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Autor Thema: BGH, Urt. v. 08.07.2009, VIII ZR 314/07 (Gastariferhöhung SW Delmenhorst)  (Gelesen 15559 mal)

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Offline RR-E-ft

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BGH VIII ZR 314/07 mündliche Verhandlung am 24.06.2009

Es steht eine Zurückverweisung an das LG Oldenburg zu erwarten, wenn die Kläger den substantiiert behaupteten Bezugskostenanstieg substantiiert bestritten haben, die Beklagte dafür weiteren Beweis angeboten hatte; die Kläger  weiter bestritten haben, dass ein etwaiger Bezugskostenanstieg nicht durch rückläufige Kosten bei anderen preisbildenden Faktoren des sog. \"Preissockels\" vollständig ausgeglichen werden konnten (BGH VIII ZR 138/07 Tz. 39) oder wenn die Kläger darüber hinaus (substantiiert) bestritten haben, dass ein etwaiger Bezugskostenanstieg im Vorlieferantenverhältnis zur Anpassung an die Marktverhältnisse notwendig war (BGH VIII ZR 138/07 Tz. 43). Der BGH hat bereits entschieden, dass ein Preisvergleich mit anderen Gaslieferanten zum Billigkeitsnachweis nicht ohne weiteres genügen kann (BGH, VIII ZR 138/07 Tz. 49 f.).

Offline RR-E-ft

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Original von ESG-Rebell
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Original von uwes
VIII ZR 314/07
Der Verhandlungstermin in der Sache VIII ZR 314/07 wurde vom 24.06.09 auf den 8. Juli 2009, 12.00 Uhr verlegt.

Gruss,
ESG-Rebell.

Offline RR-E-ft

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Original von ESG-Rebell
BGH VIII ZR 314/07

8. Zivilsenat: Ball, Frellesen, Hessel, Achilles, Schneider

Eheleute Saft: RA Dr. Klaas, Prof. Dr. Schmitt
Stadtwerke Delmenhorst (SWD): RA Frau Dr. Ackermann

----- 12:22 --------------------------------------------------------------------------
Ball trägt die Sachlage vor.
Die Gaskunden hatten Feststellung verlangt, dass drei Preiserhöhungen unbillig seien.
Das Berufungsgericht hat die Erhöhungen einer Billigkeitsprüfung nach §315 Satz 3 unterzogen.
Es stellte zutreffend fest, dass die Beklagte die Billigkeit beweisen muss.

Die Billigkeit sei bewiesen durch die Vorlage eines Wirtschaftsprüfungsgutachtens (WPG)
1) Das Vorbringen der Kläger gegen dieses WPG sei nicht substantiiert.
2) Die ausschliessliche Weitergabe von Bezugskostensteigerungen sei bewiesen.

Der Senat hat in beiden Punkten Bedenken.

Das Berufungsgericht hat die Anforderungen an den Umfang des Vorbringens der Kläger zu weit gefasst. Die Kläger können ein WPG nicht substantiiert im Detail bestreiten.

Ein WPG ist eine Urkunde aber kein Beweis an sich.


Der Nachweis der Billigkeit durch einen Preisvergleich hinsichtlich der Marktüblichkeit kommt nur dann in Frage, wenn die Versorgungsstrukturen der verglichenen Unternehmen identisch sind.

Ein bloßer Preisvergleich mit anderen Versorgern und Einstufung als \"günstig\" in einer Rangliste reicht zum Nachweis der Billigkeit nicht aus.

Die weiteren Argumente hinsichtlich Quersubventionierung etc. dürften in diesem Verfahren wohl nicht relevant werden, da schon aus den oben genannten Gründen eine Rückverweisung an das Landgericht wahrscheinlich ist.

----- 12:30 ---------------------------------------------------------------------------
Dr. Klaas:

Schliesst sich den Ausführungen des Senats an.
Zum Sockelpreis ist in diesem Verfahren nichts zu sagen, da unstreitig die Preiserhöhungen streitgegenständlich sind.

Das WPG ist ein Parteigutachten. Außerdem wurde es erst 1 1/2 Jahre nach Klageerhebung und einem Hinweisbeschluss des AG nachgereicht.

