Energiepreis-Protest > Pfalzgas Frankenthal

Befangener Gutachter und/oder befangenes Gericht?

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Stubafü:
Hallo Kameraden von der Gaspreisprotest_Front

Ich bin der Pfalzgas-Fall vor dem LG Frankenthal (2. HKO) wegen dem ca. 20 weitere, dort rechtshängige Verfahren bis zum Vorliegen eines Wiprüf-Gutachtens (in meiner Sache) ausgesetzt sind.
Habe da ein aktuelles Problem mit der widerborstigen Handelsrichterin, die mich partout zum Tarifkunden machen will, obgleich ich es nach Aktenlage und aktuell dazu ergangener höchstrichterlicher Rechtsprechnung (VIII ZR 320/07) evidenterweise nicht bin.
Herr Ball vom VIII. Zivilsenat lässt es hinsichtlich des Sonderkundenstatus mittlerweile schon genügen :
\"Die Kläger sind Sondervertragskunden, die zu einem gegenüber dem Grundversorgungstarif des Unternehmens günstigeren Tarif für die Vollversorgung von Haushaltskunden beliefert werden\"
(VIII ZR 320/07).
Genauso liegt der Fall bei mir und dennoch hat die Handelskammer des LG Frankenthal per Zwei-Zeiler beschlossen, ein \"Billigkeits-Gutachten\" von einer grossen Wiprüf-Kanzlei für sage und schreibe vorläufigen Gutachterkosten i.H.v. 10.000,--€ bei ca. 1.600 € Streitwert einzuholen.

Ein dezidiertes Gutachten trotz Vorliegens eines Sondervertragsstatus auf hilfsweisen Billigkeitseinwand des Beklagten einzuholen, verteufelt die höchstrichterliche Rechtsprechung ja nicht.  :evil:

Was aber sagt diese dazu, wenn der vom Landgericht Frankenthal bestellte Gutachter mit Wissen des Gerichts gleichzeitig Geschäftsführer eines um die Ecke sesshaften regionalen Gasversorgers seit ca. 3 Jahren ist und dieser regionale Gasversorger mit der Pfalzgas GmbH in geschäftlichen Beziehungen steht??

Das LG Frankenthal (\"Mainz wie es singt und lacht\", Originalaussage mehrerer dort zugelassener Anwälte) meint das wäre alles OK!  :D

Jetzt meine Diskussionsfrage:

Reichen die vg. Anhaltspunkte für einen \"offiziellen Befangenheitsantrag\"
gegen den \"Gutachter\" oder gar gegen das Gericht selbst ?

Mir ist zwar bekannt, dass die Hürden für einen Befangenheitsantrag im Zivilrecht schier unüberwindlich sind und ich bin mit meinem Anwalt unisono der Auffassung, dass wir uns z.Z. hinsichtlich eines zu stellenden Befangenheitsantrages auf \"sehr dünnem Eis\" bewegen, aber vielleich gibt es doch die eine oder andere sinnvolle Anregung eines erfahrernen Forenmitgliedes wie der vertrackten Situation hier in meinem Falle sinnvoll beizukommen ist.

Gruss aus der Pfalz
Stubafü

Zeus:
@Stübafü

Schwer verständlich was Sie hier schreiben.
Die vom Gericht \"grosse Wiprüf-Kanzlei\" ist zugleich Geschäftsführer eines regionalen Versorgers ?
Haben Sie einen Anwalt, der nicht in der Lage ist zu entscheiden ob die gegebenen Anhaltspunkte ausreichen oder nicht um einen Befangenheitsantrag zu stellen oder nicht, und gegen wen der Befangenheitsantrag zu stellen wäre ?
Sorry. Aber in so einem Fall gäbe es für mich nur eine Entscheidung, meinem jetzigen Anwalt den Laufpass zu geben, und mich nach einem kompetenteren umzusehen.

Stubafü:
@Zeus

Ich denke schon , dass ich mich klar ausgedrückt habe, wenn ich schreibe, dass der vom Gericht beauftragte Gutachter der Rölfs AG gleichzeitig GF
eines hier sesshaften regionalen Gasanbieters ist. Ein Befangenheits-antrag wäre apriori gegen den Gutachter zu stellen, dazu muss aber \"Butter bei die Fische\", also mindestens die Glaubhaftmachung, dass der Gutachter nicht die notwendige Unabhängigkeit hat, um in seiner Eigenschaft als GF des konkurierenden Gasversorgers ein objektives
Gutachten in dem Rechtstreit mit der Pfalzgas GmbH zu fertigen.

