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Autor Thema: Prozess am LG Stuttgart  (Gelesen 13380 mal)

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Offline RR-E-ft

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Prozess am LG Stuttgart
« am: 13. Mai 2009, 15:37:43 »
Prozess am LG Stuttgart

Zitat
Am Donnerstag wurde die Beweisaufnahme fortgesetzt.

Erste Frage: Haben die Stadtwerke lediglich an die Tarifkunden weitergegeben, was sie selbst mehr an ihren Gaslieferanten zu zahlen hatten?

Der Wirtschaftsprüfer Gerhard Kirschner, der den Jahreabschluss 2005 geprüft hatte, bestätigt: Die Stadtwerke haben 5,8 Millionen Euro mehr für die Gaslieferungen des Jahres gezahlt, aber mit dem Gasverkauf nur 4,8 Millionen Euro mehr an Umsatz gemacht, also eine Million aus der Gaspreiserhöhung durch den Lieferanten nicht weitergegeben.

Nächste Frage: Haben die Stadtwerke Entlastungen durch Kostensenkungen nicht weitergegeben? Hierzu vertiefen sich Wirtschaftsprüfer und die drei Richter in die Zahlen. Ergebnis: Rund 200 000 Euro Mehrkosten stehen zu Buche, Kostensenkungen waren für den Gasbereich im Jahr 2005 nicht in Sicht.

Dritte Frage: Haben nur die Tarifkunden die Zeche zahlen müssen, während die industriellen Großabnehmer von der Preiserhöhung durch die Gasversorgung Süddeutschland (GVS) verschont blieben? Die Frage wird nicht präzise beantwortet. Die Stadtwerke bestätigen, dass es für „Betriebskunden“ andere Verträge und Preise gibt als für die Tarifkunden.

Ein Mitarbeiter der GVS erklärt, dass es zwischen den Stadtwerken und der GVS für einzelne Kunden der Stadtwerke spezielle Verträge mit individueller Preisgestaltung gebe. Die Frage, ob unterschiedliche Preise für Firmen bzw. Private zulässig sind, konnte nicht Gegenstand des Verfahrens sein, meint das Gericht – wegen der BGH-Entscheidung.
Offen blieb auch die Frage, ob den Stadtwerken der Vorwurf zu machen sein könnte, zu schlecht mit ihren Lieferanten verhandelt zu haben. Richter Ruf machte in seinem Schlusswort deutlich, dass er keinen Sinn darin sehe, dieser Frage weiter nachzugehen. Heigl werde sich in Stuttgart nicht durchsetzen können, er empfahl Heigl als nächste Instanz gleich den Bundesgerichtshof.

Die Urteilsverkündung ist für den 28. Mai angesetzt.

Die Mehrkosten bei der Gasbeschaffung könnten ebenso wie die weiteren Kosten der Gassparte nur die Großkunden betroffen haben, die nicht vollständig an diese weitergegeben wurde. Wenn der behauptete Bezugskostenanstieg um 5,8 Mio EUR allein die Großkunden betraf und davon nur 4,8 Mio. EUR allein auf die Tarifkunden gewälzt wurden, wäre dies vollkommen unbillig.

Auf die Kosten der gesamten Gassparte kann dabei nicht abgestellt werden, sondern es kommt auf die Entwicklung der anderen preisbildenden Kostenfaktoren des konkreten Preissockels (Netzkosten, Konzessionsabgaben, Energiesteuern, Kosten der Messung) an (vgl. BGH, Urt. v. 19.11.2008 - VIII ZR 138/07 Tz. 39).

Offline tangocharly

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Prozess am LG Stuttgart
« Antwort #1 am: 13. Mai 2009, 16:34:49 »
..... na da bin ich aber gespannt, ob die Stadtwerke Aalen dem Antrag nach § 566 Abs. 1 ZPO zustimmen werden
<<Der Preis für die Freiheit ist die Verantwortung>>

Offline reblaus

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Prozess am LG Stuttgart
« Antwort #2 am: 13. Mai 2009, 16:39:47 »
Problematisch könnte an dieser Hauptverhandlung sein, dass nicht gefragt wurde, ob die mit der GVS abgeschlossenen Bezugsverträge für die Einzelkunden die gleichen Preissteigerungen zu verzeichnen hatten, wie die Verträge für Privatkunden. Hierauf kommt es bei einem Verstoß gegen § 19 GWB an.