Zu Einsparmöglichkeiten zwecks Kompensation der Bezugskostensteigerungen haben die SWD bislang nichts vorgetragen. Ebenso wenig zu Quersubventionierungen von anderen Eigensparten (Bäder) durch Gasprofite.

Es kann doch nicht angehen, dass Gaskunden diese bezahlen müssen. Das ist doch eher Aufgabe des Steuerzahlers.

----- 12:35 ---------------------------------------------------------------------------
Dr. Ackermann:

Der Sockelbetrag ist als Anfangspreis vereinbart.

Sie geht auf Seite 8 des LG-Urteils ein: \"Die Bescheinigung vermag darzulegen und zu beweisen ...\"

Das Berufungsgericht hat nicht etwa das WPG als maßgeblich erachtet sondern sich mit diesem auseinander gesetzt und eine eigene Überzeugung von seiner Beweiskraft erlangt.

Die Kläger haben das WPG nicht substantiiert bestritten.

Zu der Richtigkeit der Anlage B3 (Differenzveränderung der Bezugskostenänderung) hat das EVU auch einen Zeugenbeweis (Mitarbeiter der SWD) angeboten.

Zudem haben die Kläger die Richtigkeit der Anlage B3 in der ersten Instanz nicht bestritten. Das LG durfte daher von der Richtigkeit der Angaben ausgehen.

----- 12:40 ---------------------------------------------------------------------------
Dr. Klaas:

Das WPG wurde doch erst nach der Verhandlung vorgelegt und es hat lediglich die Richtigkeit der Anlage B3 bestätigt.

Nach Sichtung der Anlage B3 hatte das AG einen Aufnahmebeschluss zur Offenlegung der Kalkulation erlassen.

Der Klage wurde dann statt gegeben, weil die SWD dem Beschluss nicht nachgekommen waren.

-------------------------------------------------------------------------
Ball:

Das LG sprach nicht von unstreitig sondern von bewiesen.

Eine Urkunde ist kein Beweis sondern eine urkundlich unterlegte Darlegung.

Die Ausführung des LG, pauschales Bestreiten sei unerheblich, ist falsch.
Der Kunde darf bestreiten mit den Worten: \"Ich weiß es nicht.\"


Ball und Ackermann diskutieren. Sie kann ihn aber nicht überzeugen.

Ackermann: Die Kläger haben nur pauschal bestritten und das auch erst in der zweiten Instanz.

Ball: Dies hätte das LG beanstanden können; hat es aber nicht.
Entscheidend ist die letzte Verhandlung in der zweiten Instanz. Und dort wurde bestritten.
----- 12:45 ---------------------------------------------------------------------------

Das Verfahren wird voraussichtlich an das LG zurück verwiesen.

Gruss,
ESG-Rebell.


Vielen Dank an ESG- Rebell !!!

=====================================================
Anmerkung:


Wir nehmen aus dieser Verhandlung für uns mit:

1.

Der Versorger trägt die Darlegungs- und Beweislast für die Billigkeit.
Das wusste man schon aus VIII ZR 36/06 und VIII ZR 138/07.

2.

WP- Bescheinigungen sind zwar Urkunden, jedoch keine zulässigen Beweismittel, sondern allenfalls substantiierter Parteivortrag.

Das bestätigt unsere hier immer wieder vetretene Auffassung.

Die Versorger und deren Anwälte hatten insoweit (vorgeblich) eine Passage in der Senatsentscheidung vom 13.06.2007 - VIII ZR 36/06 falsch verstanden, nämlich dass Wirtschaftsprüfer- Bescheinigungen als Billigkeitsnachweis im Sinne eines Beweises taugen könnten.

Frau Kollegin Dr. Ackermann hat offensichtlich entweder nicht verstanden, dass das Parteigutachten niemals eine eigene Beweiskraft haben kann, von welcher sich ein Gericht eine Überzeugung machen könnte, weil es schon kein zulässiges Beweismittel sondern immer nur Teil des Parteivortrags sein kann, oder aber ein entsprechend vorhandenes, zutreffendes Verständnis gut zu verbergen gesucht.

