Forum des Bundes der Energieverbraucher

Autor Thema: Stadtwerke überziehen beim Gaspreis  (Gelesen 3334 mal)

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Stadtwerke überziehen beim Gaspreis
« am: 06. Februar 2010, 00:32:38 »
Siehste hier.

Um ca. 1,5 Ct/kWh wurden die Gaspreise zum 01.10.08 drastisch erhöht.

Und seit dem nicht wieder abgesenkt, obschon die Großhandelspreise zwischenzeitlich (bedingt durch die Ölpreisbindung?) eine absolute Talfahrt hinlegten.

Andernorts sollen sich die Gaspreise derzeit auf dem Preisstand 2005 bewegen. Siehste hier.

Andere Stadtwerke senkten Gaspreis mehrfach in Folge. Bundesweit senkten Grundversorger den Gaspreis um über 24 Prozent ab.

singuläre Ausnahme: JENA.

Es ist wohl bundesweit kein anderer Versorger bekannt, der zum Oktober 2008 die Gaspreise ebenso massiv angehoben und hiernach nicht wieder abgesenkt hatte.

Über deutlich gesunkene  Gaspreise zugunsten der Gaskunden in 2009 berichtet auch der ostdeutsche Lobbyverband der Gaswirtschaft  \"Forum Erdgas\". Die Jenaer Stadtwerke sind deren Mitglied.

Hinzu tritt, dass der Vertriebsleiter der Stadtwerke, Herr Schöttke, sich im Juni 2008 in der Jenaer Presse so geäußert hatte, dass die Gasbezugskosten der Stadtwerke aufgrund einer internationalen Ausschreibung und günstiger Bezugskonditionen (wohl ohne Ölpreisbindung) aufgrund eines Zweijahresvertrages nicht wie andernorts angekündigt steigen werden, sondern nur um einen kleinen Tick (ca. 0,1 Ct/ kWh).

TLZ/ OTZ Jena berichteten wie folgt:


Zitat
Möglich ist das, weil der Energieversorger Ende 2007 seine Gaslieferverträge neu ausgeschrieben und sich auf einen Deal mit dem Großhändler eingelassen hatte: Statt nur für ein Jahr gilt der Liefervertrag für zwei Jahre. Der exorbitante Anstieg des Ölpreises, an den der Gaspreis gekoppelt ist, war damals noch nicht abzusehen. Den erzielten Preisvorteil geben die Stadtwerke nun an ihre Kunden in Jena und Pößneck weiter.

Zitat
Frank Schöttke erinnerte daran, dass die Stadtwerke Anfang des Jahres Erdgas günstig einkaufen konnten. Zuvor waren 21 - darunter auch internationale - Lieferanten kontaktiert und acht Angebote eingeholt worden. So könnten die Stadtwerke nun günstige Einkaufskonditionen zu großen Teilen per Festpreis für zwei Jahre an Kunden weitergeben, erläuterte der Vertriebs-Chef. Inbegriffen sei hier, dass der Preis im Juli \"einen kleinen Tick nach oben\" gehe (0,1 Cent je Kilowattstunde), \"also nix in der Größe dessen, was jetzt durch die Nachrichten geht\".

Was soll dann aber überhaupt der Grund für die Gaspreiserhöhung zum 01.10.08 um ca. 1,5 Ct/kWh gewesen sein?! Ölpreisbindung? Ohne Preissenkung bei gesunkenen Ölpreisen?!

Guck mal hier!


Wohl hohe Zeit, die Kartellbehörden und weitere Behörden  einzuschalten.

Der BGH hat mehrfach entschieden, dass gegenüber grundversorgten Tarifkunden Tarife nur im Umfange tatsächlicher Kostenerhöhungen erhöht werden dürfen und Kostensenkungen aufgrund der gesetzlichen Bindung des Allgemeinen Tarifs an den Maßstab der Billigkeit weitergegeben werden müssen.(BGH KZR 2/07, VIII ZR 225/07, VIII ZR 320/07, VIII ZR 56/08, VIII ZR 81/08].

Auch hat der BGH mittlerweile eine Betrugsstrafbarkeit bei überhöht kalkulierten Tarifen, die der gerichtlichen Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB unterliegen, festgestellt.

