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Autor Thema: BGH, Urt. v. 13.01.10 Az. VIII ZR 81/08 Unwirksame Gaspreiserhöhungen (Stadtwerke Essen)  (Gelesen 7241 mal)

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Offline tangocharly

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Verhandlungstermin: 13. Januar 2010

VIII ZR 81/08

LG Essen - Urteil vom 17. April 2007 - 19 O 520/06
OLG Hamm - Urteil vom 6. März 2008 - 2 U 114/07
(veröffentlicht in RdE 2008, 183)

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit von Gaspreiserhöhungen, die von der Beklagten, einem kommunalen Versorgungsunternehmen im Ruhrgebiet, einseitig vorgenommen wurden. Die 180 Kläger schlossen spätestens im September 2004 mit der Beklagten Gaslieferverträge nach den Sonderabkommen SOA1 und SOA2. Die von der Beklagten vorformulierten Bedingungen für das Sonderabkommen lauten auszugsweise wie folgt:

\"4. Die Stadtwerke [= Beklagte] behalten sich eine Änderung der Preise und Bedingungen dieses Sonderabkommens vor. Für das Wirksamwerden genügt eine entsprechende Veröffentlichung in der […] Tagespresse. Ist der Kunde mit einer Änderung nicht einverstanden, so kann er das Sonderabkommen mit zweiwöchiger Frist auf das Ende des der öffentlichen Bekanntmachung folgenden Monats schriftlich kündigen und eine weitere Belieferung zu den Preisen und Bedingungen der Sondervereinbarung oder als Tarifkunde nach den AVBGasV und den hierzu jeweils gültigen Anlagen der Stadtwerke und damit insbesondere zu den \"Allgemeinen Tarifen\" verlangen. Die vereinbarte Vertragslaufzeit bleibt hiervon unberührt.
5. Soweit in diesem Sonderabkommen nichts anderes vereinbart ist, gelten die Bestimmungen der AVBGasV entsprechend.

9. Die Laufzeit dieses Vertrages beträgt – soweit nichts anderes vereinbart – zwei Jahre; er verlängert sich um jeweils ein Jahr, wenn er nicht drei Monate vor Ablauf schriftlich gekündigt wird.\"

Bei Verträgen, die vor 1984 abgeschlossen wurden, haben die Bedingungen für das Sonderabkommen einen geringfügig abweichenden Wortlaut:

\" 4. Die Stadtwerke behalten sich eine Änderung der Preise und Bedingungen dieses Sonderabkommens vor. Für das Wirksamwerden genügt eine entsprechende Veröffentlichung in der […] Tagespresse. Ist der Kunde mit einer Änderung nicht einverstanden, so kann er das Sonderabkommen fristlos kündigen und eine weitere Belieferung als Tarifkunde nach den AVBGasV und den hierzu jeweils gültigen Anlagen der Stadtwerke und damit insbesondere zu den \"Allgemeinen Tarifen\" verlangen.

9. Soweit in diesem Sonderabkommen nicht etwas anderes vereinbart ist, gelten die Bestimmungen der AVBGasV entsprechend. …
10. Dieses Sonderabkommen gilt zunächst bis zum 31. Dezember des auf den Abschluß folgenden Jahres. Es verlängert sich jeweils um 1 Jahr, wenn es nicht spätestens 1 Monat vorher schriftlich gekündigt wird.\"

Die Beklagte erhöhte die Arbeitspreise zum 1. Oktober 2004, 1. April 2005, 1. Oktober 2005, 1. Januar 2006 und zum 1. Oktober 2006. Dagegen wenden sich die Kläger mit ihrer Klage. Sie haben beantragt festzustellen, dass sie nicht verpflichtet sind, über die seit dem 30. September 2004 von der Beklagten beanspruchten Gaspreise hinausgehende, höhere Entgelte für von der Beklagten geliefertes und von den Klägern bezogenes Gas zu zahlen. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben.

Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Zwar seien die Preisanpassungsklauseln in beiden Fassungen von Ziffer 4 der Bedingungen für das Sonderabkommen unwirksam. Die Preiserhöhungen basierten jedoch im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung auf einer rechtlich wirksamen Grundlage. Mit der Vereinbarung der – unwirksamen – Preisanpassungsklausel hätten die Parteien verdeutlicht, dass nach ihrem Willen der zunächst vereinbarte Lieferpreis nicht für die gesamte Vertragsdauer Gültigkeit haben, sondern sich im Wege eines angemessenen Wertausgleichs anpassen sollte. Es sei davon auszugehen, dass die Parteien jedenfalls eine Regelung dahingehend getroffen hätten, dass eine Preiserhöhung im Rahmen der tatsächlichen Bezugskostensteigerungen zulässig sei. Diesem Erfordernis (Weitergabe tatsächlicher Kostensteigerungen) genügten die von den Klägern beanstandeten Preiserhöhungen.
Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassene Revision verfolgen die Kläger ihren Klageantrag weiter.
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Offline RR-E-ft

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Bei Zugrundelegung der Senatsrechtsprechung aus VIII ZR 204/08 wird die Revision wohl Erfolg haben.

Siehe auch VIII ZR 320/07 Tz. 46:

Zitat
Tz. 46

Ohne Erfolg wendet die Revision hiergegen ein, die Kunden hätten mit Abschluss des Versorgungsvertrages eine in der Preisanpassungsklausel zum Ausdruck gekommene \"Preisvariabilität\" anerkannt und sich damit verpflichtet, Preiserhöhungen zu akzeptieren, soweit diese billig im Sinne von § 315 BGB seien. Dadurch sei der Kunde gegen unbillige Preiserhöhungen geschützt, und nur darauf habe er Anspruch. Dem kann bereits im Ansatz nicht gefolgt werden. Zwar nimmt der Bundesgerichtshof für auf eine längere Laufzeit angelegte Spar- und Darlehensverträge mit einer variablen Verzinsung an, dass die Wahl zwischen einer gleichbleibenden und einer variablen Verzinsung eine freie, durch gesetzliche Vorschriften nicht vorgegebene Entscheidung der Vertragspartner darstelle und keiner AGB-Inhaltskontrolle unterliege, so dass die bei Unwirksamkeit nur der Zinsänderungsklausel entstehende Regelungslücke (hinsichtlich des \"Wie\" der Zinsänderung) im Wege ergänzender Vertragsauslegung geschlossen werden könne (BGH, Urteil vom 10. Juni 2008 – XI ZR 211/07, NJW 2008, 3422, Tz. 11, 18 m.w.N.). Diese Rechtsprechung lässt sich aber auf die vorliegende Fallgestaltung schon deshalb nicht übertragen, weil die Parteien im Streitfall keinen von vornherein variablen Preis vereinbart haben. Bei dieser Preisänderungsklausel geht es vielmehr um die in vollem Umfang der AGB-Inhaltskontrolle unterliegende Befugnis der Beklagten zur nachträglichen Änderung eines ursprünglich vereinbarten (festen) Preises (dazu vorstehend unter II 2 a), so dass es bereits an einer in bestimmte Richtung weisenden Grundsatzentscheidung der Parteien zur interessengerechten Schließung der Vertragslücke fehlt.

Offline tangocharly

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Da bin ich mir aber nicht ganz so sicher (vgl. die Behandlung der Fragen zur Laufzeit der genannten Sonderverträge)

Zitat
TZ.: 10
dd) Der Beklagten ist auch nicht im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung ein Preisänderungsrecht zuzubilligen. Nach Nr. 4 des Stromlieferungsvertrages hat der Vertrag eine Laufzeit von zunächst sechs Monaten und verlängert sich jeweils um weitere sechs Monate, wenn nicht einer der Vertragspartner spätestens vier Wochen vor Ablauf der Vertragsdauer kündigt. Wenn die Beklagte bis zu diesem Zeitpunkt an den vertraglich vereinbarten Preis gebunden bleibt, führt dies nicht zu einem unzumutbaren Ergebnis, das die Gewährung eines Preisänderungsrechts im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung rechtfertigen könnte (vgl. BGHZ 176, 244, Tz. 33; 179, 186, Tz. 26; Senatsurteil vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 225/07, aaO, Tz. 37).