3.

Verbraucher können die in einer als Parteigutachten vorgelegten WP- Bescheinigung (\"Testat\") genannten  Tatsachen in der Regel  einfach mit Nichtwissen bestreiten, da ihnen mangels eigener Kenntnisse über die maßgeblichen Tatsachen ein weitergehendes Bestreiten gar nicht möglich ist.

Auch das bestätigt unsere hier immer wieder vertretene Auffassung.
 
Siehe hier.

4.

Preisevergleiche reichen in der Regel nicht aus, um einen Billigkeitsnachweis zu führen. Das wusste man schon aus der Senatsentscheidung vom 19.11.2008 - VIII ZR 138/07 Tz. 49 ff.

------------------------

Die Rückverweisung an das LG Oldenburg stand bereits vor der Verhandlung zu erwarten.



Thomas Fricke
Rechtsanwalt

Offline tangocharly

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@Uwes
Es geht u.a. um die Frage, ob die Tarifkunden so hohe Gaspreise bezahlen müssen, dass damit die defizitären öffentlichen Einrichtungen im Rahmen eines Gewinnabführungsvertrages mit finanziert werden können udn ob der Versorger im Rahmen seines Monopols statt der teureren Tarifkundenveträge günstigere Sonderkundenverträge hätte anbieten müssen um wenigstens Konzessionsabgaben zu sparen.

Und wie lautet die Antwort:
Zitat
Die weiteren Argumente hinsichtlich Quersubventionierung etc. dürften in diesem Verfahren wohl nicht relevant werden, da schon aus den oben genannten Gründen eine Rückverweisung an das Landgericht wahrscheinlich ist.

Kommen sie noch (diese Argumente) oder kommen sie dann (später) nicht (in Betracht) ?

Eine klare Absage ist diese Äußerung des VIII.Senats jedenfalls nicht.
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Offline RR-E-ft

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@tangocharly

Es muss abgewartet werden, ob der Senat sich in den Entscheidungsgründen  etwa obiter dicta dazu äußert. Nach gut geübter Praxis lässt der Senat nicht entscheidungserhebliche Fragestellungen zumeist offen. \"Es kann offen bleiben/ dahinstehen, ob....\"

Das Urteil des LG Oldenburg  ist ersichtlich bereits aus anderen Gründen rechtsfehlerhaft und deshalb aufzuheben und zurückzuverweisen.

Warten wir es also ab.

Wo der Senat sich ohne Not  zu obiter dicta veranlasst sah, führten diese oftmals in eine Sackgasse, vgl. nur Sentatsentscheidung vom 28.03.2007 - VIII ZR 144/06, wonach auch ein Allgemeiner Tarif als Anfangspreis vertraglich vereinbart sei.

Offline uwes

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Zitat
Original von RR-E-ft
Es muss abgewartet werden, ob der Senat sich in den Entscheidungsgründen  etwa obiter dicta dazu äußert. Nach gut geübter Praxis lässt der Senat nicht entscheidungserhebliche Fragestellungen zumeist offen. \"Es kann offen bleiben/ dahinstehen, ob....\"

Warten wir es also ab.

Das Urteil des Senats ist nach Schluss der mündlichen Verhandlung noch am selben Tage verkündet worden.

Danach wird das (Berufungs-)Urteil der 9. Zivilkammer des LG Oldenburg vom 29.11.2007 aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Oldenburg zurückverwiesen.

2 wesentliche Gesichtspunkte sind dort streitgegenständlich:

1. Muss das Delmenhorster Unternehmen den Gaskunden im Rahmen der Verpflichtung zum möglichst preisgünstigen Energiebezug auch Sonderverträge anbieten, die letztlich eine um 0,24 ct/kwh niedrigere Konzessionsabgabe für jeden Sondervertragskunden zur Folge hätten?

