@Lothar Gutsche
Die Tarifkundenrechtsprechung ist doch bei BGH VIII ZR 36/06 nicht stehen geblieben, sondern hat in VIII ZR 138/07 und VIII ZR 314/07 eine Fortsetzung gefunden.
Und demnach (VIII ZR 138/07 Rn. 43) können nicht alle tatsächlichen Bezugskostenerhöhungen weitergegeben werden, sondern wegen § 1 EnWG nur solche, die zur
Anpassung an die Marktverhältnisse erforderlich und angemessen sind. Diese
Marktverhältnisse werden m. E. wegen der Importabhängigkeit der Gasversorgung bestimmt durch die
nominale Entwicklung der Erdgasimportpreise, die vom BAFA veröffentlicht werden. Auf diese stellt auch der Monitoringbericht der BNetzA für die Entwicklung der Großhandelspreise ab. Einen anderen Anhalt als die BAFA- Erdgasimportpreise gibt es für die Marktverhältnisse gar nicht, allenfalls noch die EEX- Notierungen seit 2007 und weitere Spotmarktnotierungen.
Demzufolge dürfte ein Bezugskostenanstieg (völlig unabhängig davon, auf welcher vertraglichen Grundlage das Gas beschafft wurde), der über den nominalen Anstieg der Erdgasimportpreise hinausgeht, billigerweise nicht an die Kunden weitergewälzt werden. Untunlich ist es deshalb, sich- wie oft geschehen - an dem Begriff \"Ölpreisbindung\" festzubeißen.
Die beschriebene Ölpreisbindung in den Importverträgen und die daraus resultierenden
Marktverhältnisse auf der Großhandelsebene (repräsentiert durch die BAFA Erdgasimportpreise) wird man als festes Datum hinzunehmen haben. An diesen können auch die Stadtwerke
beim besten Willen nichts ändern.
Kontrollüberlegung:An den maßgeblichen
Marktverhältnissen auf der Großhandelsebene ändert sich auch dann nichts, wenn die Stadtwerke Gas nicht aufgrund langfristiger Lieferverträge mit HEL- Klausel, sondern Gas von Tag zu Tag am Markt beschaffen.
Im Prozess ist es Sache des Tarifkunden, hierzu Vortrag zu halten.
Fast mundgerecht siehste hier..
In BGH VIII ZR 138/07 kommt zum Ausdruck, dass entsprechender Vortrag dort (noch) nicht gehalten worden sei. Der ist deshalb nach Zurückverweisung an das LG Duisburg noch tunlichst nachzuholen. Das wissen auch Herr Wrede und dessen Prozessbevollmächtigte, die hier fleißig mitstudieren. Auch bei heißem Herzen gilt es also immer kühlen Kopf zu bewahren. Wer
nur reflexhaft ruft: \"Ölpreisbindung geht gar nicht!\", dem wird damit kein Erfolg beschieden sein. Den Gerichten erschien dies womöglich \"auf Krawall gebürstet\". Das und nichts anderes ergab sich aus BGH VIII ZR 36/06, auch wenn es von der Gaswirtschaft gern anders interpretiert wurde. Dort dachte man,
jedweder Bezugskostenanstieg sei \"abgesegnet\". Irrtum.
Aufgrund des gleichen Mißverständnisses sollte man auch nicht auf eine angebliche \"Rechtsprechung\" einprügeln. Es bedarf bei genauer Betrachtung auch keiner Revision (\"revidieren\"). Es steht zu erwarten, dass sich die Urteilsbgründungen mit der Frage der \"
Marktverhältnisse\" etwas differenzierter befassen.
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Wenn sich - wie derzeit - die Marktverhältnisse durch einen zunehmend liquiden Gasmarkt (Spotmarkt) ändern, dann verspüren selbst Importeure wie E.ON Ruhrgas erheblichen Druck, in den Importverträgen etwas an der dortigen Ölpreisbindung zu ändern. Und wie die Berichterstattung über die Auseinandersetzung zwischen E.ON Ruhrgas und Gazprom deutlich zeigt, geht dann auch dort etwas.
Siehste hier. Plötzlich ist davon die Rede, dass fortan Teilmengen ohne Ölpreisbindung importeiert werden.
E.ON Ruhrgas hatte bereits im September 2005 erklärt, dass Gasmengen aufgrund langfristiger Importverträge ohne Ölpreisbindung importiert werden. Letzteres erscheint jedoch erlogen gewesen zu zu sein, um die Beanachteiligung einzelner Kundengruppen zu kaschieren. Wenn es denn so gewesen wäre, dass Kraftwerksbetreiber das Gas zu relativ stabilen Gaspreisen bekamen, ist natürlich fraglich, womit E.ON die Strompreiserhöhungen rechtfertigen wollte. Ölkraftwerke spielen im deutschen Energiemix keine Rolle. Als Grund für die gestiegenen Strompreise wurden u.a. gestiegene Gaspreise angeführt, die nun einmal an den Ölpreis gebunden seien....
Fazit:
Die
Marktkräfte überwinden die
nicht marktgerechte Ölpreisbindung von selbst, wenn nur marktkonforme Verhältnisse herrschen, also keine Marktabschottungen durch langfristige Verträge und Demarkationen sowie daraus resultierende Monopolstellungen. Hierzu haben das Bundeskartellamt und der Kartellsenat des BGH durch das Verbot langfristiger Bezugsbindungen (Langfristverträge E.ON Ruhrgas) maßgebliche Impulse gesetzt.
Man könnte auch sagen, der BGH habe nun mit der Lebenslüge der Gaswirtschaft aufgeräumt, man könne den Marktpreis für Erdgas in einer mathematischen Formel antezipieren. Wer Gas zu Preisen bezieht, die sich nach entsprechenden mathematischen Formeln ergeben, bezieht das Gas gerade nicht zu marktgerechten Preisen.