Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen
Nachweis von Einsparungen: Sprengkraft unterschätzt?
ESG-Rebell:
--- Zitat ---BGH 36/06 vom 13.06.07:
Leitsatz D.: \"Die Weitergabe von Bezugskostensteigerungen ist grundsätzlich nicht unbillig,
wenn und soweit diese nicht durch Einsparungen an anderer Stelle ausgeglichen werden können\"
--- Ende Zitat ---
Hinsichtlich der Kosteneinsparungen lässt dieser Leitsatz grundsätzlich zwei Interpretationen zu:
[list=1]
[*]Der Versorger hat versucht, Kosten einzusparen; jedoch ohne Erfolg. Dies stellt wohl das normale Verhalten eines im Wettbewerb stehenden Unternehmens dar.
[*]Der Versorger hat garnicht erst versucht, Kosten einzusparen; insbesondere nicht bei den eigenen Ausgaben bspw. für Gehälter oder durch Abwehr hoher Kosten des Netzbetreibers oder des Vorlieferanten.
[/list=1]Könnte ein Versorger sich auf diese zweite Interpretation berufen, so wäre die Anforderung insgesamt nutzlos. Ein Versorger würde demnach tunlichst zuerst Kostensteigerungen durch Preissteigerungen abwälzen und danach erst Einsparungen vornehmen und mit diesen seine Gewinnmarge erhöhen.
Daher ist der Leitsatz also so zu verstehen, dass es nicht im Gutdünken des Versorgers liegt, ob er Einsparungen zur Abmilderung von Preissteigerungen erzielen möchte oder nicht. Vielmehr ist dazu verpflichtet, wenn er Preissteigerungen vornehmen möchte.
In diese Richtung geht auch die weitere Rechtsprechung:
--- Zitat ---BGH 138/07 vom 19.11.08:
Ferner kann für die Unbilligkeit ... von Bedeutung sein, ob der Versorger im Verhältnis zu seinem Vorlieferanten ... Preissteigerungen akzeptiert hat, die er ... ohne die Möglichkeit einer Weitergabe ... vermieden hätte.
--- Ende Zitat ---
Wir Verbraucher vermuten ja aufgrund deutlicher Indizien, dass in den Energiepreisen stark überhöhte Gewinnmargen stecken. Um die Angemessenheit eines verlangten Preises - also das Fehlen einer überhöhten Gewinnmarge - sicher feststellen zu können, fordern wir die Offenlegung der Kalkulation des Preises.
Bei genauer Betrachtung besteht diese Forderung jedoch aus zwei Teilen:
[list=1]
[*]Benennung aller preisbildenden Bestandteile nach ihrer Art.
[*]Benennung des Betrags, den jeder Bestandteil am Verkaufspreis einnimmt.
[/list=1]Soweit ich die bisherige Auseinandersetzung richtig überblicke, haben sich alle Versorger bislang geweigert, nicht nur die zweite, sondern auch die erste Forderung zu erfüllen.
Bei der ersten Forderung kann ich ein Geheimhaltungsbedürfnis der Versorger allerdings nicht einmal ansatzweise nachvollziehen. Schliesslich geht es hier nicht um das Coca-Cola-Rezept, dessen Bestandteile sowohl hinsichtlich ihrer Art als auch ihrer Menge ein essentielles Betriebsgeheimnis darstellen. Vielmehr dürfte die Art der Kostenbestandteile bei praktisch allen Versorgern nahezu identisch sein. Insbesondere müsste es möglich sein, eine Gesamtliste zu erstellen, mit der jeder Versorger quasi \"überprüft\" werden kann. Manche Kostenbestandteile könnten dann bei dem einen oder anderen Versorger mit 0 Euro anzusetzen sein.
