Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen
Woraus ergibt sich das gesetzliche Leistungsbestimmungsrecht iSv. § 315 Abs. 1 BGB?
RR-E-ft:
Nach der Entscheidung des OLG Oldenburg vom 05.09.2008 ist Streit darüber entbrannt, woraus sich das gesetzliche Leistungsbestimmungsrecht des Energieversorgungsunternehmens im Sinne von § 315 Abs. 1 BGB eigentlich ergibt.
Es ergibt sich nicht aus den Verordnungen, so das OLG Oldenburg.
Siehste hier.
Der Kartellsenat des BGH geht in der Entscheidung vom 04.03.2008 (KZR 29/06) Rn. 12 zutreffend davon aus , dass sich das gesetzliche Leistungsbestimmungsrecht aus § 10 EnWG ergab.
--- Zitat ---Der jeweilige Netzbetreiber ist hiernach gehalten, nach Art eines Tarifs allgemeine Preise zu bilden, die den in vergleichbaren Fällen tatsächlich oder kalkulatorisch angesetzten internen Leistungsentgelten entsprechen und in den Verträgen mit externen Netznutzern nur unter-, aber nicht überschritten werden dürfen, wobei regelmäßig wegen des kartellrechtlichen Diskriminierungsverbots auch eine Unterschreitung im Einzelfall ausscheidet. Ebenso wie der Gesetzgeber den Energieversorgern, die nach § 10 EnWG 1998 allgemeine, d.h. für jedermann geltende Tarife aufzustellen haben, hierdurch ein gesetzliches Leistungsbestimmungsrecht eingeräumt hat (BGH NJW 2007, 2540 Tz. 17), ist damit den Netzbetreibern, die allein über die für die Bestimmung des zulässigen Preises erforderlichen tatsächlichen Kenntnisse verfügen, das Recht gegeben worden, unter Beachtung der Vorgaben des Energiewirtschaftsgesetzes und gegebenenfalls der durch Rechtsverordnung konkretisierten Kriterien allgemeine Entgelte für die Netznutzung zu bilden.
--- Ende Zitat ---
Dies stützt meine Auffassung, wonach sich das gesetzliche Leistungsbestimmungsrecht im Sinne von § 315 Abs. 1 BGB aus § 10 Abs. 1 EnWG 1998 bzw. §§ 36, 38 EnWG ergibt und in den Bestimmungen des § 4 AVBV bzw. § 5 Grundversorgungsverordnung lediglich eine Ausformung in Abweichung zu § 315 Abs. 2 BGB erfahren hat. Nichts anderes besagt die Entscheidung des OLG Oldenburg vom 05.09.2008. Das einseitige Leistungsbestimmungsrecht ergibt sich nicht aus der Verordnung, die ein solches- notwendig anderweitig bereits eingeräumtes Recht - lediglich ausformt.
Das ist auch zutreffend. Man kann sich nämlich die Verordnungen vollständig hinwegdenken, ohne dass dadurch das gesetzliche Leistungsbestimmungsrecht aus § 10 Abs. 1 EnWG 1998 bzw. §§ 36, 38 EnWG entfiele. Und tatsächlich kamen die Verordnungen auch erst später, als das gesetzliche Leistungsbestimmungsrecht gem. § 6 Abs. 1 EnWG 1935 schon längst bestand.
Für die Frage der gerichtlichen Billigkeitskontrolle von einseitigen Preisneufestsetzungen gegenüber grundversorgten Kunden ist der Streit, ob sich das gesetzliche Leistungsbestimmungsrecht nun aus dem EnWG oder aber erst aus einer Verordnung dazu ergibt, belanglos.
Wenn sich das gesetzliche Leistungsbestimmungsrecht aber aus dem EnWG und nicht aus den Verordnungen ergibt, so hat das Konsequenzen.
So führt die Einbeziehung der Bestimmungen der Verordnung als Allgemeine Geschäftsbedingungen in einen Sondervertrag (Belieferung außerhalb der Grundversorgung) auch nicht unbedingt zu einem einseitigen Leistungsbestimmungsrecht, unabhängig davon, dass ein solches nicht dem Transparenzgebot des § 307 BGB entsprechen kann (vgl. nur BGH, Urt. v. 13.07.2004 - KZR 10/03 unter II.6).