Warum ein solcher Verstoß der gerichtlichen Kontrolle durch das Landgericht entzogen sein soll, ist nicht verständlich. Es handelt sich doch um nichts anderes als dass entstandene Bezugskosten verbotenerweise der Kalkulation der Privatkundenpreise zugeordnet wurden, und dies mit dieser Vertragskonstruktion verdeckt werden soll. Mit solchen Verträgen kann nur eines bewiesen werden: den Vorsatz der Unterschlagung.

Offline RR-E-ft

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Prozess am LG Stuttgart
« Antwort #3 am: 13. Mai 2009, 16:43:18 »
@reblaus

Vierlleicht kann der \"Vorsatz der Unterschlagung\" näher konkretisiert dargestellt werden?

Offline nomos

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Prozess am LG Stuttgart
« Antwort #4 am: 13. Mai 2009, 21:04:31 »
Die Zahlen finden sich trotz Zahlendreher so im Geschäftsbericht 2005 nicht und es ist die Rede von einem guten Ergebnis bei der Gasversorgung:

Gasversorgung
Der Gasbezug betrug im Geschäftsjahr 2005 1.440,2 Mio. kWh Gas. Dieser wurde vom Vorlieferanten der Gasversorgung Süddeutschland zu 100 % bezogen. Die nutzbare Abgabe hat sich von 1.443,8 Mio. kWh um 0,4 Mio. kWh (+ 0,03 %) auf nunmehr 1.434,2 Mio. kWh erhöht. Die Umsatzerlöse sind von 36,72 Mio. € im Vorjahr auf 40,87 Mio. € gestiegen.

In die Gasversorgung wurden im Jahr 2005 0,9 Mio. € investiert, wobei der Löwenanteil von 0,83 Mio. € auf die Erweiterung und die Erneuerung der Verteilungsanlagen entfiel. Das Gasversorgungsnetz der Stadtwerke Aalen GmbH verlängerte sich um 128,9 km auf nunmehr 449,1 km. Der Grund liegt in der Berücksichtigung der Hausanschlussleitungen und einer Neuerfassung des Datenbestandes. Die Zahl der Hausanschlüsse verringerte sich um 64 auf 10.170 Stück mit 12.268 eingebauten Zählern.
.......
Die Gasversorgung konnte im Jahr 2005 ein gutes Ergebnis verzeichnen. Gründe hierfür sind Neukunden nicht nur im Tarifbereich, sondern vor allem auch im mittleren Gewerbe und Industriebereich sowie positive konjunkturelle Einflüsse bei den großen Sonderkunden. Die verkaufte Gasmenge von 1.434 Mio. kWh verteilt sich auf die gewerblichen und privaten Kleinkunden mit 436 Mio. kWh und auf die Sondervertragskunden mit 998 Mio.kWh.
.......
Durch die nach wie vor vorhandene Ölpreisbindung in den Erdgasbezugsverträgen sind die Bezugspreise bei Gas bereits zum 01.01. und 01.04.2006 deutlich gestiegen und haben das Rekordniveau vom Vorjahr deutlich überschritten.
.......
Durch die Liberalisierung des Gasmarktes und des damit verschärft eintretenden Wettbewerbes ergibt sich für die Stadtwerke Aalen GmbH aufgrund ihres hohen Sonderkundenanteils ein nicht unerhebliches Umsatzrisiko. Gleichzeitig wird das Risiko, Kunden zu verlieren, deutlich höher. Beide Risiken bergen nicht unerhebliche Auswirkungen auf die Erfolgslage der Stadtwerke Aalen GmbH.

Gasversorgung-Umsatz-2005= 40.481 T€ 2004= 36.323 T€
Gasabgabemenge-MWh---2005= 1.434.174 2004= 1.433.794


So gut wie die gesamte Umsatzsteigerung von 4.158 T€ beruhen also auf Preissteigerung! Trotz dem laut Bericht \"gutem Ergebnis\" stellt der Wirtschaftsprüfer jetzt fest, dass man draufgelegt hat?

