Energiepreis-Protest > Stadtwerke Eschwege

Strompreise und § 315 BGB

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ZORRO II:
Sehr geehrte Damen und Herren,

zunächst bitte ich darum, dass auf diesen Beitrag nur Fachleute mit profunder Kenntnis der Materie antworten. Die mitunter unqualifizierten Aussagen und/oder die flapsige Ausdrucksweise vieler anscheinend vor-/nachpubertärer Teilnehmer beeinträchtigt die Aussagen des Forums immens!

Inwieweit hat
- der Einwand des § 315 BGB bei (der Offenlegung) der Kalkulation von Strompreisen,
- unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechung und
- vermeintlichen Konkurrenzsituation
- bei objektiver Betrachtung - überhaupt noch eine Aussicht auf juristischen Erfolg eines Verbrauchers?

Insbesondere auch nach dem ergangenen Urteil vom 19.11.2008 des BGH bezüglich der eingeschränkten Offenlegung der Preiskalkulation bei Gaskunden.

Hierzu noch folgende Besonderheiten:
Ich beziehe derzeit den Strom von den Stadtwerken Eschwege, einer GmbH, welche sich meines Wissens mehrheitlich im Besitz der Stadt Eschwege befindet. Eine gewünschte Beteiligung der Eon wurde durch Urteil des BGH vor einigen Wochen ( Ende 2008 ) untersagt.

Neben Strom werden auch Gas und Wasser vertrieben, die Netzte unterhalten sowie u. A. das städtische Schwimmbad (mit einem derzeitigen Jahresdefizit von TEUR 800) betrieben. Überschüsse in nicht unerheblichem Maße kommen regelmäßig der Haushaltssanierung der Stadt Eschwege zu Gute. Als Bürger einer Kleinstadt im Werra-Meißner-Kreis habe ich davon keinen Nutzen und fühle mich geradezu diskriminiert.

Die erheblichen Überschüsse sind mehrfach durch Aussagen des zuständigen Bürgermeisters und auch anderer Kommunalpolitiker durch Presseveröffentlichungen belegbar.

Ist eine Strompreiserhöhung unter diesem Aspekt und der derzeitigen, angeblichen Konkurrenzsituation im Hinblick auf § 315 BGB von besonderer Bedeutung?

Weiterhin dürfte nicht unerheblich sein, dass die Bundesnetzagentur wiederum ein Ermittlungsverfahren gegen die großen Netzbetreiber bezüglich der Netzentgelte eingeleitet hatte. Ist man zu einem Ergebnis gekommen, mit welchen Auswirkungen?

Die Verbraucherzentralen und auch TV-Magazine äußern sich zum Thema Strompreiserhöhungen entweder ablehnend oder gar nicht mehr. Der zuständige Mitarbeiter der VerbrZ NRW hat auf meine Email-Anfrage Ende 2008 telefonisch aus Dortmund negativ beschieden (= keine juristischen Erfolgsaussichten).

Auch dieses Forum vermittelt mir den Eindruck, dass es sich hinsichtlich der Unbilligkeit nur noch um Gaspreise handelt.

Ich bin kein Hasardeur oder Prozesshansel; vielmehr sind für mich eindeutige, erfolgversprechende juristische Fakten von Bedeutung.

Freundliche Grüße aus dem WMK

RR-E-ft:
@ZORRO II

Strompreiserhöhungen sind unter den gleichen Voraussetzungen wie Gaspreiserhöhungen zulässig oder unzulässig und unwirksam. Es gelten die gleichen Grundsätze.

§ 315 BGB kommt regelmäßig nur dort direkt zur Anwendung, wo ein gesetzliches Leistungsbestimmungsrecht besteht oder bei Vertragsabschluss individuell vereinbart wurde, dass der Versorger den jeweils vom Kunden zu zahlenden Preis einseitig festsetzen soll.

Thomas S.:
@ZORRO II

Entschuldigen Sie, daß ich mich hier zu Wort melde, NACHDEM der Fachmann sprach.

