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Das AG und der blaue Himmel - Verweisungsantrag, § 102 EnWG

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agilius:
hier im Forum wurde bereits § 102 EnwG diskutiert, dazu folgende Frage:

Streitigkeiten mit einem Beschwerdewert bis 600,00 EUR sind im Hinblick auf § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO nicht berufungsfähig. Hier wölbt sich über dem AG, wie wir wissen, der blaue Himmel. Angesichts dessen ist es sicherlich außerordentlich riskant, eine Zahlungsklage eines EVU mit einem geringeren Streitwert vor einem - in der Sache eher unerfahrenen - Amtsgericht abzuhandeln.

Im Forum wurde dazu auf § 102 EnWG und insbesondere auf einen Beschluss des LG Lüneburg vom 14.10.2008, 3 O 71/08, verwiesen. Der Beschluss stellt allerdings im Wesentlichen darauf ab, dass die Entscheidung deshalb vor das LG, dort die KfH gehöre, weil Fragen der Billigkeitskontrolle nicht nur Randaspekte des EnWG berühren.

Nun habe ich die Situation, dass die Klage m.E. nicht erst wegen fehlender Billigkeit i.S.d. § 315 BGB abzuweisen wäre, sondern vielmehr schon deshalb, weil für den betroffenen Sondervertragskunden eine Rechtsgrundlage für Preiserhöhungen fehlt. Zu einer Billigkeitskontrolle kann es also nach meinem Dafürhalten gar nicht mehr kommen. So gesehen greifen dann aber die Beschlussgründe des LG Lüneburg nicht.

Halten Sie einen Verweisungsantrag, gestützt auf § 102 EnWG, gleichwohl für sinnvoll? Ich meine ja, denn das Gericht wird sich gleichwohl mit entscheidenen Gesichtspunkten des EnWG auseinandersetzen müssen (z.B. im Hinblick auf §§ 36, 41 EnWG - Grundversorgung/Sondervertragskunde) Wie sehen das die Spezialisten?

Sollte die Frage schon an anderer Stelle des Forums beantwortet sein, danke ich für einen kurzen Hinweis.

bolli:
Nun, da Sie vermutlich aber auch, zumindest hilfsweise auch die Billigkeit rügen, für den Fall, dass das einseitige Preisänderungsrecht doch vereinbart ist, wäre schon allein aus diesem Grunde wieder § 102 EnWG betroffen.
Zur Zuständigkeit können Sie auch mal hier schauen.

reblaus:
Eine Zuständigkeit nach § 102 EnWG würde sich nach meiner Ansicht dann ergeben, wenn die Frage der Billigkeit oder die Frage der Abgrenzung des Vertragstypus entscheidungserheblich wäre.

Handelt es sich offensichtlich um einen Sondervertrag und wird dies auch vom Versorger so gesehen, kommt es in der Entscheidung auf die Frage, wie sich der Sondervertrag vom Grundversorgungsvertrag abgrenzt nicht mehr an.

Ähnliches gilt, wenn beide Parteien aus offensichtlichen Gründen davon ausgehen, dass die vereinbarte Preisanpassungsklausel unwirksam ist, und deshalb eine Billigkeitskontrolle nicht mehr stattzufinden hat.

In einem solchen Falle würde ich die Zuständigkeit nach § 102 EnWG in Frage stellen.

Warum dann aber geklagt wird ist nicht erkennbar.

Soweit aber Streit darüber besteht, ob die Preiserhöhung einer Billigkeitskontrolle zu unterziehen ist, oder um welchen Vertragstyp es sich handelt, halte ich eine Zuständigkeit nach § 102 EnWG für gegeben. Die Prüfung der Zuständigkeit kann schließlich nicht die nach EnWG zu entscheidende Rechtsfrage beantworten. Diese Entscheidung ist der zuständigen KfH überlassen.

Bei einem Verweisungsantrag oder Zuständigkeitsrüge sollte neben den bekannten Entscheidungen auch darauf verwiesen werden, dass zu einer Billigkeitskontrolle die Vorlage der Sparten GuV erforderlich ist und diese nach § 10 Abs. 5 EnWG keine Geschäftsgeheimnisse darstellen. Weiterhin gebietet § 36 Abs. 1 EnWG, dass die Belieferung zu Allgemeinen Preisen erfolgen muss. Wenn eine Billigkeitskontrolle eines Allgemeinen Preises vorgenommen wird, muss das Ergebnis einen neuen Allgemeinen Preis darstellen. Anderenfalls würde aus dem billigen Preis ein Sonderpreis der nur zwischen den Parteien gültig wäre, mit der Folge, dass spätestens mit der gerichtlichen Preisfestsetzung aus dem Grundversorgungsvertrag ein Sondervertrag würde. Eine Preisspaltung ist nur dann zu verhindern, wenn die Ermessensentscheidung des Gerichts einheitlich vorgenommen wird, und dies ist nur dann gewährleistet, wenn eine zentrale Zuständigkeit nach § 102 EnWG gegeben ist.

Daneben dürfte in den meisten Fällen eine Zuständigkeit nach § 87 GWB gegeben sein. Mehr als 75% des an Regionalgasversorger gelieferten Erdgases wurde zwischen 1998 und 2007 mittels kartellrechtswidriger Bezugsverträge geliefert. Seit etwa 2006 erfolgt die Belieferung von Industrieunternehmen wegen des eintretenden Wettbewerbs nicht mehr auf Basis der Ölpreisbindung. Dadurch dürfte die Preisbindung an leichtes Heizöl für Kommunalgas seither gegen Art. 82 EG, § 19 GWB verstoßen.

Black:
Die Zuständigkeit des Landgerichtes für Preiskontrollverfahren wird derzeit sehr uneinheitlich gesehen. Ein Teil der Landgericht hält sich für zuständig und ein Teil eben nicht. Bislang gibt es keine klare Linie. Trotz aller bekannten Sachargumente.

reblaus:
Rechtsprechung am Roulettetisch. Entweder kommt scharz oder aber rot  :D

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