Bemerkenswert: Eine neue Datenerfassung führt zu einem 128,9 km längeren Gasnetz bei Verringerung der Hausanschlüsse!

Da bleiben noch Fragen!

Offline RR-E-ft

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Prozess am LG Stuttgart
« Antwort #5 am: 29. Mai 2009, 16:04:09 »
Stadtwerke Aalen sehen sich durch Landgericht Stuttgart bestätigt

Zitat
Gerichtlich sei außerdem dokumentiert, dass 2005 Gaspreissteigerungen in der Größenordnung von 580000 Euro nicht an die Kunden weitergegeben worden seien. Die Stadt Aalen habe auf Gewinnausschüttungen verzichtet, um die Bürger vor noch höheren finanziellen Belastungen zu schützen. Dies habe der Vorsitzende Richter in der Verhandlung hervorgehoben, sagt Müller. Der Richter habe an die klagenden Gaskunden appelliert, den vielfachen Überprüfungen zu glauben mit den Worten: \"Die Wurzel des Übels der hohen Energiepreise liegt nicht bei den Stadtwerken Aalen.\"

Offline nomos

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Prozess am LG Stuttgart
« Antwort #6 am: 31. Mai 2009, 13:01:26 »
Schwäbische Post - Auch die Kommentare sind lesenswert!

Zitat
..........Tatsache ist, dass nur die Frage der Zulässigkeit einer prozentualen Preiserhöhung geprüft und mit Urteil versehen worden ist. Damit ist aber noch keine Aussage darüber gemacht, dass der Preis insgesamt zu hoch ist. Wenn ich auf den schon vorher überhöhten Gaspreis „nur“ die prozentuale Preissteigerung des Vorlieferanten draufsattle – dann ist zwar die Preiserhöhung nicht zu beanstanden, der Gesamtpreis ist aber natürlich weiterhin zu hoch.  Dies ist auch in Aalen der Fall. Indirekt räumen dies ja die Aalener Stadtwerke auch ein. Nach eigenen Angaben soll jetzt ja der Gewinn aus dem Energiegeschäft durch die „Quersubventionierung“ zur Verlustabdeckung bei der ansonsten überflüssigen Kundenkarte genutzt werden. Der zuvor kräftig erhöhte Eintrittspreis ins Aalener Freibad soll damit wieder etwas verbilligt werden. Der Kunde zahlt also seine „Ermäßigung“ vorher schon mehrfach durch erhöhte Gaspreise – auch Eintrittspreise ins Freibad -  selbst. Bleibt unter dem Strich trotzdem ein Nachteil: „gemildert nur etwas durch die Kundenkarte“. Dies nennt man den Bürgern Sand in die Augen streuen. Die Preisgestaltung in den Freibädern und gerade die Einführung der bürokratischen Kundenkarte führt aber derzeit noch zu weiteren Verwerfungen. Auch ich wurde mehrfach – zuletzt auch massiv von Besuchern der Podiumsdiskussion bei der Schwäbischen Post zur Kommunalwahl– auf dieses Problem angesprochen. .........
    Manche wollen immer noch glauben es sei nichts faul in diesem Kommunalsystem.

    Der Blick auf das Gesamte? Nein, der Gaul darf nicht scheu gemacht werden. Scheuklappen führen zu Scheuklappenurteile.
Zitat
„Wir sind natürlich froh“, sagt Cord Müller, der nach dem Prozess noch mit Heigl ein paar Worte gesprochen hatte. „Ich will nicht als Triumphator auftreten“, erklärt der Stadtwerkechef und kündigt an, noch einmal Heigl anzurufen. Er sei an einem guten Verhältnis zu Heigl und anderen Kunden interessiert, die den Gaspreis kritisch sähen.
    Vielleicht laufen die Kunden jetzt davon. Es wäre an der Zeit!
„Noch so ein Sieg, und wir sind verloren!“ [/list]

 

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