Staatliche/Kommunale Abgaben:
[*]Mehrwertsteuer / Ökosteuer / Stromsteuer / Erdgassteuer
[*]Konzessionsabgaben / Strombeistellungskosten
[*]Umlagen zur Förderung Erneuerbarer Energien (EEG)
[*]Umlagen zum Schutz der Kraft-Wärme-Kopplung (KWKModG),
[/list] Betriebliche Kosten:
[*]Bezugskosten Vorlieferant
[*]Netznutzungsentgelte
[*]Kosten für Gasspeicherung
[*]Investitions-/Instandhaltungskosten eigener Anlagen
[*]Kosten für Verbrauchserfassung und Abrechnung
[*]Gewinn
[/list]Hier kommt jetzt nochmal die oben zitierte Rechtsprechung des BGH und der Vortrag der betroffenen Kunden zum Tragen.
Überhöhte Gewinne können ja einerseits in der eigenen Gewinnmarge des Versorgers stecken. Darüber hinaus können überhöhte Gewinne aber natürlich auch in anderen Kostenbestandteilen stecken, insbesondere in den \"Bezugskosten Vorlieferant\" und den Netznutzungsentgelten. Wenn dem so ist, dann sind Einsparungen dadurch möglich, dass die Bezahlung dieser überhöhten Gewinne vermieden wird.
Die Höhe dieser Kostenbestandteile sollen nach Wunsch des Versorgers ja geheim bleiben. Folglich bleibt dem Kunden nur zu behaupten, diese Bestandteile enthielten überhöhte Gewinne und auf Bestreiten des Versorgers entsprechenden Beweis zu verlangen.
Ebenso sollen die Vertragsinhalte des Versorgers mit dem Netzbetreiber und dem Vorlieferanten nach Wunsch des Versorgers ja geheim bleiben. Folglich bleibt dem Kunden auch hier nur zu behaupten, diese Verträge enthielten Klauseln, die dem Netzbetreiber und Vorlieferanten eine Erzielung unbillig überhöhter Gewinne ermöglichten ohne dass der Versorger sich dagegen wehre und auf Bestreiten des Versorgers wieder entsprechenden Beweis zu verlangen.
Derzeit habe ich den Eindruck, dass die \"Sprengkraft\" dieser Anforderungen an den Versorger von den bislang verklagten Kunden bzw. deren Anwälten noch nicht gänzlich erkannt bzw. genutzt worden ist.
Exerziert man dies gedanklich mal durch, kommt man meines Erachtens zu dem Schluss, dass dies langfristig zu einer Billigkeitskontrolle des Gesamtpreises \"durch die Hintertür\" führen kann. Sollte sich die Auffassung des BGH-Zivilsenats durchsetzen, so könnten die Versorger ihre derzeitigen überhöhten Sockelbeträge zwar behalten; müssten zum Auffangen zukünftiger Preissteigerungen aber ihre überhöhten Gewinnmargen abschmelzen.
Gruss,
ESG-Rebell.
Black:
1. wie definieren Sie \"überhöhte Gewinne\"
2. Wie kommen Sie darauf, dass eine Reduzierung des Gewinns eine Kosteneinsparung darstellt?
3. Wenn der Kunde behauptet, die Vorlieferantenverträge seien ihrerseits unbillig, so liegt die Beweislast hierfür beim Kunden
jroettges:
In diesem Zusammenhang sei auch auf die Untersuchungen des BdEv zu den Rohmargen der Gasversorger hingewiesen.
Diese Unterschiede sind nur mit der \"Gewinnkultur\" erklärbar, die das jeweilige Unternehmen in der Vergangenheit entwickelt hat.
Kein Geschäftsführer lässt sich gerne einen Gewinneinbruch anlasten, weil er zu einer offenen und fairen Kalkulation der Gaspreise übergegengen ist.
Das wollen die jeweiligen Eigentümer auch nicht, die meist von uns selbst in ihre Position gewählt worden sind.
Bricht der Gewinn wegen eines warmen Winters und/oder des allgemein nachlassenden Verbrauchs ein, werden vielmehr die Preise erhöht.
Der Grundgedanke im Beitrag von ESG-Rebell ist aber richtig: Das Urteil vom 19.11.08 zur Billigkeit in Tarfifverträgen bietet eine Menge Ansatzpunkte, die viel stärker von der Verbraucherseite ausgelotet werden sollten.
