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Autor Thema: Techniker berichtet über Chaos in Biblis  (Gelesen 2624 mal)

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Offline DieAdmin

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Techniker berichtet über Chaos in Biblis
« am: 20. Oktober 2009, 19:35:47 »
berichtet der Spiegel

http://www.spiegel.de/wissenschaft/technik/0,1518,654829,00.html

Zitat
Montagepannen, Organisationsfehler, falsche Pläne: Im Atomkraftwerk Biblis sollen laut einem Ex-Mitarbeiter zeitweise chaotische Zustände geherrscht haben. Die Betreiberfirma RWE Power bestreitet das - doch ein SPIEGEL ONLINE vorliegendes Gutachten stützt einige Vorwürfe des Technikers.
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Offline Cremer

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Techniker berichtet über Chaos in Biblis
« Antwort #1 am: 20. Oktober 2009, 21:35:16 »
@Evi,

noch so ein \"Aufreißer\" wie gestern der Zweiteiler von RTL \"Vulkan\"

hier aus der IPPNW:

Zitat
Die Schilderungen des Elektromonteurs über die Zustände in Biblis klingen haarsträubend: \"Man kann in Biblis A nicht von einer Fehlorganisation sprechen, sondern man kann das nur als Chaos bezeichnen. Einem organisatorischen Chaos und einem Chaos was die Planung und Durchführung der Änderungen betrifft. Die Atmosphäre war vergiftet durch Streit, Schuldzuweisungen, gegenseitigen Vorwürfen, Intrigen, Lügen und Bedrohung bis hin zur Nötigung zwischen dem gesamten Personal von Planung, Montage und Inbetriebsetzung.\" Weiterhin führte er aus: „Unter anderem war es notwendig, spezielle Absteuerungsvarianten des Antriebs durch Einlöten von Dioden am Baugruppenträger der Steuerschränke vorzunehmen. Da wir für diese spezielle Arbeit keine entsprechende Routine hatten, kam es zu Kurzschlüssen bei denen dann ganze Anschlussstifte und Leitungsverbindungen schmolzen und erheblich beschädigt wurden. Wir haben diese schadhaften Stellen notdürftig wiederhergestellt. Wenn wir den TÜV informiert hätten, hätte der ganze Baugruppenträger ausgetauscht werden müssen, wodurch es zu erheblichen Kosten und Verzögerungen gekommen wäre.“

warum kommt der IPPNW erst jetzt, obwohl die Zustände bereits bis 2007 bekannt waren, damit an die Öffentlichkeit. Nirgends findet man einen konkreten Hinweis auf das besagte Gutachten.

Siehe hier Pressemeldung der IPPNW vom 1.8.2007
http://archiv.ippnw.de/arc-presse/presse-2007/artikel/6a63e6f64c/ehemalige-beschaeftigte-erheben-vorw.html
MFG
Gerd Cremer
BIFEP e.V.

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Offline Wolfgang_AW

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Techniker berichtet über Chaos in Biblis
« Antwort #2 am: 23. Oktober 2009, 11:15:54 »
Das Problem geht noch tiefer, wie gestern in \"Kontraste\" zu sehen war.

Sicherheitsrisiko Biblis - Atomaufsicht gegen Wiederanfahren des Reaktors

Zitat
Die Bundesatomaufsicht sieht ein zu hohes Sicherheitsrisiko für das hessische Kernkraftwerk Biblis. Deshalb will sie das Wiederanfahren des Reaktors vorläufig stoppen. Anlass sind KONTRASTE-Recherchen, die belegen, dass es an dem Reaktor Probleme mit dem Notkühlsystem gibt.

Mit freundlichen Grüßen

Wolfgang_AW
„Es hat sich bewährt, an das Gute im Menschen zu glauben, aber sich auf das Schlechte zu verlassen.“

(Alfred Polgar)

Offline Wolfgang_AW

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Techniker berichtet über Chaos in Biblis
« Antwort #3 am: 23. Oktober 2009, 13:11:53 »
Im Magazin \"Der Spiegel\" Nr. 42 vom 12.10.2009 wird in einem großen 4-seitigen Artikel unter der Überschrift \"Die Atom-Schlamperei\" über Europas größte Atombaustelle im finnischen Olkiluoto berichtet.

Herstellerfirmen des Europäischen Druckwasser-Reaktors, kurz EPR, sind Siemens und der frz. Nuklearkonzern Areva.