So wie ich den VIII. Senat einschätze, kommt der bei diesem Fall wieder einmal zur richterlichen Rechtsfortbildung und wird ein Sonderkündigungsrecht  mit einer 6-Monats-Kündigungsfrist einräumen.
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Offline RR-E-ft

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Zitat
Original von tangocharly
Da bin ich mir aber nicht ganz so sicher (vgl. die Behandlung der Fragen zur Laufzeit der genannten Sonderverträge)

Zitat
TZ.: 10
dd) Der Beklagten ist auch nicht im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung ein Preisänderungsrecht zuzubilligen. Nach Nr. 4 des Stromlieferungsvertrages hat der Vertrag eine Laufzeit von zunächst sechs Monaten und verlängert sich jeweils um weitere sechs Monate, wenn nicht einer der Vertragspartner spätestens vier Wochen vor Ablauf der Vertragsdauer kündigt. Wenn die Beklagte bis zu diesem Zeitpunkt an den vertraglich vereinbarten Preis gebunden bleibt, führt dies nicht zu einem unzumutbaren Ergebnis, das die Gewährung eines Preisänderungsrechts im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung rechtfertigen könnte (vgl. BGHZ 176, 244, Tz. 33; 179, 186, Tz. 26; Senatsurteil vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 225/07, aaO, Tz. 37).


So wie ich den VIII. Senat einschätze, kommt der bei diesem Fall wieder einmal zur richterlichen Rechtsfortbildung und wird ein Sonderkündigungsrecht  mit einer 6-Monats-Kündigungsfrist einräumen.

Der Senat zitiert ja in VIII ZR 204/08 Tz. 10 eine gehörige Zahl von Entscheidungen, wonach  ein Sonderkündigungsrecht des Kunden die unangemessene Benachteiligung des Kunden durch die Verwendung unwirksamer Preisänderungsklauseln nicht kompensieren kann (VIII ZR 204/08]. Zudem ist in der Rechtsprechung des BGH anerkannt, dass eine ergänzende Vertragsauslegung dann nicht in Betracht kommt, wenn sich der Versorger durch ordnungsgemäße Kündigung aus dem Vertragsverhältnis lösen kann.

Im Einzelnen:

KZR 2/07 Tz.  32 f.  = BGHZ 176, 244, Tz. 33

Zitat
Diese gesetzliche Regelung schließt nach ständiger Rechtsprechung eine ergänzende Vertragsauslegung nicht aus, weil es sich auch bei den Bestimmungen der §§ 157, 133 BGB, in denen die ergänzende Vertragsauslegung ihre Grundlage hat, um gesetzliche Vorschriften im Sinne des § 306 Abs. 2 BGB handelt (BGHZ 90, 69, 75). Jedoch muss auch bei einer ergänzenden Vertragsauslegung die Grundentscheidung des Gesetzgebers beachtet werden, den Vertrag grundsätzlich mit dem sich aus den Normen des dispositiven Gesetzesrechtes, welche der ergänzenden Vertragsauslegung vorgehen, erge-benden Inhalt aufrechtzuerhalten (vgl. BGHZ 117, 92, 99). Eine ergänzende Vertragsauslegung kommt daher nur in Betracht, wenn sich die mit dem Wegfall einer unwirksamen Klausel entstehende Lücke nicht durch dispositives Gesetzesrecht füllen lässt und dies zu einem Ergebnis führt, das den beiderseitigen Interessen nicht mehr in vertretbarer Weise Rechnung trägt, sondern das Vertragsgefüge völlig einseitig zu Gunsten des Kunden verschiebt (BGHZ 90, 69, 75 ff.; 137, 153, 157; 143, 103, 120).

