielle Veränderungen in meinem Vertrag losgetreten werden und insbesondere, wenn diese auch noch in der Zukunft liegen?
Es könnte ja sein, dass der Versorger schon wieder auf den nächsten
obiter dicta wartet.
M.E. wird mir aus diesem Dilemma nur mit einer gedanklichen Konstruktion herausgeholfen:
1. Beziehen sich die Änderungen auf einfache Details, unwesentliche Formalien, oder wird tatsächlich nur verständlicher formuliert, dann wird mich das nicht sonderlich tangieren, dann soll die Genehmigungsfiktion Wirkung entfalten. Ich kann also getrost schweigen und damit genehmigen.
2. Führt die Entega jedoch essentielle Änderungen im Vertragsverhältnis im Schilde, dann scheitert der Änderungsvorbehalt bei der Inhaltskontrolle und der fingierte Konsens wird zum Flop, mein Schweigen bleibt wirkungslos.
Im Streitfall wird dies ein Gericht feststellen müssen.
Vielleicht sollte man eine solch essentielle Vertragsumgestaltung einmal an einem realistischen Beispiel durchspielen.
Mit diesen Überlegungen fällt meine Entscheidung zu Gunsten des Schweigens. Und damit bin ich an der Seite von eislud gelandet.
Interessant ist, dass dabei aus dem Hintergrund die mit einem Anflug von Satire behaftete Hamstertheorie aufscheint. Die sagt:
„Du sollst still wie ein Hamster im Kornfeld sitzen und fressen,
während rings um Deinen Acker
die Welt in hektischer Betriebsamkeit
ihre Energie aufzehrt.“
Gruß
Jagni