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Autor Thema: Preiserhöhung bei langfristigen Verträgen  (Gelesen 7123 mal)

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Offline muggel

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Preiserhöhung bei langfristigen Verträgen
« am: 12. Mai 2010, 11:00:01 »
Hallo Zusammen,
ich bin neu hier und habe gerade versucht mich einzulesen.

Ich suche Informationen zu einem bestimmten Punkt. Sollte es bereits Informationen dazu geben, würde ich mich auch über einen Link zu der entsprechenden Info freuen.

Und darum geht es :

Wenn ich als Kunde langfristig an einen Anbieter gebunden bin, und dieser die Preise erhöht (eine Preisanpassung aber nicht explizit im Vertrag geregelt ist)  habe ich dann als Kunde ein Sonderkündigungsrecht oder sollte ich der Preiserhöhung widersprechen und auf die festgelgten Konditionen bestehen ?


Danke für Ihre Unterstützung

Offline muggel

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Preiserhöhung bei langfristigen Verträgen
« Antwort #1 am: 12. Mai 2010, 11:41:40 »
Oh ich glaube ich habs doch in das falsche Forum geschrieben...
Könnte das bitte jemand verschieben ?
Danke  :)

Offline RR-E-ft

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Preiserhöhung bei langfristigen Verträgen
« Antwort #2 am: 12. Mai 2010, 11:52:46 »
Was wird denn unter einem \"langfristigen Vertrag\"  verstanden?

Es gibt Sonderverträge mit vereinbarter (Mindest-) Vertragslaufzeit.
Ist von Anfang an eine Vertragslaufzeit vereinbart, nach welcher der Vertrag endet, spricht man von einem befristeten Vertrag.

Daneben gibt es unbefristete Vertragsverhältnisse.
Bei letzteren unterscheidet man die Grundversorgung und Sonderverträge außerhalb der Grundversorgung.

Bei der Grundversorgung besteht ein gesetzliches Leistungsbestimmungsrecht des Grundversorgers, das der Billigkeitskontrolle unterliegt. Der allgemeine Tarif ist an den Maßstab der Billigkeit gebunden,was die Verpflichtung des Versorgers zu Preisanpassungen zugunsten der Kunden einschließt.

Bei Sonderverträgen bedarf es für eine einseitige Preisänderung einer in den Vertrag wirksam einbezogenen Preisänderungsklausel, welche als Allgemeine Geschäftsbedingung gemessen an § 307 BGB wirksam ist (BGH VIII ZR 56/08, VIII ZR 326/08].

Für die Verwendung einer Preisänderungsklausel in AGB, mit welcher von der gesetzlichen Regelung abgeweichen wird, dass der bei Vertragsabschluss vereinvarte Preis für beide Seiten bis zur Vertragsbeendigung bindend ist, bedarf es einer inneren Rechtfertigung, eines rechtlich anerkannten Interesses des Klauselverwenders. Ein solches wird bei unbefristeten und langfristigen Verträgen von der Rechtsprechung anerkannt, bei zeitlich befristeten Verträgen, deren Laufzeit kurz bemessen ist, hingegen nicht.

Fehlt es an einer solchen wirksamen Preisänderungsklausel, sind einseitige Preisänderungen unwirksam (BGH VIII ZR 320/07, VIII ZR 225/07, VIII ZR 81/08].

Offline muggel

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Preiserhöhung bei langfristigen Verträgen
« Antwort #3 am: 12. Mai 2010, 12:19:37 »
es geht dabei um die Einjahresverträge (oder ähnliches).

Vielen Dank für die schnelle Antwort.

Das bedeutet, wenn ich es richtig verstehe, daß bei Verträgen, die sich bei Nichtkündigung durch den Kunden, z.b um ein weiteres Jahr verlängern, nur dann eine Preisanpassung möglich ist, wenn  die entsprechende Preisänderungsklausel im Vertrag steht.

Offline bolli

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Preiserhöhung bei langfristigen Verträgen
« Antwort #4 am: 12. Mai 2010, 13:15:02 »
Zitat
Original von muggel
es geht dabei um die Einjahresverträge (oder ähnliches).

Vielen Dank für die schnelle Antwort.

Das bedeutet, wenn ich es richtig verstehe, daß bei Verträgen, die sich bei Nichtkündigung durch den Kunden, z.b um ein weiteres Jahr verlängern, nur dann eine Preisanpassung möglich ist, wenn  die entsprechende Preisänderungsklausel im Vertrag steht.

Als Klarstellung sei erläutert, dass es sich bei einem Vertrag mit einjähriger Laufzeit im  juristischen Sinne eher nicht um einen \"Langfristvertrag\" handelt. Der BGH hat hier schon mehrfach entschieden, dass es dem Vertragspartner zuzumuten sei, für ihn negative Folgen aus einem solchen Vertrag bis zum Ende der Vertragslaufzeit bzw. bis zum Wirksamwerden der Kündigung \"zu ertragen\".

