Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen

Preisgleitklausel

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gasmann:
Eine bestehende Preisgleitklausel steht nach meinen Informationen einem Widerspruch gem. § 315 entgegen. Mein Erdgas-Sondervertrag enthält folgende Passage: \"Die ... ist berechtigt, die Gaspreise zu ändern, wenn eine Preisänderung durch einen Vorlieferanten der ... erfolgt.\"

Ist das eine wirksame Preisgleitklausel? Ich denke zwar nicht. Kann mir das jemand bestätigen? Vielen Dank!

RR-E-ft:
@gasmann

Nein.

Die Klausel ist schon unwirksam, weil sie inhaltlich vollkommen unbestimmt ist, Preisänderungen in das vollkommene Belieben des EVU stellt, keine notwendige Beschränkung enthält und eine Steigerung des Gewinnanteils zulässt, vgl. Palandt, BGB, 64.A., § 309 Rn. 8 mit Hinweis auf die BGH- Rechtsprechung.

Nach der Rechtsprechung des BGH gibt es bei solchen AGB auch keine geltungserhaltende Reduktion. Die Klausel ist insgesamt unwirksam.

Auf eine unwirksame Klausel kann gar keine Preiserhöhung gestützt werden.

Auf eine Unbilligkeit kommt es dann gar nicht mehr an, weil der Versorger bei Unwirksamkeit der Klausel schon gar nicht zu einer einseitigen Preiserhöhung berechtigt ist.

Sie brauchen zudem nur bestreiten, dass die Vorliefernatenpreise gestiegen sind. Ob dies im konkreten Fall der Fall ist, können Sie schon nicht wissen.

Der Versorger muss dann den Bezugsvertrag offen legen und nachweisen, um wieviel sein Vorlieferantenpreis gestiegen ist.
Weiter ist fraglich, wieviel der Vorlieferantenpreis am Endpreis ausmacht.  


Wäre die Klausel gleichwohl wirksam, käme nach der BGH- Rechtsprechung die Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB zur Anwendung, weil dem Versorger ein Ermessen eingeräumt ist, ob und ggf. in welchem Umfange er Preisänderungen vollzieht.

Eine wirksame Preisgleitklausel muss von Anfang an die Termine und die Berechnungsformel, nach der sich die Preise ändern sollen, betimmen.

Die Preise sind dann immer zu diesen Terminen nach der Formel neu zu berechnen. Es gibt keinerlei Ermessen für den Versorger.

Nur dann scheidet § 315 BGB grundsätzlich aus.

Es kann jedoch dann immer noch eine Inhaltskontrolle der vom Versorger vorgegebenen Formel nach §§ 307, 315 BGB erfolgen, ob die Anwendung der Formel selbst nicht zu Unbilligkeiten führt.....



Freundliche Grüße
aus Jena



Thomas Fricke
Rechtsanwalt

gasmann:
Hallo Herr Fricke,

vielen Dank für Ihre schnelle und vor allem so umfassende Beantwortung meiner Frage.

Wenn ich Sie richtig verstehe, dann hätte ich gar nicht erst jetzt bei der saftigten Preiserhöhung von über 15% Widerspruch gem. § 315 BGB erheben müssen, sondern hätte jeder noch so geringen Preiserhöhung der letzten Jahre allein schon aufgrund der Unwirksamkeit dieser Klausel widersprechen können.

Hm, schade! Aber wieso können die Energieversorger es sich eigentlich leisten, mit solchen juristisch nicht haltbaren Formulierungen zu arbeiten. Gibt es keine Aufsicht oder das Kartellamt, die solche Klauseln hätten kippen müssen?

Gruß

gasmann

RR-E-ft:
@gasmann

Die Antwort ist schlicht:

Privatautonomie und Vertragsfreiheit.


Sie sind zunächst einmal selbst dafür verantwortlich, Ihre Rechte zu wahren und sich auf die Unwirksamkeit unzulässiger Klauseln zu berufen. Das kann kein anderer für Sie leisten, auch nicht der Staat.

Nur der uninformierte Verbraucher kann übertölpelt werden.



Wissen ist Macht.

(Vorsicht: Der Umkehrschluss - Nichts wissen macht nichts - gilt gerade nicht.)


Wie man sieht, führen Insuffizienzen der Rechtsabteilungen der EVU und deren Verbänden sogar zu sehr verbraucherfreundlichen Ergebnissen.

Wer anderen eine Grube gräbt, ist noch lange kein Tiefbau- Ing..

Der Verbraucher muss es nur wissen.


Seien Sie froh, wenn die Klausel unwirksam ist.

Einseitige Preiserhöhungen sind dann rechtlich schlicht unmöglich.

Wenn alle Preiserhöhungen der Vergangenheit unwirksam waren, betrachten Sie diese einfach als nicht erfolgt, und schauen nur auf den ursprünglich einmal vertraglich vereinbarten Preis.

Sollte der Preis gegenüber dem ursprünglich vereinbarten Preis mal abgesenkt worden sein, sind Sie damit selbstredend einverstanden.

Dann gilt dieser günstigere Preis.

Preiserhöhungen danach waren ja unzulässig, sind unwirksam.

Nur den zahlen Sie weiter.

Unter Umständen haben Sie dann schon ein viel besseres Preisniveau gegenüber Ihren Nachbarn. :wink:


Auch wenn Sie sonst vielleicht - wie bei den Deutschen anscheind weit verbreitet - mit den Nachbarn hadern, werden Sie diesen und allen anderen Betroffenen davon berichten, damit diese es Ihnen gleichtun können.

Immer gut ist eine Berichterstattung in der örtlichen Presse.

In der großen deutschen Tageszeitung mit den vier großen Buchstaben könnte dann bald Ihr Ort für Schlagzeilen sorgen:

Musterstadt - Gaspreis so günstig wie sonst nirgends in Deutschland.

