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BGH, Urt. v. 15.07.2009 VIII ZR 225/07 Abgrenzung Tarifkunde, Unwirksame Klausel

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RR-E-ft:
Warum nicht?

\"Normsondervertrag\"?

Alexander Heyers:
Ich gehe davon aus, dass die nächsten Streitigkeiten
darüber gehen werden, ob eine Klausel dem
gesetzlichen Preisänderungsrecht entspricht oder nicht.

Die Versorger werden argumentieren:

\"Unsere Klausel sagt, dass wir die Preise ändern dürfen.
Das gesetzliche Preisänderungsrecht besagt,
dass Preise geändert werden dürfen.
Also entspricht unsere Klausel dem gesetzlichen Preisänderungsrecht\".

Der BGH hat in dieser Entscheidung allerdings konkretisiert,
was das gesetzliche Preisänderungsrecht (mindestens)
beinhalten muss:

Die Preisanpassungsklausel der Beklagten enthält aber keine unveränderte Übernahme des Preisänderungsrechts nach § 4 AVBGasV in den Sondervertrag mit dem Kläger, sondern weicht – jedenfalls bei der gebotenen kundenfeindlichsten Auslegung – in zweifacher Hinsicht zum Nachteil der Kunden der Beklagten davon ab und ist deshalb gemäß § 307 Abs. 1 BGB unwirksam. § 4 AVBGasV ermöglicht die Weitergabe von gestiegenen Bezugskosten an Tarifkunden nur insoweit, als die Kostensteigerung nicht durch rückläufige Kosten in anderen Bereichen ausgeglichen wird (BGHZ 172, 315; Urteil vom 19. November 2008 – VIII ZR 138/07; dazu Pressemitteilungen Nr. 70/2007 und Nr. 211/2008]. Nach der Preisanpassungsklausel der Beklagten ist dagegen eine Preiserhöhung wegen gestiegener Bezugskosten auch dann zulässig, wenn sich deren Kosten insgesamt nicht erhöht haben. Außerdem geht das Preisänderungsrecht des Gasversorgungsunternehmens nach § 4 AVBGasV wegen der Bindung an billiges Ermessen mit der Rechtspflicht einher, gefallenen Gasbezugskosten nach gleichen Maßstäben wie gestiegenen Kosten Rechnung zu tragen (BGHZ 176, 244, dazu Pressemitteilung Nr. 86/2008]. Eine solche Verpflichtung enthält die Preisanpassungsklausel der Beklagten nicht. Danach ist die Beklagte zwar berechtigt, nicht aber verpflichtet, zu bestimmten Zeitpunkten eine Preisanpassung nach gleichen Maßstäben unabhängig davon vorzunehmen, in welche Richtung sich die Gasbezugskosten seit Vertragsschluss oder seit der letzten Preisanpassung entwickelt haben.

Erstens also muss geregelt sein,
dass eine Kostensteigerung nur dann weitergegeben werden darf,
wenn diese nicht durch rückläufige anderweitige Kosten gedeckt werden kann,

und zweitens muss die Klausel neben der Berechtigung zur Preisanpassung
auch die Verpflichtung zur Preisanpassung enthalten.

Das ginge mE nur, wenn die Klausel lautete:
\"Versorger hat ein Preisänderungsrecht im Sinne der gesetzlichen Regelung\".

Das werden viele Versorger herleiten aus der ergänzenden Bezugnahme
auf die (jeweils gültigen) Allgemeine Versorgungsbedingungen.
Es wird sie nicht stören, wenn dort nur steht:
\"soweit nichts anderes vereibart ist\".
Aus dem logischen Schluss heraus,
dass, wenn die vereinbarte Klausel unwirksam ist,
ja nichts vereinbart ist, und von daher dann auf die
(jeweils gültigen) Allgemeine Versorgungsbedingungen zurückgegriffen werden kann.

Und weiterhin mit dem Argument, dass eine Klausel wie
\"ist berechtigt, die Preise den Bedingungen auf dem Wärmemarkt anzupassen\"
eigentlich in Wahrheit nur so eine Art unverbindlicher
Hinweis auf das in Wahrheit bestehende gesetzliche Preisänderungsrecht ist.
Und nicht wirklich etwas zu bedeuten hat.
Außer, dass man damit sagen will, dass man gerne ein Preisänderungsrecht hätte.
Und es ein gesetzliches Preisänderungsrecht gibt.
Und von daher die eigene Klausel dem \"Leitbild im weiteren Sinne\" entspricht.
Dass \"im weiteren Sinne\" dann irgendwie so gemeint ist,
dass für den Kunden erkennbar ist, dass Preise geändert werden dürfen.

