Herr X hatte für das 2007 einen Stromverbrauch von 1000 KW/h, der Ihm mit der Jahresrechnung am 10.Januar 2008 mitgeteilt wurde. Der gelieferte Strom war deckungsgleich mit seinen geleisteten Zahlungen für das Jahr 2007. Eine Einzugsermächtigung des Stromlieferanten für das Konto von Herrn X bestand nicht. Der Stromlieferant forderte mit 22 €/Monat für das Jahr 2008, die selben Abschlagzahlungen wie zuvor, denen Herr X nicht widersprach. Herr X ist, was seine Kosten betrifft, ein akurater Mensch, sodass er, bevor er am 11. Januar 2008 die von Ihm bewohnte Wohnung verlässt, gewohnheitsmäßig alle elektrischen Geräte per FI-Schutzschalter ausschaltet. Sein Stromverbrauch ist 0 KW/h, der Ferrarisläufer (Zählerscheibe) steht bewegungslos still, als er die Wohnung verlässt.
Am selben Tag erleidet Herr X einen schweren Sportunfall, der Ihn zunächst zu Monate andauernden Krankenhausaufenthalt und danach zu einem Aufenthalt in einer Reha-Klinik zwingt.
Als Herr X just nach einem Jahr voll genesen, am 10. Januar 2009 in seine Wohnung zurück kehrt, findet er u.A. Schreiben, die Jahresendabrechnung des Stromlieferanten für das Jahr 2008 vor, bemerkt jedoch, als er den im Hausflur befindlichen Zählerschrank öffnet um den FI-Schutzschalter wieder einzuschalten, dass seine Wohnung mit einer Stromsperre belastet wurde. Herr X vollkommen perplex, notiert sich den Zählerstand, geht in seine Wohnung und widmet sich den Schreiben des Stromlieferanten. Zunächst vergleicht er die Zählerstände vom 10.1.2008 und 10.1.2009 und stellt eine Differenz von Null fest, also einen tatsächlichen Stromverbrauch von 0 KW/h. Das beruhigt Herrn X zunächst, weil er nunmehr der festen Meinung ist, dass die Stromsperre Irrtum des Stromlieferanten sein muss. Er stellt aus den gesamten Schreiben des Stromlieferanten fest, dass er nachdem die 1. Abschlagzahlung für Februar 2008 nicht gezahlt wurde, er alle 10 Tage ein kostenpflichtiges Mahnschreiben mit Kosten von je 2,56 € erhalten hat, dass Ihm außerdem wegen Zahlungsverzug im Juni 2008 die Stromsperre angedroht wurde, die schließlich im Juli 2008, nach 3 vergeblichen, deswegen für Ihn zusätzlich noch mit je
42,95 € kostenpflichtigen Terminen, bewirkt und in Rechnung gestellt wurden. Alles in allem weist die Jahresendabrechnung für 2008, 47 Mahnschreiben von insgesamt 120,32 €, sowie 3 Außendiensteinsätze von insgesamt 128,85 €, sowie den Grundpreis von 70,79 €, mit einer Bruttosumme von insgesamt 319,96 €, aus.
Nun ist Herr X erbost über die Dreistigkeit des Stromlieferanten, da er nicht akzeptiert für eine nicht in Anspruch genommene Leistung, Mahn- und Außendienstkosten bezahlen zu sollen. Er akzeptiert zwar, dass die Grundkosten fällig wurden, deswegen jedoch monatliche Mahnkosten die über den geschuldeten Monatsbetrag sind zu bezahlen und dazu noch diese Stromsperre mit 130 €, das akzeptiert er nicht. Er ruft bei dem Stromlieferanten an und beschwert sich. Der Stromlieferant kennt jedoch kein Pardon und beharrt auf einer Gesetzpassage die Ihn berechtige, äquivalente Abschlagzahlungen aufgrund des im Vorjahr festgestellten Stromverbrauch zu fordern und wenn diese nicht bezahlt würden, habe der Stromlieferant aufgrund des Zahlungsverzug das Recht, Mahnkosten bis hin zu einer Stromsperre zu bewirken. Nach 5 fälligen Abschlagzahlungen sei im Juni 2008 die 100 € Grenze, sogar ohne die bis dahin noch zusätzlich aufgerechneten Mahnkosten erreicht gewesen, die den Stromlieferanten per Gesetz berechtigt, eine Stromsperre zu bewirken. Nun ist Herr X noch erboster und argumentiert entsprechend energischer, dass es wohl nicht sein kann Ihm eine Schuld anzulasten, obwohl er nachweislich gar keinen Strom verbraucht habe, die geschuldeten Grundkosten alleine keine Stromsperre rechtfertigen würden. Er argumentiert, dass das Verhalten des Stromlieferanten sittenwidrig sei.
