Energiepreis-Protest > Stadtwerke Gaggenau
Stadtwerke Gaggenau kündigen Strom- und Gaslieferverträge
kamaraba:
Hallo an das Forum,
in Gaggenau haben 3 Personen gegen die Preiserhöhungen bei Strom und Gas, gemäß Musterschreiben, bei den Stadtwerken Gaggenau widersprochen.
Die Antwort der Stadtwerke Gaggenau ist ein Hammer - o.g. Personen wurden die Strom- und Gaslieferverträge zum 31.7. bzw. 30.9.2005 gekündigt. Bei Strom kann man ja zu einem anderen Anbieter wechseln, aber bei Gas......?
Hier das Antwortschreiben der Stadtwerke Gaggenau im Wortlaut:
Kündigung Gasliefervertrag Nr. XXXXXX
Sehr geehrter Herr XXXX,
mit Schreiben vom 3.5.2005 haben wir Ihnen zur Begleichung der offenstehenden Forderungen aus dem o.g. Vertrag trotz bereits bestehender Fälligkeit der Forderung nochmals eine Frist bis 12.5.2005 gesetzt. Das bis zum heutigen Tag kein Zahlungseingang für die offenstehende Forderung aus dem o.g. Vertrag bei uns eingegangen ist, kündigen wir hiermit den o.g. Gasliefervertrag zum 30.9.2005 für den Zeitraum ab 1.10.2005.
Leider sehen wir uns hierzu veranlasst, da aus denen sich aus dem Energiewirtschaftsgesetz für die Stadtwerke Gaggenau bestehenden gesetzlichen Vorgaben keine Verpflichtung besteht, Sie zu den von Ihnen gewünschten Bedingungen zu versorgen.
Im übrigen ist es für die Stadtwerke Gaggenau nicht zumutbar, für Einzelfälle ein anderes Preissystem einzuführen.
Aufgrund des frühzeitigen Kündigungstermins ist die Kündigung auch nicht unverhältnismäßig, da Sie ausreichend Zeit haben ,für die Beheizung Ihrer Verbrauchsstelle eine andere Alternative zu wählen. Die Beheizung der Räume kann auch auf andere Art und Weise sichergestellt werden. Beispielhaft wäre hier das Aufstellen von Kohleheizöfen, die mit zumutbarem Aufwand im Objekt angeschlossen werden könnten. Auch eine schornsteinunabhängige Heizung ist mit geringen Kosten und Organisationsaufwand jederzeit möglich, da entsprechende Geräte preisgünstig und ohen Installationsaufwand beschafft bzw. betrieben werden können.
Da die Stadtwerke (Bereich Netz) auch ein leistungsfähiges Montageunternehmen sind, kann Ihnen auch der Umbau Ihrer Heizungsanlage auf eine andere Gassorte (Flüssiggas) angeboten werden. Je nach Heizungsanlage entstehen hierfür nur ganz geringe Kosten. Zur weiteren Abklärung der Umstellung können Sie sich hierzu mit dem Unterzeichner unter der Tel. XXXXX/XXXXX in Verbindung setzen.
Da unsere Handelsabteilung auch das Produkt Flüssiggas vertreibt, stehen Ihnen die Stadtwerke auch für diese Energieart als leistungsfähiger Partner zur Verfügung.
Wie dargelegt, haben Sie folglich die Möglichkeit, Ihren Wärmebedarf, den Sie bisher mit Erdgas der Stadtwerke decken, auf einfache und zumutbare Weise auch anderweitig zu decken. Der Wärmemarkt bietet Ihnen folglich ausreichende Alternativen zur Versorgung mit Erdgas.
Gerne sind wir bereit, Sie auch über dem 1.10.2005 hinaus zu den veröffentlichten Konditionen mit Erdgas zu beliefern. Hierzu setzen Sie sich bitte mit dem Unterzeichner unter der Tel. XXXXX/XXXXX oder mit unserem Mitarbeiter, Herrn XXXX in Verbindung, um die vertraglichen Bedingungen in einem schriftlichen Vertrag zu fixieren. Diese vertragliche Regelung mit unserer Handelsabteilung ist bis spätestens 29.8.2005 zu unterschreiben.