Zitat
Auftraggeber und Herstellerfirmen sind heillos zerstritten, sie kämpfen vor einem Schiedsgericht um Milliarden. Die Kosten explodieren, die Fertigstellung verzögert sich um Jahre. Vor allem aber werfen Kritiker dem Konsortium vor, gefährlich zu pfuschen. Beton sei porös, Stahl sei rissig, und manche Konstruktionsprinzipien seien so gewagt, dass es die Experten von der finnischen Atomaufsicht schaudern lasse.
(...)
Mit einem Desaster hatte kaum jemand gerechnet, als Frankreichs Staatsbetrieb Areva und der deutsche Siemens-Konzern den Finnen ihren EPR-Prototyp schlüssel fertig anboten: zum Komplettpreis von drei Milliarden Euro. Die Franzosen übernahmen den nuklearen Teil und die Leittechnik, Siemens sollte hauptsächlich Dampfturbinen und Transformatoren liefern. Ein gutes Geschäft, dachten sich die TVO-Manager, damals im Dezember 2003.
Ursprünglich hätte das Kraftwerk schon in diesem Frühjahr ans Netz gehen sollen. Doch nun soll es erst 2012 so weit sein -vielleicht. Ob es klappt, „hängt vom Verhalten meiner Kunden ab\", sagt Areva-Manager Mouroux spitz. Damit meint er TVO.
Außerdem wird der Bau mindestens 2,3 Milliarden Euro teurer als geplant.
(...)
Eine Firma hatte die Rohre des Hauptkühlkreislaufs, die direkt zum Reaktor führen, falsch verarbeitet - sie ließen sich deshalb nicht mit Ultraschall testen. Also ließ Areva die Rohre austauschen. Die neuen Rohre ließen sich zwar testen; dafür waren sie an der Oberfläche rissig.
Für das Fundament des Reaktors verwandte die zuständige Firma einen anderen Beton als vorgeschrieben; der ließ sich zwar besser verarbeiten, war aber poröser und musste deshalb extra versiegelt werden. Auch der Stahl, der die Betonhülle von innen verstärkt, hat Schweißmängel. Eine polnische Firma schnitt Löcher an den falschen Stellen, die sie anschließend wie der zuschweißen musste. Weil alles repariert worden sei, beeinträchtigten diese Dinge die Sicherheit nicht, sagt Tiippana.
Von den Hunderten Subunternehmern haben nur die wenigsten Erfahrungen in der Reaktortechnik. Viele arbeiten, als würden sie mal eben schnell eine Doppelgarage irgendwo hinstellen. Einmal entschieden die Arbeiter einer Firma kurzerhand, ein Rohr für einen Messfühler wo anders anzubringen als vorgesehen. Der Platz war ihnen zu schwer zugänglich. Doch das Gerät musste genau dort messen, wo die Konstrukteure es vorsahen. Atominspektor Tiippana: „Die Leute müssen wissen, warum sie sich genau an die Vorgaben halten müssen, auch wenn nicht jeder Arbeiter Nuklearwissenschaftler werden soll.\"
(...)
„Das ist kein Vorzeigeprojekt, das ist ein Vorzeigedesaster\", behauptet Mycle Schneider, deutscher Atomexperte aus Paris und Träger des Alternativen Nobelpreises.

[Sarkasmus]Na denn man los mit dem Bau vieler weiterer Atomreaktoren[/Sarkasmus]

Es birgt ja schon ein gewisses Risiko in der der Nähe des Laacher Sees zu wohnen :-) (Vulkanismus), der Rheingraben hat es ja auch in sich (Erdbeben), Die Salzstöcke halten auch nicht mehr das, was uns mal \"versprochen\" wurde und jetzt wird eben das Milliardengrab Atom-Meiler durch die Laufzeitverlängerung bzw. diverse Neubauten in aller Welt noch größer.
Die Schafherde der Kunden/Steuerzahler zahlen es ja.

dazu im \"Spiegel \"

Zitat
„Eine Reihe amerikanischer Firmen haben sich die Situation in Finnland und die Größe der Investition dort erschüttert angesehen\", sagt der US-Ökonom Paul Joskow vom Massachusetts Institute of Technology.
Das Haushaltsbüro des US-Kongresses bewertete schon 2003 die Risiken, dass Bürgschaften zum Bau neuer Atomkraftwerke fällig werden, mit „mehr als 50 Prozent\". 2007 schrieben sechs große Investmentbanken ans US-Energieministerium: Geld für Neubauten lasse sich nur beschaffen, wenn der Staat „zu 100 Prozent ohne Bedingungen\" für diese Kredite bürge.
Billig wird Atomstrom nur dann, wenn alte Reaktoren lange und komplikationsfrei am Netz sind - und der Staat sich um die ungelöste Endlagerfrage kümmert. Das Berliner Öko-Institut hat ausgerechnet, dass ein Stromkonzern mit einem alten Atommeiler zwischen 800000 und 2,2 Millionen Euro verdienen kann - an jedem Tag, den das AKW länger läuft als geplant. Bleiben alle deutschen Meiler acht Jahre länger am Netz, streichen die Energieversorger je nach Strompreis bis zu 84 Milliarden Euro ein.

Für Deutschland bleibt dieHoffnung, dass sich die Kosten des längeren Erhalts (zb: Biblis oder Krümmel) auf höchstem Sicherheitsstandard letztendlich vielleicht doch nicht rechnen.

Im finnischen Olkiluoto sollen laut \"Spiegel\" sogar Zettel mit der viersprachigen Aufforderung hängen: \"Bitte machen Sie Ihre Notdurft nicht ins Objekt\"

Ich finde, gerade dazu sind solche Objekte doch ausgezeichnet geeignet :-)


Mit freundlichen Grüßen

Wolfgang_AW
„Es hat sich bewährt, an das Gute im Menschen zu glauben, aber sich auf das Schlechte zu verlassen.“

(Alfred Polgar)

 

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