Oder glauben Sie ernsthaft daran, dass die Pfalzgas AG dem GF eines
Konkurrenzunternehmens sämtliche Geschäftsvorgänge zur Erstellung eines dezidierten Gutachtens zugänglich macht, welches womöglich auch
noch zu einem negativen Prozessausgang für die Pfalzgas AG führt?

Und wenn der Gutachter und GF des besagten regionalen Konkurrenz-versorgers in geschäftlichen Verbindungen mit der Pfalzgas GmbH steht,
wovon ausgegangen werden kann, wenn er hiesige Verbraucher über das Netz der Pfalzgas AG mit Gas beliefert und diese Netzkosten mit ihr
abrechnet, reicht dann dieser Interessenkonflikt -unterstellt ich könnte ihn beweisen wie z.Z. nicht- um einen erfolgreichen Befangenheitsantrag zu stellen. Aktuell habe ich nur Unterlagen, dass der gerichtlich bestellte
Gutachter seit 3 Jahren GF eine Konkurrenzversorgers der Pfalzgas AG ist.

Meine Bedenken hinsichtlich der gerichtlichen Unabhängigkeit sind doch klar umrissen: Warum will das Gericht mich unbedingt zum Tarifkunden machen, obgleich ich es aktenkundig offensichtlich nicht bin? warum hält es an einem \"Gutachter\" fest, obgleich es weiss, dass dieser gleichzeitig GF eines regionalen Konkurrenzversorgers ist und warum besteht es zur Klärung des Sachverhaltes, der eigentlich aktenkundig geklärt ist (für einen Sonderkunden geht es a priori nicht um den Billigkeitsaufwand, sondern um die Preisanpassungsklausel) auf die Erstellung eines sündhaft teuren
Gutachtens (untere Grenze 10.000,-- €), das in keiner prozessökono-mischen Realität zum Streitwert i.H.v. 1.600,-- € steht??

All diese Bedenken und Fakten reichen aber nach ständiger Recht-sprechung nicht, um in einem zivilrechtlichen Befangenheitsantrags- verfahren reüssieren zu können, so das Ergebnis meiner Recherche und der hieraus sich abzeichnenden Meinung. Mit einem Anwaltswechsel, so er denn was bringen würde, löse ich das Problem meiner unmaßgeblichen Meinung nicht.
Was meint den der Verbraucher-Guru Herr Fricke dazu?? Hat er da schon in dieser Richtung was gepostet??

reblaus:
@Stubafü
In Az. VIII ZR 320/07 behandelt der BGH einen Sachverhalt in dem schriftliche Verträge mit schriftlichen Preisanpassungsklauseln abgeschlossen wurden. Diese Preisanpassungsklauseln genügen den höchstrichterlichen Anforderungen nicht. Die Frage, ob ein Sondervertrag bereits dann vorliegt, wenn der Verbraucher zu einem günstigeren als dem Kleinkundentarif beliefert wird, spielt in diesem Fall somit gar keine Rolle und wurde vom BGH auch nicht entschieden. Die Urteilsbegründung ist allerdings noch nicht veröffentlicht. Es liegt lediglich eine Pressemitteilung vor.

Entgegen Ihrer Ansicht gibt es zahlreiche schwerwiegende Argumente diese Rechtsfrage so zu sehen, wie das LG Frankenthales tut. Ein Gericht ist jedoch nicht schon dann befangen, wenn es eine für den eigenen Fall ungünstige Rechtsauffassung einnimmt.

Wenn der Gutachter Geschäftsführer einer Konkurrentin der Gegenseite ist, würde das möglicherweise diese berechtigen, einen Befangenheitsantrag zu stellen. In Ihrem Falle wäre an eine Befangenheit zu denken, wenn auch das vom Gutachter geführte Unternehmen von Preisprotesten betroffen wäre, und daraus ein Interesse abgeleitet werden könnte, dieses Verfahren in eine für die Verbraucher ungünstige Richtung zu lenken.

