Forum des Bundes der Energieverbraucher

Autor Thema: BGH, B. v. 10.12.2008 - KVR 02/08 - marktbeherrschende Stellung ggü. Gaskunden, kein Wärmemarkt  (Gelesen 11662 mal)

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Offline tangocharly

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Heute Verhandlungstermin beim Kartellsenat \"Stadtwerke Uelzen GmbH\".

Die Fragen : Marktabgrenzung , Wärmemarkt , Gaspreise, etc. stehen auf dem Prüfstand.
(Kommt jetzt der Große Senat in\'s Spiel ?)
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Offline RR-E-ft

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@tangocharly

Die Stadtwerke Uelzen haben bereits im Vorfeld angekündigt, ihre Gaspreise um 30 Prozent zu senken.

Selbstredend haben sie die Absenkung anders begründet und sich als Vorreiter dargestellt.

Die Vorinstanz OLG Celle hatte die Abgrenzung auf einen weiten Angebotsmarkt mit Wärmeenergie mit der Entscheidung des 8. Zivilsenats vom 13.06.2007 , Az. VIII ZR 36/06 Rn. 34 begründet.
Die sachliche Marktabgrenzung im Hinblick auf § 19 GWB hatte der Kartellsenat m. E. bereits in der Entscheidung vom 29.04.2008, Az. KZR 2/07 entschieden und dabei wiederholt zutreffend festgestellt, dass ein einheitlicher Angebotsmarkt für Wärmeenergie nicht besteht.

Dass kein einheitlicher Angebotsmarkt für Wärmeenergie bestehen kann, wird allein daraus ersichtlich, dass die Gaspreise den Heizölpreisen erst mit zeitlicher Verzögerung von sechs bis neun Monaten folgen. Auf einem einheitlichen Markt müssten sich die Preise jederzeit entsprechen, was einen Gaspreisanstieg in Zeiten sinkender Heizölpreise denknotwendig  ausschließt.

Jede andere Betrachtungsweise liefe zudem der Intention des Gesetzgebers hinsichtlich § 29 GWB n. F. entgegen, wie sich leicht aus der amtlichen Begründung der Bundesregierung zu diesem Gesetz entnehmen lässt. Der Gaswirtschaft geht es darum, diese gesetzliche Regelung dadurch auszuhebeln, dass sie eine marktbeherrschende Stellung der Gasversorger auf einem weiter abzugrenzenden \"Wärmemarkt\" in Abrede stellt.

Der 8. Zivilsenat des BGH ist (nun) der Meinung, auf die sachliche Marktabgrenzung im kartellrechtlichen Sinne komme es bei der gerichtlichen Billigkeitskontrolle nicht an, weil diese auch dann beschränkt sei, wenn das Gasversorgungsunternehmen eine Monopolstellung inne hat, vgl. Urt. v. 19.11.2008, Az. VIII ZR 138/07.

Letzteres steht m. E. im Widerspruch u.a. zur Entscheidung vom 28.03.2007, Az. VIII ZR 144/06 und vom 04.03.2008, Az. KZR 29/06, aber auch zur Entscheidung vom 13.06.2007, Az. VIII ZR 36/06 Rn. 34 f..
Im Urteil vom 13.06.2007 hieß es freilich noch, der Gaspreis unterliege dann insgesamt einer Billigkeitskontrolle, wenn der Gasversorger eine Monopolstellung hat.

Es muss zudem zwangsläufig zu einem absoluten Wertungswiderspruch führen, wenn eine nach der Rechtsprechung des 8. Zivilsenats der Billigkeit entsprechende Erhöhung zu einem kartellrechtswidrig überhöhten Preis führt, der seinerseits unbestritten niemals der Billigkeit entsprechen kann....

Offline RR-E-ft

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Die Entscheidung des Kartellsenats des BGH ist nicht anders ausgefallen als zu erwarten stand.

Pressemitteilung des BGH

Zitat
Auf die Beschwerde der Stadtwerke Uelzen hat das Oberlandesgericht Celle die Verfügung der Landeskartellbehörde mit der Erwägung aufgehoben, das Gasversorgungsunternehmen habe keine marktbeherrschende Stellung. Die Stadtwerke seien auf dem allgemeinen Angebotsmarkt für Wärmeenergie tätig, auf dem sie mit Anbietern konkurrierender Energieträger wie Heizöl, Strom und Fernwärme im Wettbewerb stünden.

Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat den Beschluss des Oberlandesgerichts Celle aufgehoben. Er hat – in Fortsetzung seiner bisherigen Rechtsprechung – den Markt für die Versorgung von Kleinkunden mit Erdgas als maßgeblich angesehen. Einen einheitlichen Wärmeenergiemarkt gebe es nicht, weil der Endkunde seine Heizung nicht ohne weiteres von Gas auf eine andere Heizenergie umstellen könne.


Ähnlich hatte der Kartellsenat des BGH im Beschluss vom 25.09.2007, Az. KZR 33/06 entschieden, in welchem es um die Monopolstellung von Stadtwerken als Fernwärmelieferant ging. Siehste hier.

Nach alldem fragt man sich natürlich, wie der 8. Zivilsenat des BGH in seiner Entscheidung vom 19.11.2008, Az. VIII ZR 138/07 die Auffassung vertreten kann, eine staatliche Preiskontrolle von Gastarifpreisen sei selbst bei einer Monopolstellung des Gasversorgers ausgeschlossen, weil sie angeblich der Intention des Gesetzgebers widerspräche.

Die Gaspreise monopolistischer Gasanbieter unterliegen der staatlichen Kontrolle, etwa auch im Rahmen der kartellrechtlichen Preismissbrauchskontrolle, gerade weil die Gasversorgungsunternehmen auf dem sachlich relevanten Markt eine marktbeherrschende Stellung inne haben. Über Entscheidungen der staatlichen Kartellbehörden entscheiden im Rechtsmittelverfahren staatliche Gerichte und folglich auch darüber, ob kartellrechtswidrig überhöhte Gastarifpreise abgesenkt werden müssen.


Offline tangocharly

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@ RR-E-ft

Zitat
MyCity „Mit der Entscheidung ist eine zwischen den Senaten des BGH strittige Grundsatzfrage für alle 770 Erdgasversorger geklärt\", kommentiert der Kartellrechtsexperte Prof. Dr. Siegried Klaue das Urteil, \"Der BGH hat so den Weg geebnet, die Stadtwerke Uelzen GmbH von den ungerechtfertigten Vorwürfen der missbräuchlichen Preisgestaltung zu befreien.\"


...... ist mir da etwas entgangen (außer dem Umstand, dass die Stadtwerke Preise um ca. 30% reduzieren wollten) ?
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Offline RR-E-ft

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@tangocharly

Vielleicht waren Ihnen die letzten Publikationen von Prof. Klaue zur sachlichen Marktabgrenzung im Gasbereich entgangen (etwa ZNER 2008, S. 107 ff.), die den Kartellsenat des BGH jedoch auch nicht davon überzeugen konnten, dass ein einheitlicher Markt für Wärmeenergie existiert.

Kartellrechtliche Revolution und mittleres Erdbeben wurden heute höchstrichterlich abgesagt

HuK- Gaspreise unterliegen weiterhin der staatlichen Kontrolle, seit
Inkrafttreten des § 29 GWB sogar in verschärfter Form.

Damit hatten sich auch CMS Hasche Sigle verschätzt, welche die kartellrechtliche Gaspreisaufsicht bei Haushaltskunden für obsolet hielten.


Vgl. auch \"Kursbuch Stadtwerke\" Ausgabe 6/2008 S. 4 f. (Rödl & Partner)

Offline tangocharly

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@ RR-E-ft

Zitat
Prof. Klaue: Es bleibt zu erwarten, dass die Frage eines Wärmemarktes alsbald höchstrichterlich vom Kartellsenat der BGH entschieden wird, wozu Anlass besteht, weil zum Beispiel beim OLG Celle noch in diesem Jahr eine Entscheidung über genau diese Frage ansteht. Es handelt sich bei diesem Verfahren um eine Beschwerde gegen eine Entscheidung der LKartB Niedersachsen,  die mit der Frage nach der Marktbeherrschung steht und fällt, denn die LKartB Niedersachsen hat einen kommunalen Weiterverteiler eines missbräuchlichen Gaspreises bezichtigt.
Unbeantwortet bleibt in diesem Zusammenhang eine kleine und spekulative Frage: Hat der VIII. Zivilsenat seine Aussage über den Wärmemarkt ganz allein oder doch vielleicht nach kollegialer Diskussion auf dem Korridor mit den Mitgliedern des Kartellsenates gemacht?