Ob Sie bei einer Preiserhöhung ein Sonderkündigungsrecht haben oder nicht, sollte sich aus dem Vertrag ergeben. Ist ein solches dort nicht vereinbart, haben Sie es auch nicht. Eine gesetzliche Regelung dafür gibt es bei einem solchen Vertrag mit einjähriger Laufzeit meines Wissens nicht und eine diesbezügliche Rechtsprechung kenne ich auch nicht.

Neben der konkreten Preisanpassungsklausel im Vertrag (die bei Ihnen ja augenscheinlich nicht enthalten ist) könnte meines Wissens auch die gesetzliche Regelung gem. § 5 Abs 2 GasGVV (oder alt § 4 AVBGasV) als Grundlage dienen. Voraussetzung dafür wäre jedoch dass diese Regelung wirksam in den Vertrag eingebunden wurde, was z.B. voraussetzt, dass Ihnen diese GasGVV (oder halt die AVBGasV) beim Vertragsschluss vom Versorger mit übergeben wurde. Sollte dieses nicht der Fall sein, dürfte wohl keine wirksame Preisanassungsregelung in Ihrem Vertrag vorhanden sein und sie können den ruhig widersprechen (müssen Sie auch tun, und zwar schriftlich). bei Strom gibt es adäquate Regelungen zu den o.g..

Solange Ihr Versorger Ihnen nicht kündigt werden Sie sodann zu den \"alten\" Konditionen weiter beliefert und Sie sollten dann auch nur diese Preise bezahlen.

Offline RR-E-ft

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Preiserhöhung bei langfristigen Verträgen
« Antwort #5 am: 12. Mai 2010, 13:53:18 »
Verträge, die eine Mindestvertragslaufzeit mit automatischer Verlängerung um eine weitere befristete Zeit vorsehen, wenn nicht zuvor gekündigt wird, gelten als unbefristete Verträge bzw. werden diesen im Hinblick auf ein anrekanntes Interesse an der Verwendung von Preisänderungsklauseln gleichgestellt (BGH VIII ZR 225/07 Rn. 22).

Zur wirksamen Eineziehung Allgemeiner Geschäftsbedingungen (auch einer Preisänderungsklausel innerhalb solcher) ist es gem. § 305 II BGB notwendig, dass der Kunde vor Vertragsabschluss die Möglichkeit der Kenntnisnahme hatte und er bei Vertragsabschluss mit der Einbeziehung einverstanden war (vgl. LG Gera, Urt. v. 07.11.08 Az. 2 HK O 95/08].

Preisänderungsklauseln in Energielieferverträgen unterliegen der Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB. Die Klausel muss tatabestandlich und rechtsfolgenseitig die Änderung des zunächst fest vereinbarten Preises  klar regeln. Es muss eine klare Verpflichtung zur Preisabsenkung bei rückläufigen Kosten enthalten sein.

Offline bolli

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Preiserhöhung bei langfristigen Verträgen
« Antwort #6 am: 12. Mai 2010, 16:16:12 »
Zitat
Original von RR-E-ft
Verträge, die eine Mindestvertragslaufzeit mit automatischer Verlängerung um eine weitere befristete Zeit vorsehen, wenn nicht zuvor gekündigt wird, gelten als unbefristete Verträge bzw. werden diesen gleichgestellt.
Das ist aber nicht der Fall für die Konstellation, wo der BGH sagt, dass einem Vertragspartner (in dem Fall der Versorger) zugemutet werden kann, im Fall einer fehlenden oder unwirksamen Preisanpassungsklausel eben keine Deutung des Vertrags in dieser Hinsicht vorzunehmen sondern diesen Vertrag regulär zu kündigen und sich somit der (für ihn) negativen Rechtsfolgen zu \"entledigen\", oder ?

Offline RR-E-ft

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Preiserhöhung bei langfristigen Verträgen
« Antwort #7 am: 12. Mai 2010, 16:36:28 »
@bolli

Da wird wohl offensichtlich etwas verwechselt/ missverstanden.

Die juristische Prüfung erfolgt immer in mehreren Stufen, Schritt für Schritt.

Für die Verwendung von Preisänderungsklauseln bedarf es zunächst grundsätzlich einer inneren Rechtfertigung, eines berechtigten Interesses des Klauselverwenders an einer Preisänderungsklausel im Vertrag.
Mit diesen wird von der gesetzlichen Regelung abgewichen, wonach der vereinbarte Preise für beide Teile für die Dauer der Vertragslaufzeit / die gesamte Vertragsdurchführung bindend ist. Ein solches berechtigtes Interesse wird bei längerfristigen und unbefristeten Verträgen regelmäßig angenommen (BGH VIII ZR 304/08 Rn. 33, 34).

Ein solches berechtigtes Interesse kann jedoch auch bei unbefristeten/ längerfristigen Verträgen bezogen auf eine konkrete Art der Preisänderung fehlen (BGH, aaO., Rn. 36).

Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob eine (im Grundsatz zulässige)  Preisänderungsklausel der Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB im Übrigen standhält oder aber unwirksam ist (BGH, aaO. Rn. 43 ff.).

Hiervon wiederum zu unterscheiden ist die Frage, ob dem Versorger im Falle der Unwirksamkeit der Preisänderungsklausel ein Preisänderungsrecht im Wege ergänzender Vertragsauslegung zuzubilligen ist.

Für eine solche ergänzende Vertragsauslegung fehlt regelmäßig die Grundlage, wenn sich der Versorger in zeitlich überschaubarem Rahmen durch ordnungsgemäße Kündigung aus dem Vertragsverhältnis lösen kann (BGH VIII ZR 320/07 Rn. 43 ff., VIII ZR 81/08 Rn. 26 ff.).

Letzteres hat mit der Frage, ob überhaupt ein berechtigtes Interesse an der Verwendung einer Preisänderungsklausel besteht, die ganz am Anfang zu prüfen ist, nichts zu tun. Wenn schon grundsätzlich kein berechtigtes Interesse an der Verwendung einer Preisänderungsklausel besteht, besteht erst Recht keine Grundlage für die Einräumung eines Preisänderungsrechts im Wege ergänzender Vertragsauslegung.

Offline bolli

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Preiserhöhung bei langfristigen Verträgen
« Antwort #8 am: 14. Mai 2010, 01:13:18 »
@RR-E-ft
Nun, theoretisch haben Sie ja mit Ihren Ausführungen Recht, aber wie wahrscheinlich ist es denn, dass bei einem unbefristeten Vertrag KEIN berechtigtes Interesse an einer Preisänderungsklausel besteht ? Sie zitieren ja selbst BGH VIII ZR 304/08 Rn. 33, 34, wonach ein solches Interesse REGELMÄ?IG angenommen wird. Also ist das andere eher der Ausnahmefall, der zwar generell zu prüfen ist aber eher selten vorkommt und hier schon gar nicht im einzelnen ohne Sachverhaltskenntnis des Einzelfalls erörtert werden kann.

Wenn aber dieses berechtigte Interesse eben in der Regel sehr wohl besteht, käme auch die ergänzende Vertragsauslegung wieder ins Spiel. Aber auch die wäre ja nur ein Nebenkriegsschauplatz, da sie ebenfalls in der Regel ja nicht zum Zuge kommt, da man die meisten Verträge (auch sich automatisch verlängernde) ja (meistens) kündigen kann.

Offline jofri46

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Preiserhöhung bei langfristigen Verträgen
« Antwort #9 am: 14. Mai 2010, 14:09:07 »
M. W. hat der BGH schon einmal bei langfristigen Verträgen mit unwirksamer Preisanpassungsklausel dennoch Preisänderungen im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung für zulässig gehalten. Es ging dort um einen auf zehn Jahre fest abgeschlossenen Mietvertrag für eine Telefonanlage (NJW 1990, S. 115).

Offline RR-E-ft

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Preiserhöhung bei langfristigen Verträgen
« Antwort #10 am: 14. Mai 2010, 17:07:41 »
@bolli

Es kommt nicht auf Wahrscheinklichkeiten an, sondern jeder Fall ist anhand der aufgezeigten Prüfungsreihenfolge Schritt für Schritt gesondert zu prüfen.

Mit Wahrscheinlichkeiten lässt sich an der Losbude rechnen (Wenn man die Gesamtanzahl der Lose; die Anzahl der Lose, auf welche ein Gewinn entfällt und die Anzahl der bereits gezogenen Lose [ggf. Anzahl der bereits gezogenen Lose mit Gewinnberechtigung] kennt).

@jofri46

Auch bei einem auf 10 Jahre fest abgeschlossenen Gaslieferungsvertrag, der innerhalb der zehnjährigen Vertragslaufzeit nicht ordnungsgemäß gekündigt werden kann,  kann im Falle einer unwirksamen Preisänderungsklausel eine ergänzende Vertragsauslegung geboten sein.

Eine ergänzende Vertragsauslegung  hat jedoch zur weiteren Voraussetzung, dass sich ein hypothetischer Parteiwille dazu ermitteln lässt, wie die Parteien Anpassungen vornehmen wollten, wenn ihnen die Unwirksamkeit der Klausel bekannt gewesen wäre. Lässt sich ein solcher hypothetischer Parteiwillen nicht feststellen, hindert dies eine eigentlich gebotene ergänzende Vertragsauslegung (vgl. BGH VIII ZR 320/07 Rn. 46).

Kann eine gebotene ergänzende Vertragsauslegung aus letztgenannten Gründen nicht erfolgen, werden wohl die Voraussetzungen für eine vorzeitige Vertragsauflösung gem. §§ 314, 313 BGB vorliegen.
Ein entsprechendes außerordentliches Kündigungsrecht löst dabei das Problem für die Zukunft.

 

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