Vorsichtshalber widersprechen wir einer stillschweigenden Vertragsverlängerung duch konkudentes Handeln.
wir würden uns freuen, wenn Sie sich dazu entschließen würden, auch zukünftfig unser Edgaskunde zu bleiben oder zu einem späteren Zeitpunkt wieder unser Erdgaskunde werden.
Wir bitten aufgrund der oben geschilderten Punkte um ihr Verständnis für unsere Kündigung und verbleiben..........
Das ist doch der Gipfel der Unverschämtheit, oder.
RR-E-ft:
@kamaraba
Das ist wirklich eine Unverschämtheit, die sich jedoch im Ergebnis für den Versorger nicht bezahlt macht, ganz im Gegenteil:
Den örtlichen Versorger trifft eine Versorgungspflicht gem. §§ 10 EnWG, 5 AVBV gegenüber jedermann.
Die wehrhaften Kunden können sich gar nicht im Verzug befinden, weshalb kein sachlich gerechtfertigter Kündigungsgrund besteht:
http://www.zfk.de/navframe/hintergrund/hintergrund0105_2.pdf
Die Kündigung erweist sich als rechtsmissbräuchlich im Sinne von § 242 BGB, weil sie offensichtlich verbunden mit dem Angebot einer Weiterversorgung zu geänderten Konditionen nur dazu dient, den § 315 BGB auszuhebeln. Das lassen die Gerichte nicht zu.
Für Sonderverträge folgt der Kontrahierungszwang des örtlichen Versorgers aus dem Gleichbehandlungsgebot gem. Art. 3 GG und dem Diskrimnierungsverbot gem. § 20 GWB.
Das Unternehmen hat eine marktbeherrschende Stellung, die bei einem Marktanteil über 30 Prozent vermutet wird, und unterliegt deshalb strengen Restriktionen, kann seine Kunden nicht einfach verabschieden.
Mich wollten meine Stadtwerke auch schon einmal so in den Wettbewerb \"verabschieden\", was jedoch ganz gründlich daneben ging.
Die Stadtwerke können ihre Kunden schon nicht auf einen anderen Wärmeträger verweisen. Schließlich entstehen Umrüstkosten, die Anschlusskosten und der Baukostenzuschuss nach §§ 9, 10 AVBGasV wären vertan.
Bezeichnend auch, dass man selbst an einer Umstellung auf Flüssiggas noch mitverdienen möchte. Nichts zu merken von einem natürlichen Schamgefühl, welches eigentlich davor schützen sollte, in solche Gedankenwelten abzudriften.
Mit selber Begründung könnte schon morgen die Trinkwasserversorgung eingestellt werden. Schließlich gibt es Mineralwässer in Hülle und Fülle auch in großen Mengen zu kaufen und die Anmietung eines Tankwagens ist sicher nicht sehr aufwendig.... Ein interessantes neues Geschäftsfeld wäre die Vermietung entsprechender Tankwagen.
Selbst wenn der Kunde den Stromlieferanten wechseln wollte, müsste der neue Lieferant sechs Wochen vorher zum Monatsersten die Netznutzung für die Belieferung des Kunden beim örtlichen Netzbetreiber (Stadtwerke Gaggenau) anmelden.
Bei einer solch kurzen Kündigungsfrist ist also gar kein Versorgerwechsel möglich, so dass die Stadtwerke einen im Allgemeinen Tarif gefangen nähmen - ein besonderes Kundenbindungsprogramm.
Wer sich so etwas ausdenkt, verwendet viel Energie und kostbare Arbeitszeit ersichtlich darauf, um die Kundschaft zu schikanieren, und sollte allein deshalb persönlich zur Rechenschaft gezogen werden.
Die Betroffenen sollten sich deshalb umgegehend an die Landeskartellbehörde und an die Energieaufsichtsbehörde beim Landeswirtschaftsministerium wenden.
Die Verbraucherzentrale sollte eingeschaltet werden, um die Medien zu informieren und den Anfängen zu wehren.
Das EVU sollte zur Meidung einer gerichtlichen Auseinandersetzung aufgefordert werden, die kündigung unverzüglich zurückzunehmen (rechtsdogmatisch fraglich) bzw. diese für unwirksam zu erklären.
Kommt das EVU der Aufforderung innerhalb gesetzter Frist nicht nach, muss auf Feststellung geklagt werden, dass die Kündigung unwirksam ist und das Vertragsverhältnis über den Kündigungszeitpunkt hinaus unverändert fortbesteht.