Nachdem auch der Stromlieferant in seiner Argumentation uneinsichtig verharrt, erklärt Herr X das Problem vor das örtliche Gericht zu bringen und dort entscheiden zu lassen.
Es kommt nun zu einem Gerichtsverfahren in dem zugespitzt auf das Schuldrecht (BGB § 241), jeweils die bisherigen Argumente vorgetragen werden.
Herrn X wird vom Rechtsanwalt des Stromlieferanten erklärt, dass es zwar bezogen auf seinen Stromverbrauch paradox erscheinen mag, von einer Schuld auszugehen, bei näherer Betrachtung der Rechtslage jedoch es so sei, dass Herrn X die für das Jahr 2008 prognostizierte Strommenge geliefert, zumindest jedoch vertragsgemäß bereit gestellt wurde und diese Tatsache, die Herr X etwas mürrisch zur Kenntnis nimmt, berechtige den Stromlieferanten auch für den nicht verbrauchten Strom, im Falle des Zahlungsverzug, Mahnkosten in Rechnung zu stellen.
Herr X erwidert zunächst auf die Bereitstellung bzw. Lieferung des nicht verbrauchten Strom, dass Strom physikalisch betrachtet, erst dann fliesst wenn der Verbraucher ein elektrisches Gerät einschalte. Der Strom den Haushaltkunden nutzen, ist im Gegensatz zu anderen Energiearten wie z.B. Wasser, Gas und Öl, eben nicht speicherbar, er wird direkt, ohne hier erwähnenswerten Zeitverlust, in Echtzeit vom Energieerzeuger (z.B. Generator) abgefordert (Last). Der Stromlieferant liefert also generell nicht im Sinne einer Zusatzleistung, weil dies bei einem intakten Vertrag nur vom Wille des Verbraucher’ abhängig ist, sondern stellt allenfalls den Strom bereit. Der „Stromlieferant“ habe und kann die bereitgestellte Liefermenge lediglich begrenzen, was er sogar in den AGB’s (Vattenfall, 1. Stromlieferung) konkretisiert auf hier eine Jahresmenge von 100.000 KW/h, macht. Letztendlich ist bei einer permanent anliegenden Spannung, von hier 230 Volt, für den Verbrauch in KW/h entscheidend, dass der Kunde ein bzw. mehrere elektrische Geräte an das Stromnetz anschließe und damit bestimmt nur der Verbraucher unter der gegebenen Bauart, wann und in welcher Menge Strom fliesst. Es ist auch strittig, dass der „Stromlieferant“ den Strom bereit stelle, weil dies physikalisch ebenso keine Zusatzleistung ist, sondern sich eben z.B. aus dem ohmschen Gesetz zwangsweise ergibt. Die Leistung des „Stromlieferanten“ ist zunächst einmal, dass er permanent eine konstante Spannung bereit stellen muss und dies ist eben verbrauchsunabhängig. Für die Bereitstellung der Spannung bekommt und berechnet er jedoch gar kein Geld. Technisch limitiert ist dieser Fakt durch die jeweilige Bauart im Niederspannungsnetz, z.B. dem Querschnitt des Leitermaterials und daraus resultierenden Schmelzsicherungen, die den Stromfluss schon technisch begrenzen.
Weiter erwähnt Herr X dass er nicht verpflichtet sei, die ihm bereit gestellte Energie zu verbrauchen, dass er, ginge man selbst von seiner passiven Zustimmung zur Liefermenge aus, ja schließlich nicht einmal das Recht habe, wenn er die Gesetzeslage in der StromGVV richtig verstehe, seinen Liefervertrag mengenmäßig zu bestimmen. Der Stromlieferant hätte mit dieser Gesetzeslage in StromGVV § 13 einen Blancoscheck für eine vom Lieferanten einseitig festgelegte Liefermenge und dies könne nur sittenwidrig sein, auch wenn es in Ausübung der Monopolstellung von Energielieferanten, bisher Gewohnheitsrecht war.