Im Streitfall steht der Beklagten das Recht zu, sich nach zweijähriger Vertragsdauer mit einer dreimonatigen Kündigungsfrist vom Vertrag zu lösen. Wenn sie bis zu diesem Zeitpunkt an den vertraglich vereinbarten Preis gebunden bleibt, so führt dies nicht ohne weiteres zu einem unzumutbaren Ergebnis.
 
Dass die Beklagte in den Tatsacheninstanzen Umstände dargetan hätte, die eine andere Beurteilung geböten, zeigt die Revision nicht auf.

VIII ZR 274/06 Tz. 26 = BGHZ  179, 186, Tz. 26

Zitat

Gemäß § 5 Nr. 2 des Sondervertrages steht der Beklagten das Recht zu, sich nach zweijähriger Vertragsdauer mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten zum Ende eines Abrechnungsjahres vom Vertrag zu lösen. Wenn sie bis zu diesem Zeitpunkt an den vertraglich vereinbarten Preis gebunden bleibt, so führt dies nicht ohne weiteres zu einem unzumutbaren Ergebnis (vgl. BGH, Urteil vom 29. April 2008 – KZR 2/07, WuW/E DE-R 2295, zur Veröffentlichung in BGHZ 176, 244 bestimmt - Erdgassondervertrag, Tz. 33).

VIII ZR 225/07 Tz. 37

Zitat
Gemäß § 14 Nr. 2 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen steht der Beklagten das Recht zu, sich jeweils mit einer Kündigungsfrist von einem Monat zum Ablauf der Mindestvertragslaufzeit von 18 Monaten und sodann zum Ablauf der um je zwölf Monate verlängerten Vertragslaufzeit vom Vertrag zu lösen. Wenn sie bis zu diesem Zeitpunkt an den vertraglich vereinbarten Preis gebunden bleibt, so führt dies nicht ohne weiteres zu einem unzumutbaren Ergebnis (vgl. BGHZ 176, 244, Tz. 33; Senatsurteil vom 17. Dezember 2008, aaO, Tz. 26).

Soweit die Beklagte in der Revisionsinstanz geltend macht, eine nicht mehr hinnehmbare grundlegende Störung des vertraglichen Gleichgewichts ergebe sich daraus, dass sie aus rechtlichen und politischen Gründen massenhafte Rückforderungen anderer Kunden zu gewärtigen habe, in deren Verträgen die unangemessene Preisanpassungsklausel ebenfalls enthalten sei, zeigt sie entsprechenden Sachvortrag in den Instanzen nicht auf, obwohl dazu Anlass bestanden hätte, nachdem bereits das Amtsgericht die Preisanpassungsklausel gemäß § 307 Abs. 1 BGB als unwirksam angesehen hat. Es kann deshalb offen bleiben, ob ein sich aus dem Abschluss einer Vielzahl gleich lautender Verträge ergebender wirtschaftlicher Nachteil überhaupt geeignet sein kann, eine nicht mehr hinnehmbare einseitige Verschiebung des im Individualprozess zu beurteilenden konkreten Vertragsgefüges zulasten des Verwenders zu begründen.

VIII ZR 320/07 Tz. 43 f.

Zitat
Der Beklagten ist entgegen der Auffassung der Revision auch nicht im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung ein Preisänderungsrecht zuzubilligen.

Zwar zählen zu den gemäß § 306 Abs. 2 BGB bei Unwirksamkeit von Allgemeinen Geschäftsbedingungen anwendbaren gesetzlichen Vorschriften auch die Bestimmungen der §§ 157, 133 BGB über die ergänzende Vertragsauslegung (BGHZ 90, 69, 75 zu der Vorgängerregelung in § 6 Abs. 2 AGBG; Senatsurteil vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 225/07, aaO, Tz. 36).