2. Kann ein staatlich beherrschtes,  ehemaliges kommunales, Unternehmen im Rahmen eines Gewinnabführungsvertrages mit anderen (kommunalen) Konzernunternehmen den zu erwartenden Gewinn aus dem Gasverkauf an Tarifkunden so kalkulieren, dass neben einer üblichen Kapitalverzinsung so viel an Gewinnen (vor Steuern) übrig bleibt, dass mit eben diesen Gewinnen in Millionenhöhe andere kommunale Aufgaben wie der öffentliche Bäderbetrieb und der ÖPNV mit finanziert werden können? (siehe hier.

Uwes
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Offline tangocharly

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Original von uwes
[...] 2 wesentliche Gesichtspunkte sind dort streitgegenständlich:

1. Muss das Delmenhorster Unternehmen den Gaskunden im Rahmen der Verpflichtung zum möglichst preisgünstigen Energiebezug auch Sonderverträge anbieten, die letztlich eine um 0,24 ct/kwh niedrigere Konzessionsabgabe für jeden Sondervertragskunden zur Folge hätten?

2. Kann ein staatlich beherrschtes,  ehemaliges kommunales, Unternehmen im Rahmen eines Gewinnabführungsvertrages mit anderen (kommunalen) Konzernunternehmen den zu erwartenden Gewinn aus dem Gasverkauf an Tarifkunden so kalkulieren, dass neben einer üblichen Kapitalverzinsung so viel an Gewinnen (vor Steuern) übrig bleibt, dass mit eben diesen Gewinnen in Millionenhöhe andere kommunale Aufgaben wie der öffentliche Bäderbetrieb und der ÖPNV mit finanziert werden können?

Finde beide Aspekte interessant.
Aber, wo lesen Sie das aus der PM des BGH heraus (Tut mir leid, aber habe dort nur einen flüchtigen Blick drüber gelegt).
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Offline uwes

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Original von tangocharly
Finde beide Aspekte interessant.
Aber, wo lesen Sie das aus der PM des BGH heraus (Tut mir leid, aber habe dort nur einen flüchtigen Blick drüber gelegt).

Wir befinden uns wieder in der Berufungsinstanz. Das Gericht muss die Billigkeit der Preiserhöhungen prüfen.  Dazu wird es gehören, ob (vermeidbare) Kosten, und Preise, die in einem funktionierenden Wettbewerb nicht entstanden wären, zu Begründung einer Preiserhöhung herangezogen werden können. (vgl. § 29 GWB - analog)

Das ist der Grundgedanke.

Im Einzelnen wird das Versorgungsunternehmen daher erklären müssen, ob es notwendig ist, die Kunden ausschließlich in der Grundversorgung zu beliefern und warum es nicht zugunsten der Kunden auch erforderlich gewesen wäre, (auch) Sonderkundenverträge anzubieten um die Konzessionsabgabe zu sparen. Ich halte dies aus Gründen der Vermeidung eines Diskriminierungsvorwurfes (§ 19 IV GWB) auch für erforderlich. Es kommt Spannung dabei auf, wenn man sich vorstellt, wie die swd diesen Umstand erklären wollen. Immerhin ist die Stadt Delmenhorst über einen Eigenbetrieb zu 100% Gesellschafterin der swd und kann nicht daran interessiert sein, auf die Einnahmen zu verzichten. Ob diese Erklärung allerdings ausreicht, um die Billigkeit zu begründen, ist dann Gegenstand der gerichtlichen Urteilsfindung.

Ob und inwieweit die Gewinnspanne so kalkuliert werden kann, dass über den normalen Unternehmensgewinn hinaus auch die Kosten für ansonsten strukturell defizitäre kommunale Einrichtungen wie Bäder- und Busbetriebe mit finanziert werden können ist eine rein wirtschaftliche Betrachtung. Wenn das Unternehmen im Wettberb um die Preise stehen würde, dann wäre diese Art von Kalkulation nicht möglich. Man würde dann den Gewinn eben nicht so hoch kalkulieren können. Da es aber keinen wirksamen Wettbewerb gibt, ist die höhe der kalkulierten Gewinnspanne eben so eine \"Ermessenssache\" Nimmt man allerdings die Verpflichtung aus dem Gewinnabführungsvertrag als Kostenbelastung, so stellt sich auch hier die Frage, ob Kosten, die im wirksamen Wettbewerb nicht entstanden wären, bei der Preisgesteltung Berücksichtigung finden können. Auch hier wird die gerichtliche Entscheidungsfindung angestrebt.

