Im Magazin \"Der Spiegel\" Nr. 42 vom 12.10.2009 wird in einem großen 4-seitigen Artikel unter der Überschrift \"Die Atom-Schlamperei\" über Europas größte Atombaustelle im finnischen Olkiluoto berichtet.
Herstellerfirmen des Europäischen Druckwasser-Reaktors, kurz EPR, sind Siemens und der frz. Nuklearkonzern Areva.
Auftraggeber und Herstellerfirmen sind heillos zerstritten, sie kämpfen vor einem Schiedsgericht um Milliarden. Die Kosten explodieren, die Fertigstellung verzögert sich um Jahre. Vor allem aber werfen Kritiker dem Konsortium vor, gefährlich zu pfuschen. Beton sei porös, Stahl sei rissig, und manche Konstruktionsprinzipien seien so gewagt, dass es die Experten von der finnischen Atomaufsicht schaudern lasse.
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Mit einem Desaster hatte kaum jemand gerechnet, als Frankreichs Staatsbetrieb Areva und der deutsche Siemens-Konzern den Finnen ihren EPR-Prototyp schlüssel fertig anboten: zum Komplettpreis von drei Milliarden Euro. Die Franzosen übernahmen den nuklearen Teil und die Leittechnik, Siemens sollte hauptsächlich Dampfturbinen und Transformatoren liefern. Ein gutes Geschäft, dachten sich die TVO-Manager, damals im Dezember 2003.
Ursprünglich hätte das Kraftwerk schon in diesem Frühjahr ans Netz gehen sollen. Doch nun soll es erst 2012 so weit sein -vielleicht. Ob es klappt, „hängt vom Verhalten meiner Kunden ab\", sagt Areva-Manager Mouroux spitz. Damit meint er TVO.
Außerdem wird der Bau mindestens 2,3 Milliarden Euro teurer als geplant.
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Eine Firma hatte die Rohre des Hauptkühlkreislaufs, die direkt zum Reaktor führen, falsch verarbeitet - sie ließen sich deshalb nicht mit Ultraschall testen. Also ließ Areva die Rohre austauschen. Die neuen Rohre ließen sich zwar testen; dafür waren sie an der Oberfläche rissig.
Für das Fundament des Reaktors verwandte die zuständige Firma einen anderen Beton als vorgeschrieben; der ließ sich zwar besser verarbeiten, war aber poröser und musste deshalb extra versiegelt werden. Auch der Stahl, der die Betonhülle von innen verstärkt, hat Schweißmängel. Eine polnische Firma schnitt Löcher an den falschen Stellen, die sie anschließend wie der zuschweißen musste. Weil alles repariert worden sei, beeinträchtigten diese Dinge die Sicherheit nicht, sagt Tiippana.
Von den Hunderten Subunternehmern haben nur die wenigsten Erfahrungen in der Reaktortechnik. Viele arbeiten, als würden sie mal eben schnell eine Doppelgarage irgendwo hinstellen. Einmal entschieden die Arbeiter einer Firma kurzerhand, ein Rohr für einen Messfühler wo anders anzubringen als vorgesehen. Der Platz war ihnen zu schwer zugänglich. Doch das Gerät musste genau dort messen, wo die Konstrukteure es vorsahen. Atominspektor Tiippana: „Die Leute müssen wissen, warum sie sich genau an die Vorgaben halten müssen, auch wenn nicht jeder Arbeiter Nuklearwissenschaftler werden soll.\"
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„Das ist kein Vorzeigeprojekt, das ist ein Vorzeigedesaster\", behauptet Mycle Schneider, deutscher Atomexperte aus Paris und Träger des Alternativen Nobelpreises.
[Sarkasmus]Na denn man los mit dem Bau vieler weiterer Atomreaktoren[/Sarkasmus]
Es birgt ja schon ein gewisses Risiko in der der Nähe des Laacher Sees zu wohnen :-) (Vulkanismus), der Rheingraben hat es ja auch in sich (Erdbeben), Die Salzstöcke halten auch nicht mehr das, was uns mal \"versprochen\" wurde und jetzt wird eben das Milliardengrab Atom-Meiler durch die Laufzeitverlängerung bzw. diverse Neubauten in aller Welt noch größer.
Die Schafherde der Kunden/Steuerzahler zahlen es ja.
dazu im \"Spiegel \"
„Eine Reihe amerikanischer Firmen haben sich die Situation in Finnland und die Größe der Investition dort erschüttert angesehen\", sagt der US-Ökonom Paul Joskow vom Massachusetts Institute of Technology.
Das Haushaltsbüro des US-Kongresses bewertete schon 2003 die Risiken, dass Bürgschaften zum Bau neuer Atomkraftwerke fällig werden, mit „mehr als 50 Prozent\". 2007 schrieben sechs große Investmentbanken ans US-Energieministerium: Geld für Neubauten lasse sich nur beschaffen, wenn der Staat „zu 100 Prozent ohne Bedingungen\" für diese Kredite bürge.
Billig wird Atomstrom nur dann, wenn alte Reaktoren lange und komplikationsfrei am Netz sind - und der Staat sich um die ungelöste Endlagerfrage kümmert. Das Berliner Öko-Institut hat ausgerechnet, dass ein Stromkonzern mit einem alten Atommeiler zwischen 800000 und 2,2 Millionen Euro verdienen kann - an jedem Tag, den das AKW länger läuft als geplant. Bleiben alle deutschen Meiler acht Jahre länger am Netz, streichen die Energieversorger je nach Strompreis bis zu 84 Milliarden Euro ein.
Für Deutschland bleibt dieHoffnung, dass sich die Kosten des längeren Erhalts (zb: Biblis oder Krümmel) auf höchstem Sicherheitsstandard letztendlich vielleicht doch nicht rechnen.
Im finnischen Olkiluoto sollen laut \"Spiegel\" sogar Zettel mit der viersprachigen Aufforderung hängen: \"Bitte machen Sie Ihre Notdurft nicht ins Objekt\"
Ich finde, gerade dazu sind solche Objekte doch ausgezeichnet geeignet :-)
Mit freundlichen Grüßen
Wolfgang_AW