Eine ergänzende Vertragsauslegung kommt aber nur dann in Betracht, wenn sich die mit dem Wegfall einer unwirksamen Klausel entstehende Lücke - wie hier (dazu vorstehend unter II 3 b ) - nicht durch dispositives Gesetzesrecht füllen lässt und dies zu einem Ergebnis führt, das den beiderseitigen Interessen nicht mehr in vertretbarer Weise Rechnung trägt, sondern das Vertragsgefüge einseitig zugunsten des Kunden verschiebt (BGHZ 90, 69, 77 f.; 137, 153, 157; Senatsurteil vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 225/07, aaO, Tz. 36).

Das ist hier nicht der Fall.

Gemäß § 4 der Vertragsfassungen A, B und C steht der Beklagten das Recht zu, sich jeweils mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten zum Ablauf der Mindestvertragslaufzeit von zwei Jahren und sodann zum Ablauf der um je zwölf Monate verlängerten Vertragslaufzeit vom Vertrag zu lösen. Wenn sie bis zu diesem Zeitpunkt an den vertraglich vereinbarten Preis gebunden bleibt, so führt bereits dies nicht ohne Weiteres zu einem die ergänzende Vertragsauslegung gebietenden unzumutbaren Ergebnis (vgl. BGHZ 176, 244, Tz. 33; BGHZ 179, 186, Tz. 26; Senatsurteil vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 225/07, aaO, Tz. 37).

Stellt sich die Frage, warum es bei VIII ZR 81/08 gerade anders liegen sollte.

Zitat
Original von tangocharly
Verhandlungstermin: 13. Januar 2010

VIII ZR 81/08

LG Essen - Urteil vom 17. April 2007 - 19 O 520/06
OLG Hamm - Urteil vom 6. März 2008 - 2 U 114/07
(veröffentlicht in RdE 2008, 183)

...

9. Die Laufzeit dieses Vertrages beträgt – soweit nichts anderes vereinbart – zwei Jahre; er verlängert sich um jeweils ein Jahr, wenn er nicht drei Monate vor Ablauf schriftlich gekündigt wird.\"

Bei Verträgen, die vor 1984 abgeschlossen wurden, haben die Bedingungen für das Sonderabkommen einen geringfügig abweichenden Wortlaut:
...

10. Dieses Sonderabkommen gilt zunächst bis zum 31. Dezember des auf den Abschluß folgenden Jahres. Es verlängert sich jeweils um 1 Jahr, wenn es nicht spätestens 1 Monat vorher schriftlich gekündigt wird.\"

Offline tangocharly

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Mir macht da eher die Textpassage in der Entscheidung vom 28.10.2009 ( BGH, Az.: VIII ZR 320/07, Tz. 46) auf eine sachgerechte Lösung Hoffnung:

Zitat
Tz. 46

Diese Rechtsprechung lässt sich aber auf die vorliegende Fallgestaltung schon deshalb nicht übertragen, weil die Parteien im Streitfall keinen von vornherein variablen Preis vereinbart haben. Bei dieser Preisänderungsklausel geht es vielmehr um die in vollem Umfang der AGB-Inhaltskontrolle unterliegende Befugnis der Beklagten zur nachträglichen Änderung eines ursprünglich vereinbarten (festen) Preises (dazu vorstehend unter II 2 a), so dass es bereits an einer in bestimmte Richtung weisenden Grundsatzentscheidung der Parteien zur interessengerechten Schließung der Vertragslücke fehlt.
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Die Voraussetzungen einer ergänzenden Vertragsauslegung dürften in zweierlei Hinsicht nicht vorliegen.

Zum einen, weil die Vertragsdurchführung aufgrund des bestehenden Rechts zur ordnungsgemäßen Kündigung für den Versorger regelmäßig schon nicht unzumutbar ist.

Zum anderen, weil nicht ersichtlich ist, mit welcher Regelung die Parteien die Lücke nach hypothetischen Parteiwillen geschlossen hätten, wenn ihnen die Unwirksamkeit und in deren Folge die Vertragslücke bekannt gewesen wäre, so dass es bereits an einer in bestimmte Richtung weisenden Grundsatzentscheidung der Parteien zur interessengerechten Schließung der Vertragslücke fehlt

Es ist schon fraglich, ob überhaupt von einer Vertragslücke gesprochen werden kann (vgl. LG Gera, Urt. v. 07.11.08 - 2 HK O 95/08] Der Vertrag ist auch ohne Preisänderungsklausel vollständig.