Uwes
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Offline RR-E-ft

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Die Entscheidung vom 08.07.2009 - VIII ZR 314/07 ist nun veröffentlicht.

Zitat
Eine Beweiserhebung (hier: durch Zeugenvernehmung) ist nicht deshalb entbehrlich, weil die unter Beweis gestellten Tatsachen durch ein Privatgutachten belegt sind, dessen Richtigkeit der Gegner bestreitet, ohne die Unzulänglichkeit des Gutachtens substantiiert darzulegen.




Der BGH lehnt weiter eine Gesamtpreiskontrolle auch bei festgestellter Monopolstellung ab.

Zitat
Tz. 17

Gleichwohl ist eine entsprechende Anwendung des § 315 BGB nach der zu dieser Vorschrift entwickelten \"Monopolrechtsprechung\" (vgl. BGHZ 172, 315, Tz. 33 m.w.N.) nicht gerechtfertigt. Einer umfassenden gerichtlichen Kontrolle von allgemeinen Tarifen (Preisen) eines Gasversorgungsunternehmens in analoger Anwendung von § 315 Abs. 3 BGB steht ent-gegen, dass sie der Intention des Gesetzgebers zuwider liefe, der eine staatliche Prüfung und Genehmigung dieser Tarife wiederholt abgelehnt hat. Auch bei der gerichtlichen Kontrolle der Billigkeit der Tariffestsetzung fände für das betroffene Gasversorgungsunternehmen eine Preisregulierung statt, wenn der Tarif nach Auffassung des Gerichts unbillig überhöht und deshalb durch Urteil zu bestimmen wäre (dazu im Einzelnen Senatsurteil vom 19. November 2008, aaO, Tz. 17 - 23).

Dies überzeugt nicht, nachdem jedes Urteil nur zwischen den Parteien Wirkung entfaltet. Hier soll aber doch das Gericht  zumindest im Verhältnis der Parteien angehalten sein, ggf. die Tarifpreise  neu zu bestimmen.

Zitat
Tz. 34

Sollte das Berufungsgericht zu dem Ergebnis kommen, dass die Preiserhöhungen nicht der Billigkeit entsprechen, ist der Hilfsantrag der Beklagten auf Bestimmung des zwischen den Parteien geltenden Arbeitspreises Erdgas zum 1. Oktober 2004 und 1. Oktober 2005 zu berücksichtigen.


Zitat
Tz. 3

Die Beklagte erhöhte den Arbeitspreis für Erdgas im Heizgastarif zum 1. Oktober 2004 von 3,18 Cent/kWh auf 3,58 Cent/kWh, zum 1. Oktober 2005 auf 4,16 Cent/kWh und zum 1. Januar 2006 auf 4,52 Cent/kWh (jeweils zuzüglich Mehrwertsteuer). Die Kläger widersprachen der Preiserhöhung.

Mit ihrer Klage haben die Kläger die Feststellung begehrt, dass die von
der Beklagten im dem zwischen den Parteien geschlossenen Gaslieferungsvertrag zum 1. Oktober 2004, 1. Oktober 2005 und 1. Januar 2006 vorgenommenen Erhöhungen des Arbeitspreises Erdgas unbillig und unwirksam seien. Die Beklagte hat Klageabweisung, hilfsweise die Bestimmung des zwischen den Parteien geltenden Arbeitspreises Erdgas zum 1. Oktober 2004 und 1. Oktober 2005 beantragt. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben und ausgeführt, mangels Darlegung der Preiskalkulation der Beklagten könne es auch deren Hilfsantrag nicht entsprechen. Auf die vom Amtsgericht zugelassene Berufung der Beklagten hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstreben die Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Das wäre dann aber wohl keine Preisregulierung im Sinne von Tz. 17.


Der Gesetzgeber hat eine gerichtliche Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB vorgesehen, vgl. nur § 17 Abs. 1 Satz 3 GVV.