Ansonsten ist Ihnen zu empfehlen, sich umgehend die Jahresabschlüsse Ihres Versorgers zu besorgen. Diese sind ab 2006 im elektronischen Bundesanzeiger veröffentlicht. Davor wurden sie beim örtlich zuständigen Handelsregister hinterlegt. Dort können Kopien angefordert werden. Weiterhin sollte Ihr Anwalt darauf dringen, dass der Gutachter seine Untersuchungen auf die Sparten-Gewinn-und-Verlustrechnungen ausweitet, und nachprüft, ob die behaupteten nominalen Preissteigerungen auch zu tatsächlichen Kostensteigerungen in gleicher Höhe geführt haben. Dies wäre dann nicht der Fall, wenn zwischen Lieferanten und Versorger prozentuale Mengenrabatte, Boni, Marketingzuschüsse etc. vereinbart worden wären. Solche prozentualen Nachlässe vermindern auch die nominale Preiserhöhung. Es wäre auch nicht der Fall, wenn die behaupteten Preissteigerungen nur für sog. Kommunalgas und nicht für Industriegas zur Abgabe an Industrie, Stromerzeuger etc. vereinbart worden wären. In diesen Bereichen wurde in der Vergangenheit klamm heimlich von der Ölpreisbindung Abstand genommen.

Ihr Anwalt sollte auch bestreiten, dass der Liefervertrag zwischen Ihrem Versorger und seinem Vorlieferanten überhaupt wirksam vereinbart wurde. 90% des in Deutschland an Regionalgasunternehmen gelieferten Gases, wurde bis 2007 mit kartellrechtswidrigen Bezugsverträgen geliefert. Dies hat zur Folge, dass diese Verträge nichtig sind, und eine Preiserhöhung überhaupt nie erfolgte.

In einem solchen Falle wären die behaupteten Preiserhöhungen überhaupt nie erfolgt.

Soweit Ihr Versorger seine Preise über das gestattete Maß hinaus erhöht hat, oder sich an diesen Kartellstrukturen im Gasmarkt in der Vergangenheit beteiligt hat, können Sie auch in der Billigkeitsprüfung Erfolg haben. Sie benötigen dafür aber jemanden mit erheblichem wirtschaftlichen Sachverstand, der die ganzen Zahlen für Sie untersucht und vor Gericht sachkundig vorträgt.

Sollten insbesondere die eigenen Berechnungen aus den GuV keine Abweichungen zu den Behauptungen Ihres Versorgers ergeben, und die Bezugsverträge der Pfalzgas keine kartellrechtliche Beanstandung ergeben, wäre zu überlegen, ob Sie den Anspruch nicht doch anerkennen. In diesem Falle würden Ihre Aussichten den Fall zu gewinnen nämlich gegen null tendieren.

Stubafü:
@reblaus

In Az. VIII ZR 320/07 behandelt der BGH einen Sachverhalt in dem schriftliche Verträge mit schriftlichen Preisanpassungsklauseln abgeschlossen wurden. Diese Preisanpassungsklauseln genügen den höchstrichterlichen Anforderungen nicht. Die Frage, ob ein Sondervertrag bereits dann vorliegt, wenn der Verbraucher zu einem günstigeren als dem Kleinkundentarif beliefert wird, spielt in diesem Fall somit gar keine Rolle und wurde vom BGH auch nicht entschieden.

Jetzt kommen wir der Sachproblematik schon näher.
Bevor geprüft wird, ob die in der Revisionsinstanz angegriffenen Preisanpassungsklauseln der Inhaltskontrolle standhalten, muss doch zunächst geprüft werden, ob der Verbraucher überhaupt Sondervertragskunde ist. Der BGH hatte demzufolge sehr wohl zuerst zu entscheiden, ob im Verfahren VIII ZR 320/07 ein Sondervertragsverhältnis vorliegt oder nicht, so geschehen auch in den beiden vorangegangen Verfahren
VIII ZR 225/07 und VIII ZR 255/07.
Wenn nun zu prüfen ist, ob denn nun ein Sondervertragsverhältnis vorliegt oder nicht, gilt es, gewisse Eingrenzungskriterien in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht aufzustellen; wenn nun der BGH als Revisionsinstanz in allen 3 vg. Verfahren zu dem Ergebnis gelangt, für den Sondervertragsstatus genüge

\"Die Kläger sind Sondervertragskunden, die zu einem gegenüber dem Grundversorgungstarif des Unternehmens günstigeren Tarif für die Vollversorgung von Haushaltskunden beliefert werden\" ,

dann dürfte die Sonderkundenfrage eigentlich beantwortet sein, zumal
unstreitig 5 weitere Obergerichte zuvor die gleiche Rechtsauffassung mit Urteil kundgetan haben:

