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Autor Thema: AG Winsen (Luhe), Urt. v. 12.01.10 Az. 18 C 861/09 (E.ON Hanse Debakel)  (Gelesen 4100 mal)

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AG Winsen (Luhe), Urt. v. 12.01.10 Az. 18 C 861/09 (E.ON Hanse Debakel)

Mit dem Urteil wird die Zahlungsklage der E.ON Hanse gegen einen Sondervertragskunden Gas abgewiesen.

Das Urteil ist gut begründet und sehr lesesenwert, insbesondere als es die Grundsätze des Vertragsrechts anschaulich vor Augen führt.



Zitat
Eine Vertragslage ändert sich nicht dadurch, dass eine Partei einer anderen Partei plaudernd mitteilt, was denn nun ihres Erachtens gelte.

Das Vertragsrecht ist nicht dadurch gekennzeichnet, dass der Fürst seinen Untertanen mitteilt, was denn nun zu gelten habe, sondern das Vertragsrecht ist gekennzeichnet davon, dass zwei Vertragsparteien, durch gleichlautende Willenserklärungen sich auf etwas geeinigt haben und dieses Etwas fortan für beide Seiten bindend ist. Von dieser bindenden Einigung kann man sich bei Bestehen eines Kündigungsrechts nur durch eine juristische Willenserklärung im Sinne von §§ 130 ff BGB lösen, mit dem Erfolg, dass das Vertragsverhältnis mit Ablauf der Kündigungsfrist erloschen ist. Eine solche Kündigungserklärung kann mit einem neuen Vertragsangebot verbunden werden. Auch kann jede Partei der anderen ein Vertragsänderungsangebot machen. Der neue oder der geänderte Vertrag ist dann zustande gekommen, wenn der andere Vertragspartner dieses Angebot durch eine mit dem Angebot gleichlautende Annahme-Willenserklärung angenommen hat.

Das in plauderndem Schreibstil gehaltene Schreiben der Klägerin stellt nach seinem Inhalt aber keine Kündigung des bestehenden Gaslieferungsvertrages mit gleichzeitigem Angebot eines neuen
Gaslieferungsvertrages dar. Vielmehr wird darin dem Kunden lediglich im Schreibstil eines Werbefachmanns suggeriert, es habe sich alles automatisch für den Kunden zum Besseren geändert, ohne dass der Kunde einen Einfluss darauf habe, ohne dass der Kunde etwas daran ändern könne (und müsse) und ohne dass der Kunde irgendwie sein Einverständnis erklären müsse.

Das Schreiben erwartet noch nicht einmal eine Einverständniserklärung des Kunden. Dieses jede juristische Willenserklärungsqualitäten vermissen lassende Schreiben hat nach dem Empfängerhorizont eines normalen Kunden nur die Bedeutung ihm mitzuteilen, dass zukünftig überall dort, wo bisher \"AVBGasV\" zu lesen stand nunmehr \"GasGVV\" zu lesen ist. Mit dem Schreiben wurde dem Kunden kein neuer Sondervertrag angeboten. Von einer Kündigung des Vertragsverhältnisses und dem Anbieten eines neuen Sondervertrages kann deshalb nicht gesprochen werden.

Zwar schreibt die Klägerin in einem mehr oder weniger versteckten Nebensatz, dass sich die Preisanpassung nunmehr nach der GasGVV richte. Möglicherweise wollte die Klägerin damit ihren (Sondervertrags-)Kunden Glauben machen, dass damit die vertragliche Preisanpassungsklausel nicht mehr gelte.

Das wäre allenfalls als (rechtlich irrelevantes) Irrtumserregungsmanöver zu bezeichnen, mit dem man dem rechtlich nicht versierten Kunden einzureden versuchte, die vereinbarte (und in Wahrheit unwirksame) Preisanpassungsklausel sei nicht mehr Gegenstand des Sondervertrags zwischen den Parteien. Juristisch gesehen aber hat sich durch das Schreiben bis auf den (bereits vorher erfolgten) automatisch erfolgten Austausch von AVBGasV durch die GasGVV nichts geändert.

Folglich ist der zwischen den Parteien abgeschlossene, Sondervertrag mit der eingangs zitierten unwirksamen  Klausel nicht abgeändert worden, die unwirksame Klausel ist weiterhin Vertragsbestandteil und sperrt auch für die Zeit nach dem 01.06.2007 eine Anwendbarkeit der gesetzlichen Preisanpassungsvorschriften, jetzt die der GasGVV.


Zweifelhaft erscheint es nur insoweit, als es auch bei unwirksamer Preisänderungsklausel eine Preisneuvereinbarung durch widerspruchslose Hinnahme und Bezahlung einer Verbrauchsabrechnung annimmt. Denn es gab wohl schon keine Angebotserklärung gem. § 130 BGB  auf Preisneuvereinbarung, welche der Kunde überhaupt hätte annehmen können (vgl. BGH VIII ZR 199/04).

Der BGH wird sich möglicherweise im Verfahren VIII ZR 246/08 (Verhandlungstermin 17.03.10) mit dieser Frage zu befassen haben.

 

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