Ist der Kündigungszeitpunkt erreicht, muss darauf geklagt werden, die Versorgung zu unveränderten Konditionen fortzusetzen.
So schlau wie die Stadtwerke Gaggenau waren schon andere:
E.ON Hanse wurde deshalb vor dem LG Itzehoe verklagt und verurteilt:
Urteil: Kündigung von Stromsonderverträgen E.ON Hanse
Wahrscheinlich hat man da bei den Stadtwerken Gaggenau etwas falsch verstanden:
Nach der Energiemarktliberalisierung können sich die Kunden ihren Versorger frei wählen, nicht jedoch die marktbeherrschenden Energieversorgungsunternehmen ihre Kunden.
Eine solche Masche des Versorgers wird zudem ganz schnell zum Bumerang:
Wenn der Versorger den Vertrag kündigt, muss er den Kunden gleichwohl gem. § 10 EnWG mit Strom und Gas versorgen, darf also auch nach Vertragsbeendigung die Versorgung nicht etwa einstellen.
Damit kein neuer Vertrag zum Allgemeinen Tarif gem. § 2 Abs. 2 AVBV zustandekommt, muss man einem solchen Vertragsschluss widersprechen und dem Versorger das Preisbestimmungsrecht nach §§ 316, 315 BGB für die gelieferte Energie überlassen.
Der Versorger muss dann für die weiteren Lieferungen selbst einen der Billigkeit entsprechenden Preis bestimmen. Dieser lässt sich dann ohne weiteres vollständig auf seine Billigkeit überprüfen.
Nach dieser Methode steht der Versorger also hinterher viel schlechter als bisher, weil es dann um die Billigkeit des Gesamtpreises geht, er hierzu seine Preiskalkulation vor Gericht offen legen muss, ohne Offenlegung eine Zahlungsklage abgewiesen wird:
OLG München, NJW-RR 1999, S. 421 (Strom)
LG Mannheim, Urteil v. 16.08.2004 - 24 O 41/04 (Gas)
Zu den landgerichtlichen Gaspreisurteilen siehe hier:
!!!Gaspreisurteil LG Mannheim !!!!
!!! weiteres Gaspreisurteil des LG Frankenthal !!!
Wahrscheinlich ist diese Rechtsprechung den Stadtwerken nur nicht bekannt oder aber sie sind außerordentlich schlecht beraten:
Nach dem Urteil des LG Köln RdE 2004, S. 306 kann ein Kunde, der dem Versorger das Preisbestimmungsrecht derart überlassen hat, hiernach einfach die Unbilligkeit einwenden und ist hiernach bis zur Offenlegung der Preiskalkulation und der Rechtskraft eines Urteils zu überhaupt keiner Zahlung mehr verpflichtet, behält aber seinerseits vollständigen Anspruch auf die Leistung.
Vielleicht sollte man die Stadtwerke Gaggenau nur einmal darauf hinweisen und schon zieht wieder Vernunft ein.
Wer anderen eine Grube gräbt, ist noch lange kein Tiefbau- Ing.
Zudem machen die Stadtwerke Gaggenau damit die vollkommene Willkür bei der Preisgestaltung gegenüber den Verbrauchern deutlich, der vor die einfache Alternative gestellt wird: \"Friss oder stirb\".
Von wegen individuelle Preisverhandlungen mit Bestands- oder Neukunden. Die Versorger führen somit ihre Argumentation selbst ad absurdum.
Gerade deshalb findet § 315 BGB auch analog auf die Energiepreise Anwendung.
Freundliche Grüße
aus Jena
Thomas Fricke
Rechtsanwalt
kamaraba:
Hallo Herr Fricke,
danke für die prompte Antwort.
Habe in der Sache auch schon das SWR-Fernsehen in Baden-Württemberg angespitzt
jeannedarc:
Herr Fricke,
Kompliment. Sie sind einfach super.
Cremer:
@kamaraba,
ich bin mir nicht sicher, ob die SW Gaggenau ihre Ihnen unterbreitenden Vorschläge wirklich ernst gemeint haben könnten. :roll:
Fragen Sie doch mal nach, was die Handelsabteilung der SW noch alles anbieten und vertreiben. :wink:
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