Black:
Gewinnmargen sind nach der Rechtsprechung des BGH weder zu überprüfen noch zu reduzieren um Preisanpassungen zu vermeiden. Es ist gerade umgekehrt, die Preisanpassung darf der Erhaltung der Gewinnmarge dienen. Eine Preisanpassung ist nur dann unzulässig, wenn sie die gewinnmarge noch steigert.
--- Zitat ---BGH VIII ZR 138/07
Eine Erhöhung des Gaspreises widerspricht nicht schon deshalb der Billigkeit, weil das Versorgungsunternehmen mit ihr anstrebt, eine Gewinnschmälerung zu vermeiden.
Die durch § 315 BGB angeordnete Überprüfung der Billigkeit einer einseitigen Preiserhöhung durch eine Vertragspartei im laufenden Vertragsverhältnis dient - anders als die hier ausgeschlossene Billig-keitskontrolle des Anfangspreises in entsprechender Anwendung von § 315 BGB (siehe oben unter a bb) - nicht dazu, die Kalkulation der zuvor mit der an-deren Partei vereinbarten Preise daraufhin zu kontrollieren, welche Gewinnspanne darin enthalten ist und ob diese billigem Ermessen entspricht.
Die Billigkeitskontrolle einer Preiserhöhung darf nicht dazu benutzt werden, in das bisher bestehende Preisgefüge einzugreifen und einen ursprünglich für den Lieferanten besonders vorteilhaften Vertrag in einen Vertrag mit einem anderen Interessenausgleich zu verwandeln.
--- Ende Zitat ---
nomos:
@Black, man sollte dazu aber ergänzen, dass die hier geäußerte Rechtsmeinung diametral zu anderen Entscheidungen des BGH und der Oberlandesgerichte in kartellrechtlichen Verfahren zur Überprüfung von Strom und Gaspreisen steht. Die Urteile unter dem Vorsitz des Richters Ball stehen mindestens in der Kritik.
--- Zitat ---Original von Black
1. wie definieren Sie \"überhöhte Gewinne\"
2. Wie kommen Sie darauf, dass eine Reduzierung des Gewinns eine Kosteneinsparung darstellt?
3. Wenn der Kunde behauptet, die Vorlieferantenverträge seien ihrerseits unbillig, so liegt die Beweislast hierfür beim Kunden
--- Ende Zitat ---
@Black, zunächst ist die Frage zu beantworten, in welcher Höhe ein Gewinn betriebswirtschaftlich notwendig ist, ob Mittel und Gewinnteile zweckfremd verwendet werden und gegebenenfalls was aktuell eine angemessene Rendite des eingebrachten Kapitals ausmacht. Von Bedeutung ist auch noch, um was für ein Unternehmen es sich dabei handelt. Damit kommunale Stadtwerke nicht mit Gazprom verwechselt werden, empfehle ich dazu mal als Beispiel Fachliteratur von Thorsten Franz oder Alfred Katz. Es gibt da auch noch den Begriff der \"marktüblichen Verzinsung\" die bei kommunalen Vesorgern eine Rolle spielt.
Eine Reduzierung des Gewinns ist selbstverständlich keine Kosteneinsparung, ermöglicht aber eine Preisreduzierung (betriebwirtschaftlich nicht notwendiger Gewinn = §1ff EnWG). Neben Quersubventionen, Unwirtschaftlichkeit und Mängel im Managment sind überhöhte Preise Folgen überhöhter Gewinne. Ein Markt, bzw. Wettbewerb, der das korrigiert, existiert leider nicht.
Die Beweislast für wettbewerbsgerechte Preise liegt beim Versorger. Der Staat mit seinen Behördern ist gefordert. Gesetze sind anzuwenden, Wettbewerb ist herzustellen. Der Bürger und Verbraucher hat einen Anspruch auf faire Leistungen und Preise. Das war der Wille des Gesetzgebers u.a. beim § 315 BGB ;). Steigende Milliardengewinne bei den Konzernen und Millionengewinne und Quersubventionen bei den Stadtwerken, trotz Verbrauchsrückgang ist mit diesem Willen nicht im Einklang.[/list]
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