Es wird Ihnen schwer fallen (nachdem Sie 99,9 % der Teilnehmer dieses Forums ausgeschlossen haben) weitere fundierte Antworten zu bekommen.

Suchen Sie besser einen Rechtanwalt auf, der Ihre persönliche Situation genau durchleuchten kann - was wir mangels fundierter Aussagen Ihrerseits gar nicht können, und auch gar nicht dürfen (eine Rechtsberatung hier ist unzulässig).

Oder lesen Sie sich erst einmal durch die von diesen 99,9 % aller Teilnehmer mühsam zusammengetragenen Informationen durch. Lesen bildet! :D

Lothar Gutsche:
@ ZORRO II

Quersubventionierung durch Strompreise
Wenn Sie Ihre Aussagen zur Quersubventionierung des städtischen Schwimmbades belegen können, dann sollten Sie den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung im Sinne von § 19 Absatz 4 Nr. 2 nachweisen können. Denn bei wirksamen Wettbewerb könnten die Stadtwerke Eschwege aus dem Stromverkauf nicht derart hohe Gewinne erzielen, dass sich daraus auch noch hohe Defizite aus dem Betrieb eines Schwimmbades finanzieren ließen. Weitergehende Informationen zur Unzulässigkeit der Quersubvention finden Sie in meinem Beitrag unter http://www.cleanstate.de/Energiepreise.html.


Kosten der CO2-Zertifikate im Strompreis
Des weiteren stecken im Strompreis seit 1.1.2005 auch die Kosten von CO2-Zertifikaten aus dem Emissionshandel, die zu Milliardengewinnen bei den Stromerzeugern führen. Das Einpreisen der kostenlos zugeteilten CO2-Zertifikate in den Strompreis ist nach der Abmahnung des Bundeskartellamtes gegen RWE vom 20.12.2006 kartellrechtswidrig, siehe  http://www.bundeskartellamt.de/wDeutsch/archiv/PressemeldArchiv/2006/2006_12_20.php. Demnach ist Forderung von Strompreisen ist „insoweit missbräuchlich, als in den Preisen mehr als 25 % des im Preis anteilig enthaltenen CO2-Zertifikatwerts überwälzt wurde.“

Nach Schlemmermeier/Schwintowski liegen darüber hinaus in der Einpreisung der CO2-Zertifikate „Wettbewerbshandlungen vor, die geeignet sind, die Entscheidungsfreiheit der Verbraucher durch unangemessenen, unsachlichen Einfluss zu beeinträchtigen (§ 4 Nr. 1 UWG). Ein solches Verhalten ist nach § 3 UWG unlauter, weil es geeignet ist, den Wettbewerb zum Nachteil der Verbraucher nicht nur unerheblich zu beeinträchtigen. Daraus folgt, dass die Einpreisung von unentgeltlich zugeteilten CO2-Zertifikaten ganz unabhängig von der Marktposition des einpreisenden EVU in jedem Falle wettbewerbswidrig und folglich unzulässig ist. Als Rechtsfolge können die EVU auf Unterlassung (§ 8 UWG) und Schadensersatz (§ 9 UWG) in Anspruch genommen werden.“ Den Artikel „Das deutsche Handelssystem für Emissionszertifikate: Rechtswidrig?“ von Ben Schlemmermeier und Hans-Peter Schwintowski finden Sie in der Zeitschrift für Neues Energierecht (ZNER) 2006, Heft 3, Seite 195 – 199 bzw. online unter http://www.lbd.de/cms/pdf-veroeffentl-fachpresse/0608-LBD-Presse-Handelssystem-Emissionszertifikate-ZNER.pdf.

Wenn die Stadtwerke Eschwege den Strom nicht selbst erzeugen, aber das Einpreisen der CO2-Zertifikate bei ihrem Stromlieferanten ohne Widerspruch geduldet haben und die erhöhten Bezugskosten an Sie als Endkunden nur einfach weitergereicht haben, dann ist auch das ein Beleg für den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung im Sinne von § 19 Abs. 4 Nr. 2 GWB. Denn bei wirksamen Wettbewerb hätte ein Konkurrent die CO2-Kosten im Strombezug gespart und diese Ersparnis an die Endkunden zumindest teilweise weitergegeben.