Schließlich gebe es seit Jahren Initiativen der Europäischen Union zur Liberalisierung des Strommarkt, die jedoch offenbar in mehreren wortwörtlichen Übernahmen von altem in neues Recht, dieser Initiative nicht entsprächen und Monopolstellungen und Zwangsmaßnahmen in solch elementare Lebensbereiche wie die der elektrischen Energielieferung, weiterhin begünstigen.
Der Rechtsanwalt des Stromlieferanten erwidert darauf, dass grundsätzlich jeder Verbraucher das Recht und auch die Möglichkeit habe, seinen Lieferbedarf anhand des dem Lieferanten mitzuteilenden Zählerstandes, korrigieren zu lassen.
Herr X immer noch perplex von der dreisten Argumentation des Stromlieferanten, erwidert nun, dass er selbst ohne die besonderen Umstände seines Unfalls und den damit verbundenen Krankenhausaufenthalt, kein Verständnis für die Argumentation des Stromlieferanten habe. Er erwidert auf konkret Ihm vorgehaltene Korrekturmöglichkeiten des Liefervertrag, dass Ihm die Leistung des Zählerablesens, regelmäßig, und zwar im auf der Rechnung ausgewiesenen
-Entgelt für Messung
-Entgelt für Messstellenbetrieb
mit ca. 7 % des Stromentgelt’ in Rechnung gestellt wurden. Es demnach Vertragssache und auch -pflicht des Lieferanten ist, die Zählerablesung auch selbst zu machen. Weiter hält er konkret entgegen, dass schließlich sogar während der ihm in Rechnung gestellten Außendiensteinsätze, die Möglichkeit für den Außendienstmitarbeiter bestand, den tatsächlichen Zählerstand festzustellen und zu notieren. Die Zählerablesung sei, nach Argumentation von Herrn X, sogar zwingende Vorraussetzung für eine Schuldforderung und dem Beweis eines Zahlungsverzug. Der Stromlieferant hätte demnach noch bevor er die Stromsperre bewirkte, die Einsicht haben müssen, den Zählerstand mit den Abschlagzahlungsforderungen zu vergleichen und ggf. die Abschlagsforderungen selbst zu korrigieren. Es ist schließlich Sache des Stromlieferanten seine Außendienstmitarbeiter anzuweisen, dass bevor eine Stromsperre bewirkt wird, den aktuellen Zählerstand zu erfassen, um gemäß BGB § 241 eine Schuld festzustellen und um schließlich überhaupt in die Rechtslage eines zu Zwangsmitteln greifenden Gläubigers zu kommen. Es könne nicht sein, argumentiert Herr X mit dem Vorwurf der Sittenwidrigkeit weiter, dass aufgrund von Verbrauchsprognosen mit Schuldfälligkeiten jongliert werde, obwohl in diesem konkreten Fall, der Außendienstmitarbeiter des Stromlieferanten befähigt war, ein Lieferkorrekturbedarf anhand des tatsächlichen Zählerstandes festzustellen und dies dann auch in den Abschlagzahlungsforderungen selbst zu korrigieren.
Den nun vom Rechtsanwalt des Stromlieferanten kurz eingewandten Hinweis auf eine gesetzliche Mitwirkungspflicht des Herrn X, lehnt Herr X auch ohne die besonderen Umstände seines Krankenhausaufenthaltes ab, da der Lieferant zum Einen wie schon erwähnt, im Stromentgelt, Zählerablese- und wartungskosten in Rechnung stellt und zum Anderen ja im Falle einer per Inkasso bewirkten Stromsperre, auch tatsächlich die Möglichkeit des Stromlieferanten durch seinen vor Ort anwesenden Außendienstmitarbeiter bestand, den Zählerstand abzulesen, um den Rechnungs- und Forderungsirrtum festzustellen. Die Mitwirkungspflicht des Kunden könne un-strittig wohl darin bestehen, den Zugang zum Zählerschrank (Schlüssel) zu ermög-lichen, selbst hierzu erscheint im Zweifelsfall jedoch der Hauseigentümer eher befähigt zu sein, als die Bewohner. Die elektrischen Leitungen seien bei Mietwoh-nungen i.d.R. Eigentum des Hauseigentümer. Allein am Wille des Stromlieferanten den Zählerstand festzustellen, in diesem Fall nämlich zu Ungunsten der zusätzlich avisierten Außendienstkosten, wird es gemangelt haben, stellt Herr X hierzu ab-schließend fest. Herr X bewertet die Unterlassung des Außendienstmitarbeiter, als bewusste Vorteilnahmeabsicht des Stromlieferanten, um zudem sogar überhöht erscheinende Kosten des Außendienst, auf ihn abzuwälzen und dies sei nicht nur deswegen sittenwidrig, weil die Zählerablesekosten im Stromentgelt schon enthalten sind.