Offline RR-E-ft

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Urteilstext veröffentlicht

Nichts Neues.

Interessant ist Randnummer 29
Der Versorger meinte, es müsse zu einer ergänzenden Vertragsauslegung kommen, weil er sonst mit Rückforderungsansprüchen anderer Kunden konfronitiert werden könnte, die ihn in seiner Existenz bedrohen könnten.

Zitat
Soweit die Beklagte in der Revisionsinstanz geltend macht, es sei mit Rückforderungsansprüchen von Sonderkunden der Beklagten in erheblicher Höhe zu rechnen, die zu einer Existenzbedrohung für die Beklagte führen könnten, zeigt sie entsprechenden Sachvortrag in den Tatsacheninstanzen nicht auf, obwohl dazu Anlass bestanden hätte, nachdem das Landgericht die Preisanpassungsklausel gemäß § 307 Abs. 1 BGB als unwirksam angesehen hat.

Es kann deshalb offen bleiben, ob ein sich aus dem Abschluss einer Vielzahl gleich lautender Verträge ergebender wirtschaftlicher Nachteil überhaupt geeignet sein kann, eine nicht mehr hinnehmbare einseitige Verschiebung des im Individualprozess zu beurteilenden konkreten Vertragsgefüges zulasten des Verwenders zu begründen (vgl. Senatsurteil vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 225/07, aaO, Tz. 37).


Der Klauselverwender müsste zunächst vortragen, dass alle betroffenen Kunden, auch jene keinen Widerspruch eingelegt hatten und keinen Vorbehalt erklärt hatten, in unverjährter Zeit deshalb  einen Rückforderungsanspruch haben und die daraus resultierende Rückforderungssumme ebenso beziffern wie auch die Höhe seiner wegen dieses Risikos bereits gebildeten Rücklagen benennen und nachweisen, dass kein Versicherungsschutz für entsprechende Risiken besteht, seine Aktionäre/ Gesellschafter nicht zu einem entsprechenden Nachschuss in der Lage sind.

Existenzgefährdung ist leicht behauptet, aber nur schwer nachzuweisen.

Dagegen spricht schon, dass der BGH seit dem 29.04.2008 (KZR 2/07) in Folge mehrere Entscheidungen getroffen hat, wonach die Preisänderungsklauseln in Erdgas- Sonderverträgen unwirksam waren und noch in keinem einzigen Fall deshalb eine Existenzgefährdung eingetreten ist. Selbst betroffene Aktiengesellschaften haben noch keine entsprechenden ad hoc- Meldungen publiziert.  

Der Versorger kann natürlich nicht das wirtschaftliche Risiko rechtsunwirksamer Preisänderungsklauseln auf seine Vertragspartner verschieben.


Hierzu gab es schon am 18.10.2009 im Zusammenhang mit dem Verfahren VIII ZR 320/07 etwas zu hören.

Zitat
Auch der Prozessvertreter der swb räumte in Karlsruhe ein, dass die Klauseln nach der Rechtsprechung des BGH unwirksam seien. Er warnte jedoch vor den finanziellen Folgen, die massenhafte Rückforderungen von gezahlten Gasgebühren für die Unternehmen haben könnten. Aus diesem Grund müsse der BGH erwägen, Rückforderungen von Kunden trotz der Unwirksamkeit der Erhöhungsklauseln auszuschließen.

Der Vorsitzende des 8. Zivilsenats des BGH, Wolfgang Ball, äußerte Zweifel an dieser Auffassung: \"Kann der Einzelne einen Nachteil davon haben, dass der Vertragspartner eine unwirksame Klausel massenhaft verwendet hat? Wir sehen das kritisch.\" Er kündigte eine Entscheidung noch für Mittwochnachmittag an.

 

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