Die 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Regensburg hat der Zahlungsklage der REWAG mit der Begründung stattgegeben, die Vorschriften der AVBGasV seien in einen Gaslieferungsvertrag wirksam einbezogen worden und die Unbilligkeitseinrede sei im Zahlungsprozess des Versorgers gegen den Kunden gem. § 30 AVBGasV ausgeschlossen. Die Berufung wurde nicht zugelassen.
Aus den Urteilsgründen:
Die Klage ist im Bezug auf die Hauptsache in Höhe von 446,37 EUR aufgrund der erbrachten Erdgaslieferungen gemäß § 433 II BGB in Verbindung mit dem Erdgasversorgungsvertrag begründet.
Soweit sich die Beklagte darauf beruht, dass die Gaspreiserhöhungen unbillig waren und daher nicht zu zahlen sind, steht dem § 30 AVBGasV entgegen.
Zunächst war festzustellen, dass die AVBGasV Bestandteil des Vertrages wurden. Dass diese Verordnung als Anlage dem Vertrag beiliegt, ist unmittelbar unter der Unterschrift der Beklagten in den Vertrag deutlich lesbar aufgedruckt. Damit aber schwenkt die Beweislast um. Es wäre Sache der Beklagten gewesen zu beweisen, dass die AVBGasV nicht dem Vertrag beigelegen hat. Diesen Beweis hat sie nicht angetreten.
Nach § 30 AVB berechtigen Einwände gegen Rechnungen nur dann zum Zahlungsaufschub oder zur Zahlungsverweigerung, wenn sich aus den Umständen ergibt, dass offensichtliche Fehler vorliegen und wenn dies angezeigt wird. Offensichtliche Fehler liegen nicht vor.
Soweit die Beklagte auf die entsprechenden Entscheidungen zu § 30 AVB Wasserverordnung verweist und auf an eine entsprechende Entscheidung aus dem Bereich der Fernwärmeversorgung, so sind diese für das vorliegende Verfahren nicht bindend.
Darüberhinaus zeigt gerade der vorliegende Fall, dass hinter § 30 AVBGasV ein gebilligter gesellschaftspolitischer Zweck steht. Denn Preiserhöhungen erregen immer - ob berechtigt oder nicht - den Unmut der Verbraucher. Bei entsprechender Organistation durch Verbraucherverbände könnte somit bei einem großen Umfang von Zahlungsverweigerungen die finanzielle Kraft des Energieversorgers schnell und erheblich beeinträchtigt werden. Dies steht andererseits aber sicherlich im Widerspruch zu den Zwecken der Energieversorgung. Der Kunde ist damit jedoch nicht schutzlos. Denn der Rückforderung seinerseits durch Klage steht § 30 AVBGasV nicht entgegen. Durch die vorgenannte Vorschrift wird sozusagen nur geregelt, wer klagen muss, wenn er meint, dass die Gaspreiserhöhung unbillig sei.
Für die Zulassung der Berufung bestand keinerlei Anlass.
Anmerkung:Die Entscheidung ist rechtsfehlerhaft und steht in mehreren Punkten im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes.
1.
Die Frage der Einbeziehung der AVBGasV als AGB stellt sich nur bei einem Sondervertrag, wobei der Klauselverwender die Darlegungs- und Beweislast für die wirksame Einbeziehung trägt. Die Einbeziehung könnte aber nach den Entscheidungen des OLG Oldenburg v.05.09.08 und des KG Berlin vom 28.10.08 dahinstehen:
Selbst eine wirksame Einbeziehung gem. Art. 229 § 5 EGBGB iVm. § 305 II BGB (vgl. dazu umfassend LG Gera, Urt. v. 07.11.2008 - 2 HKO 95/08] führt zu keinem wirksamen Preisänderungsrecht in einem Sondervertrag (vgl. nur zutreffend OLG München, Urt. v. 12.03.2009, Az. 23 U 4606/08].
2.
a)
Eine AGB- Klausel in einem Sondervertrag, die den Kunden durch einen Einwendungsausschluss mit der Unbilligkeitseinrede auf einen Rückforderungsprozess verweist, ist ihrerseits unwirksam, wie der BGH bereits mehrfach entschieden hat (vgl. nur BGH, Urt. v. 05.07.2005 - X ZR 60/04 = WuM 2005, 589 = NJW 2005, 2919).
b)
Auch bei Tarifkunden ist die Unbilligkeitseinrede nicht durch § 30 AVBV ausgeschlossen (BGH NJW 2003, 3131; BGH NJW 2006, 1667 (1670 f.) ).
Insbesondere rechtlich unzutreffend ist, dass die Unbilligkeitseinrede gem. § 315 BGB vom Einwendungsausschluss gem. § 30 AVBGasV umfasst sei.
Dies hatte der BGH wiederholt anders entschieden, zuletzt für Gastarifkunden im Urteil vom 19.11.2008 - VIII ZR 138/07:
Das Amtsgericht Dinslaken hatte mit gleicher Begründung (Einwendungsausschluss gem. § 30 AVBGasV) der Zahlungsklage der Stadtwerke Dinslaken (Widerklage) gegenüber einem Gastarifkunden stattgegeben. Auf die Berufung hatte das LG Duisburg mit Urteil vom 10.05.2007 wegen fehlenden Billigkeitsnachweises die Zahlungsklage abgewiesen. Der Fall ging in die Revision zum Bundesgerichtshof.
Der BGH hat im Urteil vom 19.11.2008 - VIII ZR 138/07 das erstinstanzliche Urteil (Amtsgericht Dinslaken) nicht etwa wegen eines bestehenden Einwendungsausschlusses wieder hergestellt, sondern vielmehr ausdrücklich festgestellt, dass den Gasversorger im Zahlungsprozess gegen einen Tarifkunden die Darlegungs- und Beweislast für die Billigkeit der Tarifneufestsetzung trifft (aaO., Tz. 28].
Die Frage ist also bereits durch den BGH mehrfach geklärt undzwar im Gegensatz zum LG Regensburg.
Das LG Regensburg hat zudem offensichtlich verkannt, dass der Verordnungsgeber in § 17 Abs. 1 Satz 3 GasGVV nunmehr sogar ausdrücklich klarstellend anordnet, dass § 315 BGB vom Einwendungsausschluss unberührt bleibt. Eine demgegenüber zu Lasten des Gaskunden ungünstigere AGB- Klausel in einem Sondervertrag ist auch gem. §§ 307, 310 II BGB unwirksam.
Die betroffene Beklagte sollte alle zur Verfügung stehenden rechtlichen Mittel gegen diese Entscheidung ausschöpfen.
Thomas Fricke
Rechtsanwalt