Der Schlußvermerk setzt dem ganzen \"Glasperlenspiel\" noch die Krone auf.
Was stellt sich der Herr dort wohl vor, dass die 10 in Karlsruhe gegenseitig Russisch-Roulette spielen und je nachdem was trifft, fällt die Entscheidung so oder so ?
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Offline uwes

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Die Meldung von Beck-Online ist an Deutlichkeit nicht zu überbeiten und muss eigentlich auch dem doch teilweise sehr eingefahrenen Kartellsenat in Celle aufzeigen, dass man nicht alles vom VIII. Senat ungeprüft in Kartellverfahren übernehmen sollte.

BGH: Preisgestaltung der Gasversorger unterliegt kartellrechtlicher Missbrauchskontrolle

zu BGH, Urteil vom 10.12.2008 - KVR 2/08
Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10.12.2008 entschieden, dass ein örtlicher Erdgasversorger in seinem angestammten Versorgungsgebiet eine marktbeherrschende Stellung innehat und daher bei der Gestaltung seiner Endverbraucherpreise der Missbrauchsaufsicht der Kartellbehörden unterliegt (Beschluss vom 10.12.2008, Az.: KVR 2/08 )
Sachverhalt

Die Stadtwerke Uelzen GmbH, ein Gasversorgungsunternehmen in Niedersachsen, beliefert in ihrem Versorgungsgebiet Endverbraucher mit Erdgas. Wie andere niedersächsische Gasversorgungsunternehmen hat sie ihre Preise für die Versorgung privater Endverbraucher seit Herbst 2005 mehrfach erhöht. Veranlasst durch Beschwerden betroffener Verbraucher hat die niedersächsische Landeskartellbehörde die Gaspreise kartellrechtlich überprüft und ist zu dem Ergebnis gelangt, dass die Stadtwerke in der Zeit vom 01.11.2005 bis 31.03.2006 missbräuchlich überhöhte Jahresgesamtpreise gefordert haben. Die Landeskartellbehörde hat die Stadtwerke daher verpflichtet, den Kunden die zuviel erhobenen Gaspreise – in Abhängigkeit von den Zeiträumen und Abnahmemengen handelt es sich um Beträge zwischen 0,3 und 0,5 Cent/kWh – mit der Jahresabrechnung 2006 zurückzuerstatten.
OLG Celle sah keine marktbeherrschende Stellung

Auf die Beschwerde der Stadtwerke Uelzen hat das Oberlandesgericht Celle die Verfügung der Landeskartellbehörde mit der Erwägung aufgehoben, das Gasversorgungsunternehmen habe keine marktbeherrschende Stellung. Die Stadtwerke seien auf dem allgemeinen Angebotsmarkt für Wärmeenergie tätig, auf dem sie mit Anbietern konkurrierender Energieträger wie Heizöl, Strom und Fernwärme im Wettbewerb stünden.
BGH verneint einheitlichen Wärmeenergiemarkt

Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat den Beschluss des Oberlandesgerichts Celle aufgehoben. Er hat – in Fortsetzung seiner bisherigen Rechtsprechung – den Markt für die Versorgung von Kleinkunden mit Erdgas als maßgeblich angesehen. Einen einheitlichen Wärmeenergiemarkt gebe es nicht, weil der Endkunde seine Heizung nicht ohne weiteres von Gas auf eine andere Heizenergie umstellen könne. Da das Oberlandesgericht sich nicht mit der Frage befasst hat, ob die Stadtwerke ihre marktbeherrschende Stellung missbraucht haben, hat der Bundesgerichtshof die Sache zur weiteren Prüfung an die Vorinstanz zurückverwiesen.
Mit freundlichen Grüßen

Uwes
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Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten

Offline RR-E-ft

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Fehlt jetzt eigentlich irgendwie eine entsprechende Pressemitteilung des BDEW:

\"BGH: Klares Bekenntnis zur staatlichen Gaspreiskontrolle\"

Laut energate bereitet die 10.Beschlusskammer des Bundeskartellamtes neue Missbrauchsverfahren gegen Gasversorger vor, nun gestärkt mit höchstrichterlicher Rechtsprechung im Rücken.

NRW fragt 140 Gasversorger ab.

Offline RR-E-ft

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