 1. KG Berlin 21 U 160/06 v. 28.10.20082. OLG Oldenburg 12 U 49/07 v. 05.09.20083. OLG Frankfurt 11 U 61/07 v. 05.05.2009, Revision nicht zugelassen4. OLG München 23 U 4606/08 v. 12.03.2009 5. OLG Hamm I - 19 U 52/08 v. 29.05.2009und nicht zu vergessen der für hiesigen Fall im Revisionsfalle zuständige Kartellsenatdes BGH mit seiner Entscheidung:6. BGH KZR 02/07 v. 29.04.2008 .Und wenn man einmal über die pfälzische Juristenbrille hinaus seinen Horizont erweitert und nur über den Rhein schaut, nicht zu vergessen die aktuelle Entscheidung des LG Mannheim 25 O 1/09 v. 20.08.2009 und darüber hinaus mittlerweile unzählige, die gleiche Rechtsauffassung vertretendeLandes- und Amtsgerichte in diesem Lande. Entgegen Ihrer Ansicht gibt es zahlreiche schwerwiegende Argumente diese Rechtsfrage so zu sehen, wie das LG Frankenthales tut. Ein Gericht ist jedoch nicht schon dann befangen, wenn es eine für den eigenen Fall ungünstige Rechtsauffassung einnimmt.

Angesichts des oben geschilderten und auch der 2. Handelskammer des Landgerichtes Frankenthal dezidiert vorgetragenen Sachverhaltes (mit Dokumentenvorlage, indem die Gegenseite das Vorliegen einer Sondervereinbarung explizit bestätigt und danach ihre Lieferungen auch abgerechnet hat), kann diesseits unter gar keinen rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkten nachvollzogen werden, wo denn das LG Frankenthal \"schwerwiegende Argumente\" für den von ihm behaupteten Tarifkundenstatus sieht ??

Es wäre schon äußerst hilfreich, wenn Sie hier die \"schwerwiegenden Argumente\" für das Vorliegen eine Tarifvertrages in meinem Falle dezidiert dartun würden.

Es geht hier offensichtlich nicht um die Frage, ob das Gericht \"eine für den eigenen Fall ungünstige Rechtsauffassung vertritt\", sondern m.E. einzig und allein darum , ob hier tatsächlich eine Besorgnis der Befangenheit gegeben ist (Verweigerung rechtlichen Gehörs, s. diesbezüglich einschlägige Entscheidungen des BVerfG).

Höchst interessant finde ich Ihren Beitrag, wie ein Befangenheitsantrag gegen den \"GF-Gutachter\" begründet und somit Erfolg haben könnte:

In Ihrem Falle wäre an eine Befangenheit zu denken, wenn auch das vom Gutachter geführte Unternehmen von Preisprotesten betroffen wäre, und daraus ein Interesse abgeleitet werden könnte, dieses Verfahren in eine für die Verbraucher ungünstige Richtung zu lenken.

Das wäre ein möglicher Ansatzpunkt nur die Hürde ist hoch wenn der Antrag bei einem Gericht gestellt wird, dass bislang sämtlicher fundierter Argumentation des Beklagten nicht zugänglich ist.

Ihr Auffassung, wonach 90% des in Deutschland an Regionalgasunternehmen gelieferten Gases bis 2007 mit kartellrechtswidrigen Bezugsverträgen (u.a. Bindung über 2 Jahre hinaus) , so auch im vorliegenden Fall geliefert worden ist, hat mein Schulfreund, Teilhaber einer renommierten Anwalts- und Steuerberaterkanzlei im hiesigen Raum, bereits eruiert und dies ist auch bereits vorgetragen. Selbst die Tatsache, dass der Vorlieferant der Pfalzgas GmbH (die ehemalige Saar Ferngas AG) beherrschende Muttergesellschaft bis 2007 gewesen ist und diese aufgrund eines 14 -jährigen Liefervertrag, der bis heute noch besteht, zu kartellrechtswidrigen Preisen beliefert, gibt dem Landgericht Frankenthal keinen Anlass auch nur ansatzweise diesem rechtswidrigen Zustand im Rahmen der ihm obliegenden Aufklärungspflicht nachzugehen.

Mein Schulfreund und ich verfolgen schon mit wachsamen Augen die Bilanzen (GuV) der Pfalzgas GmbH und er holt auch diesbezüglich Auskünfte beim Registergericht ein,
nur was nützt all dies, wenn ein Gericht sich sämtlicher Argumentation verschließt und offensichtlich verfassungswidrig dem Beklagten das rechtliche Gehör verweigert?

Jedenfalls darf ich mich an dieser Stelle nochmals recht herzlich für Ihren im übrigen vorzüglichen Beitrag bedanken und werde diesen selbstredend mit meinem Schulfreund und mit dem Rechtsanwalt dezidiert besprechen.

Vielleicht kommt noch der eine oder andere wertvolle Beitrag im \"Kampf um das Recht\" herein.

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