Nachdem der gleiche Senat die Verpflichtung zur Tarifabsenkung bei rückläufign Kosten anerkannt hat [BGH VIII ZR 225/07, VIII ZR 56/08], darf man sich fragen, wie wohl die gerichtliche Ersatzbestimmung gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB auf den Hilfsantrag ausfallen müsste, wenn sich herausstellen sollte, dass etwa zum 01.10.2004 die Gesamtkosten gar nicht gestiegen, sondern tatsächlich gesunken waren. Es ist also wohl theoretisch nicht ausgeschlossen, dass eine gerichtliche Ersatzbestimmung zu geringeren als den bis zum 01.10.2004 geltenden Preisen führt.

Man darf sich wohl auch fragen, ob es sich vielleicht dann um eine Preisregulierung handeln würde, wenn alle betroffenen Tarifkunden des Versorgers dabei gleichermaßen verfahren wären.

Man darf sich wohl auch fragen, wie es sich mit den Allgemeinen Tarifen noch verhält, wenn das Gericht nur hinsichtlich solcher Tarifkunden, die sich wehren, den Tarif neu festsetzt, gegenüber den anderen Tarifkunden des gleichen Versorgers jedoch die von diesem einseitig festgesetzten Tarifpreise weiter Geltung beanspruchen sollen.

Je nachdem, wie sich die Tarifkunden verhalten hatten, käme es wohl auf ewig zu einer Preisspaltung zwischen den Tarifkunden des gleichen Versorgers. Denn versorgerseits zu kündigen sind Tarifkundenverträge ebensowenig wie Grundversorgungsverträge, vgl. § 116 EnWG, § 20 Abs. 1 Satz 3 GVV.

Wer im Ganzen wohl irgendwie einen Widerspruch sieht, der hat es wohl nur nicht richtig verstanden.

Das Amtsgericht Delmenhorst hatte eine Ersatzbestimmung auf den Hilfsantrag abgelehnt und kann sich dabei m.E. wohl auf die Entscheidung des BGH vom 02.10.1991 - VIII ZR 240/90 stützen.

Zitat
BGH VIII ZR 240/90 am Ende

Zu Recht hat es das Berufungsgericht auch abgelehnt, die Preisbestimmung selbst durch Urteil zu treffen (§ 315 Abs. 3 Satz 2 BGB). Das ist nur zulässig, wenn die Bestimmung durch die dazu befugte Partei nicht der Billigkeit entspricht oder verzögert wird und eine hinreichende tatsächliche Grundlage für eine ersetzende gerichtliche Bestimmung vorhanden ist. Eine Verzögerung liegt ersichtlich nicht vor. Ob und gegebenenfalls inwieweit die Preisfestsetzung der Klägerin unbillig ist, kann dagegen wegen   des zur Nachprüfung ungeeigneten Vortrags der Klägerin nicht beurteilt werden.

Im Übrigen verhält sich die Entscheidung zur Darlegungs- und Beweislast für die die Billigkeit begründenden Umstände. Die Darlegungs- und Beweislast für diese trägt der Versorger.

Der Senat stellt noch einmal klar, dass ein Billigkeitsnachweis durch Preisvergleiche regelmäßig ausscheidet. Bezüglich Parteivortrags auch in Form qualifizierten Parteivortrags in Form von WP- Bescheinigungen genüge einfaches Bestreiten mit Nichtwissen, so dass über streitige Tatsachen dann Beweis erhoben werden muss.  

Der Senat weist darauf hin, dass eine Preiserhöhung dann unbillig sein kann, wenn und soweit ein Bezugskostenanstieg durch rückläufige andere Kosten kompensiert werden konnte, was die Parteien noch nicht erörtert hätten.

Offline tangocharly

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.... und dass der BGH nun auch noch Tautologien liebt .....