Nachdem die Stadtwerke - endlich -  Kunden auf Zahlung verklagt haben, weist die 1. Kammer für Handelssachen  des Landgerichts Gera diese aktuell darauf hin, dass weder in den früheren Gas- Sonderabkommen sich aus AVBGasV/ GasGVV ein Preisänderungsrecht ergab, noch die Strom-Bestpreis-Modelle Allgemeine Tarife waren und sich diesbezüglich ein Preisänderungsrecht aus AVBEltV/ StromGVV ergab. Weiter verlangt das Gericht bei Tarifkunden von den Stadtwerken die Offenlegung der Preiskalkulationen, die für die Preissteigerungen maßgeblich sein sollen. Das Amtsgericht Jena hat jeweils nach Unbilligkeitseinrede sämtliche Zahlungsklagen der Stadtwerke gegen Widerspruchskunden wegen sachlich ausschließlicher Zuständigkeit gem. § 102, 108 EnWG an das Landgericht Gera, Kammer für Handelssachen verwiesen. Und jenes gibt nun zu erkennen, dass es für die Preisforderungen der Stadtwerke keine Grundlage zu erkennen vermag (LG Gera, Az. 1 HK O 170/09 Verfügung vom 25.01.10; LG Gera, Az. 1 HK O 178/09 Verfügung vom 01.02.10).

Dass amn entsprechende Fragen zur Preisgestaltung in einer befriedigenden Art und Weise beantwortet bekommt, steht zu bezweifeln.

Spitzenplätze auch bei den Wasserpreisen
Große Vergleichstabelle

Der große Plan

Zitat
Jena hat unterdessen seinen Etat schon verabschiedet, wofür angesichts von zwölf Prozent Minus bei den Gewerbesteuern neun Millionen Euro aus Rücklagen nötig waren. Dazu kommt ein Plan, der die Stadt auf längere Sicht komplett schuldenfrei machen soll. Sie verlagert ihre 61,3 Millionen Euro Schulden in den kommunalen Betrieb. Dieser und die Stadtwerke Jena sollen aus Gewinnen über 15 Jahre hinweg die Hälfte der Schulden abtragen. Die andere Hälfte soll als Zuschuss aus dem Stadtsäckel kommen. Laut Sprecherin Barbara Glasser sind Voraussetzung dafür allerdings leistungsfähige städtische Unternehmen.

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Stadtwerke überziehen beim Gaspreis
« Antwort #1 am: 10. Februar 2010, 12:34:35 »
Nur kurze Zeit online:
TLZ Jena vom 10.02.2010 \"Schulden runter, Gaspreis rauf?\"
OTZ Jena 10.02.10 \"Schulden der Stadt und Gaspreis\"

Zitat
\"Die Stadtwerke Jena-Pößneck überziehen beim Gaspreis\", sagt der Jenaer Rechtsanwalt Thomas Fricke, der sich auch beruflich intensiv mit Energieversorgern und deren Tarifen befasst. Er verwies die TLZ auf einen Beitrag im Forum des Bundes der Energieversorger. Dort ist zu lesen, es gebe bundesweit wohl keinen anderen Versorger, der zum Oktober 2008 die Gaspreise ebenso massiv angehoben und hiernach nicht wieder abgesenkt habe. Zur Erinnerung: Damals waren die Ölpreise nahe dem Rekordhoch. Fricke nährt Mutmaßungen wie diese: Die Stadtwerke haben es mit Preissenkungen nicht eilig, weil sie innerhalb des jetzt beschlossenen Entschuldungs-Programms der Stadt Jena eine wichtige Rolle spielen. Leistungsfähige städtische Unternehmen seien die Voraussetzung dafür, dass der Schuldenabbau klappe.

Stadtwerke-Vertriebsleiter Frank Schöttke bestreitet, dass der Festpreis so hoch sei, um einen Beitrag zur Stadtentschuldung zu leisten. \"Wir als Stadtwerke haben nichts von den sinkenden Preisen\". Tatsache sei, dass die Stadtwerke bei ihrem Vorlieferanten ebenfalls einen Festpreis vereinbart haben, den sie an Gas-Konstant-Kunden weitergeben. Und: Der Ölpreis hätte auch einen anderen Verlauf nehmen können. Mit Auslaufen des Festpreismodells werde es einen neuen Tarif geben, dann mit günstigeren Verbrauchspreisen. Verhandlungen sind im Gange.