Herr X bestreitet nunmehr sogar, dass aus der im Gesetz erwähnten Abschlagzahlungspraxis, ein Selbstverständnis bzw. Automatismus von in diesen Raten inbegriffenen Steuervorauszahlungsforderungen an den Kunden, wie z.B. monatliche Mehrwert- und Stromsteuerforderungen, bestünde. In StromGVV § 13 steht zu den Abschlagzahlungen, dass sie auf die in der Vorrechnung ausgewiesene verbrauchte Elektrizität anwendbar ist, dass damit automatisch Steuerbeträge für Abschlagzahlungen forderungsfähig würden, ist in diesem Gesetz nicht geschrieben und wohl auch nicht gemeint. Die Mehrwert- und auch Stromsteuer wird vom Lieferanten, wie üblich, einmalig im Jahr vom Finanzamt gefordert. Dieser Fakt belege den Jahresrechnungscharakter, zumindest was die Fälligkeit der Steuerbeträge anbelangt. Die Abschlagzahlungspraxis sei auch in diesem Punkt, der monatlich inbegriffenen Steuerbeträge, ohne dass der Zählerstand vom Stromlieferanten auch tatsächlich dann monatlich festgestellt wurde, ein strittiges, vorteilnehmendes Zusatzgeschäft des Stromlieferanten.
Der Rechtsanwalt des Stromlieferanten macht nunmehr einen Vergleichsvorschlag, in dem auf die Kosten der Stromsperre verzichtet werde, jedoch die Forderung der Mahnkosten bestand haben solle, da zumindest die Forderung der Grundkosten wohl unstrittig seien.
Herr X stellt hierzu fest, dass die monatlichen Grundkosten Brutto ca. 5,90 € seien, dem gegenüber eine hierzu unverhältnismäßige Höhe von 3 x Mahnkosten zu je 2,56 €, mit Monatskosten von 7,68 € stehen und dies sei unverhältnismäßig. Schließlich resultiere aus dem Gesetz nicht, argumentiert Herr X, dass Mahnkostenforderung zum Selbstzweck bestimmt sind, sondern den Zweck verfolgen, den Schuldner zu mahnen. Mahnungen in der Fülle wie sie der Stromlieferant offenbar als zusätzliche Geldeinnahme praktiziert, verfehlten jedoch den vom Gesetzgeber bestimmten Zweck und zudem sei aus BGB § 286 (2) 2. ersichtlich, dass sofern Mahnschreiben tatsächlich keine Wirkung bei dem Schuldner zeigen, dies als letztendliche Zahlungsverweigerung verstanden werden muss, der dann i.d.R. ein, am in Berlin zuständigen Mahngericht in Wedding zu beantragender, Mahnbescheid folgen sollte. (Der Mahnung bedarf es nicht, wenn der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert.) Die Mahnpraxis des Stromlieferanten sei auch diesbezüglich missbräuchlich, da er offenbar auf der bis dahin geltenden Monopolstellung seines Geschäftes vertrauen konnte, aus den Mahnschreiben mittlerweile ein Zusatzgeschäft machte, und sich immer noch wie ein mittelalterlicher Feudalabsolutist in der Praxis seiner Zwangsmaßnahmen benehme, seltsamer Weise jedoch offenbar gerichtlichen Entscheidungen aus dem Wege geht.
Was meinen Sie gibt es doch noch eine Einigung zwischen Kunde und Lieferant, einen gerichtlichen Vergleich, oder meinen Sie, das Gericht wird entscheiden müssen. Wie würden Sie entscheiden?