--- Zitat ---Die Unangemessenheit der Klausel läßt sich entgegen der Auffassung der Beklagten nicht mit dem Argument ausräumen, eine einseitige Leistungsbestimmung habe gemäß § 315 BGB nach billigem Ermessen zu erfolgen und sei andernfalls unverbindlich. § 315 BGB scheidet als unmittelbare Rechtfertigung einer Klausel schon deshalb aus, weil die Vorschrift eine wirksame Anwendungsvereinbarung
bereits voraussetzt und die Entscheidung über die Wirksamkeit der Vertragsklausel sich ausschließlich nach den Angemessenheitsmaßstäben des § 307 BGB, § 9 AGBG richtet (BGHZ 89, 206, 213).
Auch als inhaltliche Beschränkung des Anwendungsbereichs einer Klausel läßt sich der in § 315 BGB enthaltene Rechtsgedanke nicht verwerten, weil der weite Spielraum der Billigkeit nicht den an die Eingrenzung und Konkretisierung einer Formularbestimmung zu stellenden Anforderungen genügt (BGHZ 89 aaO).
--- Ende Zitat ---
Black:
Aus der Entscheidung des BGH VIII ZR 36/06 ist zu entnehmen, dass der 8. Senat den § 4 AVB/5 GVV als direktes Preisbestimmungsrecht ansieht:
--- Zitat --- BGH VIII ZR 36/06
Haben die Vertragsparteien vereinbart, dass eine von ihnen die Ver-tragsleistung bestimmen soll, so hat diese die Bestimmung im Zweifel nach billigem Ermessen vorzunehmen. Die getroffene Bestimmung ist für den anderen Teil nur verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht. Der Vertragspartner, der sich der Bestimmung des anderen unterworfen hat, soll hierdurch gegen eine willkürliche Vertragsgestaltung durch den anderen geschützt werden. Dieser allgemeine Schutzgedanke ist auch heranzuziehen, wenn das Gesetz einer Vertragspartei das unter § 315 BGB fallende Leistungsbestimmungsrecht zuweist (BGHZ, aaO).
§ 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV stellt eine solche gesetzliche Regelung dar(Hanau, ZIP 2006, 1281, 1282; Fricke, WuM 2005, 547, 550; Held, NZM 2004, 169, 172; Tegethoff/Büdenbender/Klinger, Das Recht der öffentlichen Energieversorgung, Stand 2000, § 4 AVBEltV/AVBGasV, Rdnr. 11 Fn. 18; wohl auch Arzt, N&R 2006, 2, 4 f.; Höch/Göge, ET 2006, 50, 51; aA - analoge Anwendung nur für den Fall einer Monopolstellung des Versorgungsunternehmens - AG Rostock RdE 2006, 94; Hempel/Franke, Recht der Energie- und Wasserversor-gung, Stand 2006, § 4 AVBEltV Rdnr. 4; Ehricke, JZ 2005, 599, 603; wohl auch de Wyl/Essig/Holtmeier, in Schneider/Theobald, Handbuch zum Recht der Energiewirtschaft, 2003, § 10 Rdnr. 393; Derleder/Rott, WuM 2005, 423, 425 f.).
--- Ende Zitat ---
RR-E-ft:
@Black
Der Senat begründet dies u.a. mit meiner Auffassung, indem er Fricke (nach Hanau und vor Held) zitiert.
Und ich meine, gut begründet zu haben, warum es sich anders verhält.
Black:
--- Zitat ---Original von RR-E-ft
@Black
Der Senat begründet dies u.a. mit meiner Auffassung, indem er Fricke (nach Hanau und vor Held) zitiert. Und ich meine, gut begründet zu haben, warum es sich anders verhält.
--- Ende Zitat ---
:D Witzig
RR-E-ft:
@Black
Immerhin war mir (und anderen) der Senat darin gefolgt, dass ein gesetzliches Leistungsbetimmungsrecht besteht, welches die direkte Anwendung des § 315 BGB zur Folge hat. In der selben Entscheidung ist der Senat meiner Auffassung (und anderen) ausdrücklich nicht gefolgt, nämlich hinsichtlich der Monopolstellung des örtlichen Gasversorgungsunternehmens. Das musste er nun in der Entscheidung vom 19.11.2008 revidieren.
In dem vom BGH (zweimal) zitierten Aufsatz von mir (WuM 2005, 547 ff.) ist keine Rede davon, dass sich das einseitige Leistungsbestimmungsrecht aus § 4 AVBV ergibt.
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