Und wie kam es dann zu der so massiven Preiserhöhung zum 01.10.2008 in der Grundversorgung  - die wohl in der Geschichte der Gasversorgung in Jena  kein Beispiel hat -  und dazu, dass diese Preise nicht wieder abgesenkt wurden?!!

Freilich haben die Stadtwerke nichts von sinkenden Preisen, gelle.

Wenn man die Aussagen der Stadtwerke zusammenliest, ergibt sich wohl folgendes Bild:

Die Jenaer Stadtwerke beziehen selbst das Erdgas bei Vorlieferanten seit 2007 zu einem Festpreis. Dieser stieg lediglich zum 01.07.08 um einen kleinen Tick von 0,1 Ct/ kWh, die Stadtwerke erhöhten zum 01.10.08 die Grundversorgungstarife um 1,5 Ct/ kWh und senkten fortan nicht wieder ab, woraus sich herleiten ließe, dass ein Bezugskostenanstieg mit dem Faktor 15 multipliziert an die grundversorgten Kunden weitergegeben wurde, obschon er bei effizienter Betriebsführung wohl leicht vollständig kompensierbar war.

Dergestalt übergeholfen wird wohl fortlaufend 700 betroffenen Kunden.

Zitat
Der noch höhere Tarif in der Gas-Grundversorgung spielt laut Frank Schöttke für Jena nicht die entscheidende Rolle. Den Tarif ohne Preisabsicherung nutzen nur etwa 700 Kunden. Dazu Thomas Fricke: \"Für die betroffenen, grundversorgten Tarifkunden ist es vollkommen belanglos, ob und wie viele Kunden mit den Stadtwerken einen Festpreis vereinbart haben.\" Entscheidend sei allein, dass der Allgemeine Preis der Grundversorgung gesetzlich an den Maßstab der Billigkeit gebunden sei und bei rückläufigen Kosten auch wieder abgesenkt werden müsse.

Das sind nicht eben nur 700 Kunden, sondern wohl auch bisher 1.400 betroffene Jahresverbrauchsabrechnungen Erdgas.

Die höchsten Gaspreise zahlen die grundversorgten Tarifkunden, die in Fernwärmegebieten mit Gas ausschließlich sparsam kochen,  Heizung/ Warmwasser jeweils über gaserzeugte Fernwärme.

Zitat
Original von RR-E-ft


Historisch gewachsen haben wohl ca. 800 Gaskunden der Stadtwerke, bei denen Heizung und Warmwasser über Fernwärme erfolgen, lediglich einen Gasherd an der Leitung zu hängen. Bei einem nur leichten Schwankungen unterworfenem Jahresverbrauch von ca. 300 kWh Erdgas  ist der Arbeitspreis unermesslich, der Verbrauchspreis indes insgesamt  geringer als der Grundpreis. Beim Grundpreis fällt dabei die teure Messung und Abrechnung ins Gewicht.

300 kWh/ Jahr kosten in der Jenaer Grundversorgung derzeit 32,97 EUR [10,99 Ct/ kWh] zzgl. 43,80 EUR/ Jahr Grundpreis. Siehste hier.

Anders gewendet verkaufen die Stadtwerke diesen Kunden, deren kleiner Jahresverbrauch gut prognostizierbar ist, wohl keinen besonderen saisonalen Schwankungen unterliegt, Erdgas zum Effektivpreis von sage und schreibe 25,59 Ct/ kWh (= 76,77 € : 300 kWh).

Bei Gazprom kostet das gleiche Erdgas im Großhandel in diesem Jahr demgegenüber 2,354 Ct/ kWh. Die Wertschöpfung zwischen deutscher Grenze und Jenaer Gasherd ist folglich mehr als bemerkenswert.

Fakt ist, dass die Grundversorgungspreise Erdgas  der Stadtwerke Jena mit derzeit bis zu 9,232 Ct/ kWh (netto) ungeheuerliche 6,887 Ct/ kWh (netto) über den \"Weltmarktpreisen\" für russisches Erdgas in Europa für das Jahr 2010 bei 2,354 Ct/ kWh  liegen. dass sich dabei wohl jemand einen viel zu reichlichen \"Schluck aus der Pulle\" genehmigt, liegt wohl offen zu Tage. Diese große Differenz zwischen den maßgeblichen \"Weltmarktpreisen\" und den Erdgaspreisen in Jena ist bedeutend zu groß.  

Siehste hier.

 

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