Zitat
       Tz.: 32
Entgegen der Auffassung der Revision lässt sich dem nicht entgegenhal-
ten, die Beklagte sei nicht grundrechtsfähig, weil sie zu 100 Prozent der Stadt
D.             gehöre. Selbst wenn die Beklagte sich nicht auf die Grundrechte
aus Art. 12 und 14 GG berufen könnte (vgl. dazu BVerfG, NJW 1990, 1783
m.w.N.), bedeutete das nicht, dass ihr Interesse an der Geheimhaltung von Be-
triebs- und Geschäftsgeheimnissen im Sinne des § 172 Nr. 2 GVG von vorn-
herein außer Betracht zu bleiben hätte. Denn das vorstehend dargestellte Ge-
bot der Abwägung und des Ausgleichs zwischen dem Gebot effektiven Rechts-
schutzes und dem Geheimnisschutz erfasst das rechtliche Interesse am Schutz
von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen unabhängig davon, ob dieses auch
verfassungsrechtlich abgesichert ist (vgl. BVerwGE 90, 96, 101 zur Berücksich-
tigung der Belange einer Gemeinde als Grundstückseigentümerin in der abfall-
rechtlichen Planfeststellung).

........ trägt auch nicht gerade zur Erheiterung bei.

Wenn schon die Verfassung, wie das Bundesverfassungsgericht das sieht, nichts dafür hergibt, dann muß halt auf eine andere \"Verfassung\" zurück gegriffen werden, wenn auch nur auf die Gerichtsverfassung (GVG).

Ergibt sich der Schutz der Geschäftsgeheimnisse, dem der 172 GVG Rechnung trägt, nun aus der \"Natur der Sache\" oder gar aus den \"Moses\'schen Steintafeln\" oder wird einfach etwas geschützt, weil es geschützt werden soll (Tautologie).

Eine Banane für den VIII.Senat ....
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Offline uwes

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BGH, Urt. v. 08.07.2009, VIII ZR 314/07 (Gastariferhöhung SW Delmenhorst)
« Antwort #10 am: 26. August 2009, 11:42:58 »
Die Entscheidung ist lt BGH Mitteilung zur Veröffentlichung für das Nachschlagewerk und für BGHR vorgesehen.

Na ja...

Uwes
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Offline tangocharly

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« Antwort #11 am: 02. September 2009, 10:00:15 »
@ RR-E-ft

Zitat
Der BGH lehnt weiter eine Gesamtpreiskontrolle auch bei festgestellter Monopolstellung ab.

Zitat
Zitat:
Tz. 17

Gleichwohl ist eine entsprechende Anwendung des § 315 BGB nach der zu dieser Vorschrift entwickelten \"Monopolrechtsprechung\" (vgl. BGHZ 172, 315, Tz. 33 m.w.N.) nicht gerechtfertigt. Einer umfassenden gerichtlichen Kontrolle von allgemeinen Tarifen (Preisen) eines Gasversorgungsunternehmens in analoger Anwendung von § 315 Abs. 3 BGB steht ent-gegen, dass sie der Intention des Gesetzgebers zuwider liefe, der eine staatliche Prüfung und Genehmigung dieser Tarife wiederholt abgelehnt hat. Auch bei der gerichtlichen Kontrolle der Billigkeit der Tariffestsetzung fände für das betroffene Gasversorgungsunternehmen eine Preisregulierung statt, wenn der Tarif nach Auffassung des Gerichts unbillig überhöht und deshalb durch Urteil zu bestimmen wäre (dazu im Einzelnen Senatsurteil vom 19. November 2008, aaO, Tz. 17 - 23).


Dies überzeugt nicht, nachdem jedes Urteil nur zwischen den Parteien Wirkung entfaltet. Hier soll aber doch das Gericht zumindest im Verhältnis der Parteien angehalten sein, ggf. die Tarifpreise neu zu bestimmen.

Daran manifestiert sich erneut der ständig erhobene Vorwurf - gegen die RSpr. des VIII. Senats - , dass es auf Teufel komm raus gilt, die \"Sockel-Preis-Rechtsprechung\" zu zementieren. Wäre der VIII. ein Verbraucherschützer - wie eben gerade nicht -, dann lägen solche Probleme längst beim EuGH (Art. 234 EGV).