Herkunft des Stroms in Eschwege
In dem Beschluss B8 - 21/03 vom 12.9.2003 untersagte das Bundeskartellamt der E.ON AG, sich über ihre indirekte Tochter EAM Energie AG, mittlerweile in E.ON Energie Mitte AG umbenannt, an der Stadtwerke Eschwege GmbH zu beteiligen. In dem von Ihnen zitierten Urteil des BGH zum Fall E.ON/Eschwege, Aktenzeichen KVR 60/07 am 11.11.2008, heißt es in Randnummer  59: \"Die Mitgliedschaft von SW Eschwege an der Gesellschaft für Kommunale Kooperation (GKK), die für SW Eschwege und weitere regionale Energieversorger Rahmenverträge für den Strombezug aus-handle, stehe nicht entgegen, weil diese jederzeit gekündigt werden könne und im Übrigen SW Eschwege seit Bestehen der GKK Strom von EAM bezogen habe.\" Damit liegt ein Indiz dafür vor, dass sich die Stadtwerke Eschwege nicht nach dem günstigsten Anbieter für ihren Strombezug umgesehen haben, sondern die langjährige Geschäftsbeziehung mit dem erwarteten künftigen Gesellschafter weiterlaufen ließen.


Vergleich der Preise für verschiedene Zielgruppen
Wenn Sie das gesamte Angebot der Stadtwerke Eschwege nach Grundversorgung, Sonderverträgen und Angeboten für Geschäftskunden nebeneinander legen, könnten kartellrechtswidrige Preisdifferenzierungen zu Tage treten. Nehmen Sie verschiedene Verbrauchsmengen und vergleichen Sie die Unterschiede im Rechnungsbetrag relativ zu dem Rechnungsbetrag, der nach Ihrem Tarif zu zahlen ist. Bei manchen Stadtwerken lassen sich durch einen solchen Vergleich bemerkenswerte Erkenntnisse gewinnen, wie günstig bestimmte Kundengruppen versorgt werden können oder im anderen Extremfall, wie wenig Ersparnis tatsächlich der Abschluss eines Sondervertrages bringt.


Analyse von Geschäftsberichten
Die belastbarsten Fakten z. B. zur Quersubventionierung oder auch zur Höhe der Eigenkapitalrendite beinhalten Geschäftsberichte. Da die Stadtwerke Eschwege zu 100 % (?) der Stadt Eschwege gehören, sollte die städtische Beteiligungsverwaltung Ihnen die gewünschten Geschäftszahlen zur Verfügung stellen können. Alternativ hilft ein Besuch des örtlichen Handelsregisters oder der Stadtwerke selbst. Dort sollten Sie die ökonomischen Basisdaten für juristische Auseinandersetzungen beschaffen.

Wenn Sie wie die Romanfigur \"Zorro\" als \"Rächer des Volkes\" kämpfen wollen, könnten Sie die erkannten Unregelmäßigkeiten bei der Strompreisbildung auch den zuständigen Behörden melden. Da gäbe es z. B.
[*]Untreue nach § 266 StGB wegen überteuertem Stromeinkauf
[*]Untreue nach § 266 StGB wegen Nichtschließen des defizitären Schwimmbades
[*]Steuerhinterziehung nach § 370 AO durch verdeckte Gewinnausschüttung an die Stadt Eschwege mit der Quersubvention
[*]Disziplinarverfahren gegen die Stadtverwaltung der Stadt Eschwege wegen der verfassungswidrigen Quersubvention und Aufbau eines Schattenhaushaltes
[*]Dienstaufsichtsverfahren wegen der überhöhten Eigenkapitalrendite
[/list]

Mit freundlichen Grüßen
Lothar Gutsche

RR-E-ft:
@Lothar Gutsche

Untreue durch überteuerten Stromeinkauf?
Untreue wegen Nichtschließung eines defizitären Schwimmbades?
Auch andere Punkte erscheinen nicht stichhaltig.

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