Was natürlich in der Form alles ziemlicher Dummfug ist.
Aber meine Hand ins Feuer, dass nicht wenige Gerichte dem folgen werden.

RR-E-ft:
Dass dann, wenn eine besondere Preisänderungsklausel unwirksam ist und in den AGB vorgesehen ist, dass soweit nichts anderes geregelt ist, im Übrigen  die Vorschriften der AVBGasV gelten, kein Preisänderungsrecht besteht, ist bereits mehrfach geklärt (BGH KZR 2/07; BGH VIII ZR 274/06; BGH VIII ZR 225/07).

Es mag  sein, dass der Senat tatsächlich  meint, die Klausel müsse, um einer Inhaltskontrolle standzuhalten,   für Preiserhöhungen und Preissenkungen all jene Kriterien berücksichtigen und also benennen und beinhalten, die der Senat für die Preisänderungen gegenüber Tarifkunden aufgestellt hat.

Der Kartellsenat des BGH hatte zudem beanstandet, dass die Revisionszeitpunkte nicht in der Klausel festgelegt waren, so dass es dem Versorger überlassen blieb, wann er seine Preise neu kalkulierte, was die Möglichkeit zur nachträglichen Verschiebung des Äquivalenzverhältnisses eröffnet. Solche vorfestgelegten Revisionszeitpunkte gibt es bei Tarifkunden nicht, was der Kartellsenat durch  die gesetzliche Versorgungspflicht als gerechtfertigt ansah.  

Eine Klausel, die die o.g. Kriterien benennt und zudem festgelegte Revisionszeitpunkte beinhaltet, könnte dann wegen der Leitbildfunktion einer Inhaltskontrolle standhalten. Auf dieser Linie liegt ja auch die Entscheidung des OLG Hamm vom 29.05.2009.

Es ist eine crux mit obiter dicta, die immer zur Rechtsverwirrung beitragen und auch sonst bedenklich sind.

Alexander Heyers:

--- Zitat ---Original von RR-E-ft
Dass dann, wenn eine besondere Preisänderungsklausel unwirksam ist und in den AGB vorgesehen ist, dass soweit nichts anderes geregelt ist, im Übrigen  die Vorschriften der AVBGasV gelten, kein Preisänderungsrecht besteht, ist bereits mehrfach geklärt (BGH KZR 2/07; BGH VIII ZR 274/06; BGH VIII ZR 225/07).

--- Ende Zitat ---

Ja, beim BGH vielleicht,
in den Köpfen so mancher Richter aber nicht.

Ich erinnere hier an das Urteil des LG Itzehoe,
hier entschied immerhin der Vizepräsident des LG.
Und zwar wie folgt:

Die Klausel lautet:
(Versorgerin) ist berechtigt,
ihre Preise der Preisentwicklung auf dem Wärmemarkt anzupassen.
Im Übrigen erfolgt die Gaslieferung ... nach der Verordnung über
allgemeine Bedingungen für die Gasversorgung von Tarifkunden (AVB/GasV)
vom 21. Juni 1997 ... in der jeweils gültigen Fassung.
Bei Widersprüchen haben die Bestimmungen dieses Vertrages Vorrang.

So noch extra im Urteil zusammengefasst.

Und nun im O-Ton:

\"Die Beklagten (er meint wohl die Parteien) haben unter Ziffer 3 des Sondervertrages vereinbart, dass die Beklagte (Versorgerin) berechtigt sei, ihre Preise der Preisentwicklung auf dem Wärmemarkt anzupassen, und unter Ziffer 4 bestimmt, dass \"im Übrigen\" die Gaslieferung nach der AVB/GasV erfolge. Die Preisanpassungsklausel ergibt sich folglich aus Ziffer 3 des Sondervertrages. Die Beklagte ist jedoch durch den Übergang zu Ziffer 4 mit der Formulierung \"im Übrigen ... gilt die AVB/GasV\" hinsichtlich des vorgesehenen Preisanpassungsrechts von dem Leitbild der AVB/GasV nicht abgewichen, sondern hat damit klargestellt, dass die Preisanpassung unter Zugrundelegung der AVB/GasV zu erfolgen hat.\"

Die Berufungsbegründung ist mittlerweile beim OLG Schleswig eingegangen,
wir sind gespannt, wie das OLG das sieht.

Und genau diese Schiene (und Schlimmeres) erwarte ich in Zukunft.
Nicht weil mir das Spass macht oder ich das gar so sehe.

RR-E-ft:
Die BGH- Entscheidung ist nunmehr veröffentlicht

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