Denn wenn der Bundesgesetzgeber nicht imstande ist (war), die Europäischen Richtlinien richtig umzusetzen (sprich: in bundesdeutsches Recht zu transformieren -  und auch noch explicit der Auffassung sein soll, dass es mit dem europäischen Recht vereinbar sei, den Gesamtpreis keiner Billigkeitskontrolle zu unterziehen - so ausführlich nachzulesen in BGH, 19.11.2008, Az.: VIII ZR 138/07, Tz. 23), dann ist und bleibt die Rechtsentwicklung zur  Energiepreiskontrolle, und insbesondere die RSpr. des BGH hierzu, ein \"Rohrkrepierer\".
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« Antwort #12 am: 08. September 2009, 17:47:28 »
Die Wahrung von Geschäftsgeheimnissen ist grundgesetzlich nur einem Träger von Grundrechten möglich.

Der BGH meint, auch einem Unternehmen, dem die Grundrechtsfähigkeit wegen überwiegender staatlicher Kontrolle abzusprechen sei, müsse wg. § 172 GVG ein Schutz zuzubilligen sein.

Wie das geht, hat das LG Köln ja bereits einmal durchgeführt, indem es die Öffentlichkeit partiell vom Verfahren ausgeschlossen und die Prozessbeteiligten zur Verschwiegenheit verpflichtet hat.

Damit ist indessen nicht gesagt, dass das beklagte EVU nicht die Kalkulation für die erhöhten Preise vorzulegen hat.

Uwes
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« Antwort #13 am: 27. September 2009, 00:45:40 »
Ich hatte s ja gesagt:

Bundeskartellamt untersagt missbräuchlich überhöhte Konzessionsabgaben durch kommunalen Gasversorger.

Siehe hier:

Uwes
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Offline tangocharly

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« Antwort #14 am: 27. September 2009, 17:48:02 »
Und so sieht die Verfahrenstechnik aus:

Zitat
Das Verfahren:
Die Stadt Ahrensburg hatte im Jahre 2006 nach Auslaufen des Konzessionsvertrages das lokale Gasverteilnetz durch die GAG Gasversorgung Ahrensburg GmbH (GAG) übernommen. Mit der Übernahme wurden alle Kunden, die vorher Sondervertragskunden waren, als Tarifkunden eingeordnet. Durch diese Maßnahme versechsfachten sich die Einnahmen aus Konzessionsabgaben. Zugleich forderte die GAG auch von neuen Wettbewerbern die höhere Konzessionsabgabe für Tarifkunden, obwohl diese nur Sondervertragskunden hatten. Diese Praxis verstößt nach Ansicht des Bundeskartellamtes gegen die Konzessionsabgabenverordnung und ist bereits deshalb missbräuchlich. Zwar wird die hohe Konzessionsabgabe auch von dem eigenen Vertrieb der GAG gezahlt. Die Gemeinde kann aber auf eine Vertriebsmarge des kommunalen Versorgers verzichten, da dies durch die Erhöhung der Konzessionsabgabe kompensiert wird. Für die Gemeinde ist die Verschiebung der Marge in die Konzessionsabgabe sogar steuerlich vorteilhaft. Für neue Wettbewerber stellen die steigenden Kosten hingegen eine erhebliche Beeinträchtigung dar.
Das Bundeskartellamt hat festgestellt, dass in Gebieten, in denen kommunale Gasnetzbetreiber die hohe Konzessionsabgabe erheben, die Wechselquote geringer ist und solche Stadtwerke einem geringeren Wettbewerbsdruck ausgesetzt sind.

Es wird zwar nicht erkennbar, welche Phantasieleistung aufgebracht wurde, um aus Birnen Äpfel zu kreieren. Aber vielleicht bringt der noch zu veröffentlichende Beschluß des BKA näheren Aufschluß.

Ist doch schön, dass solche Trickspiele mit der Absegnung des VIII. Senats bei der Billigkeitsprüfung außen vor bleiben sollen und der Schwarze Peter dem BKA zugespielt wurde. Wieviele Jahre wird das dann wohl dauern, bis das BKA das letzte EVU prüfen konnte ?
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