Von wegen!

Das gilt doch überall in Deutschland.
 

Wegen der Preiserhöhungen in der Vergangenheit könnten Sie ja mal darüber nachdenken, sich auf die Unwirksamkeit der Preiserhöhungen zu berufen und das zuviel gezahlte Geld in Bezug auf den, schon immer geltenden, und ab jetzt nur noch gezahlten Preis im o. g. Sinne zurück zu verlangen.

Es gibt doch genug Rechtsprechung zu Rückerstattungsprozessen.


Der Rückerattungsanspruch unterliegt der Verjährung.

Wendet der Versorger diese ein, besteht der Rückerstattungsanspruch nur hinsichtlich der letzten drei Jahre.


Auch dabei muss der Versorger in jedem Falle seine Preiskalkulation offen legen, um die Angemessenheit und Üblichkeit seiner Preise nachzuweisen.

Darauf kommt es aber schon nicht an, wenn der Versorger aufgrund einer unwirksamen Klausel im laufenden Vertragsverhältnis gar nicht zu einseitigen Preiserhöhungen berechtigt war:

Wer das Recht zur einseitigen Leistungsbestimmung für sich in Anspruch nimmt (EVU) , hat nach der Rechtsprechung (schon des Reichsgerichts) nachzuweisen, dass ihm ein solches Recht wirksam eingeräumt wurde, vgl. Palandt, BGB, 64.A., § 315 Rn. 19, mit weiteren Nachweisen.


Kann oder will der Versorger das vor Gericht nicht, gibt es das Geld zurück.

So bestechend einfach ist das.

Vgl. hierzu nur das Urteil de LG Mühlhausen vom 12.04.2005.

Denken Sie an den Werbespruch des Media- Markts:

La, la,la.... - vor allem nicht beim Preis!


Sie sollten sich jedoch beeilen:

Wenn alle auf die Idee kommen, könnte das Geld bei den Versorgern knapp werden. :shock:

Derzeit ist (noch) genug in der prall gefüllten Kasse:


http://www.handelsblatt.com/pshb?fn=tt&sfn=go&id=1052769
http://www.verivox.de/News/ArticleDetails.asp?aid=10222

Vgl. auch hier:

E.ON Hanse \"Thermostrom\"

Freundliche Grüße
aus Jena



Thomas Fricke
Rechtsanwalt

im:
Sorry ,

Hatten auch Einrede der Unbilligkeit lt. Musterschreiben durchgeführt.

möchte niemanden nerven, habe im Forum auch schon einiges gelesen, komme jetzt aber wirklich durcheinander, bzw nicht richtig weiter.

Kann es sein, das die Preisregelung (einseitige Bestimmung) hier komplett nichtig ist, und , so wie dies sich anhört, durch keine Preisregelung ersetzt wird? Würde dann nicht etwa der Preis von \'99 noch Gültigkeit haben (zzgl. Ökosteuererhöhung von 2003), oder gilt da noch altes Recht vom BGB in Bezug auf sog. salvatorische Klauseln, die bei Ungültigkeit einer Klausel durch eine vergleichbare ersetzt werden?


Vertragswerk von 1.9.99 Sondervereinbarung

Ergänzende Bestimmung (8/99) der EVU zu den AVBgasV

(6) Mahn- und Inkassogebühren gemäss § 27 AVBgasV
bla bla bla..
Bei Nichterfüllen einer Zahlungsverpflichtung, trotz Mahnung, kann die EVU die Versorgung unverzüglich nach Androhung einstellen. Die Androhung kann zugleich mit der Mahnung erfolgen.

(8) Steuern und Abgaben
Die Berechnung von neu hinzukommenden Steuern und Abgaben bleibt vorbehalten.

(9) Inkrafttreten
Diese Ergänzenden Bestimmungen treten mit Wirkung vom xx.1988 in Kraft.

Der eigentliche Vertrag
(1) Liefer und Abnahmepflicht
EVU verpflichtet sich Gas nach Maßgabe der Vereinbarung zu Liefern.
Kunde Verpflichtet sich Wärmeenergie durch Gasbezug von EVU abzunehmen
(3) Preise und Preisregelung
Gaspreis Grundpreis (nach KW) und Arbeitspreis.
Bla bla bla
Kunde hat für Laufzeit des Vertrages Preisregelung X gewählt. Die bei Vertragsabschluss gültigen Preise sind in dem diesen Vertrag beigefügten Preisblatt enthalten, das insoweit Vertragsbestandteil ist.
EVU behält sich die jederzeitige Änderung der Preise und Bedingungen vor. Eine Änderung wird wirksam, sobald sie dem Kunden schriftlich mitgeteilt wird, spätestens aber, wenn diese öffentlich in der örtl. Tagespresse bekannt gemacht ist.

(6) Vertragsänderungen
Änderungen des Vertrages und zusätzliche Abmachungen bedürfen schriftlicher Anerkennung der Vertragsparteien.

(7) Unwirksamkeit einzelner Vertragsbestimmungen
Sollte eine Vertragsbestimmung unwirksam sein oder werden, so sind sich Vertragsparteien darüber einig , dass die Wirksamkeit des Vertrages hierdurch nicht berührt wird. Die Parteien verpflichten sich vielmehr , die unwirksame Bestimmung durch eine im wirtschaftlichen Erfolg ihr möglichst gleichkommende wirksame Regelung zu ersetzen, die das bei Vertragsabschluss bestehende Verhältniss zwischen Leistung und Gegenleistung wiederherstellt.

(10) Vertragsdauer 1 Jahr ,verlängert sich jeweils um ein Jahr wenn nicht drei Mo. vor Vertragsende von einer der Parteien schriftl. gekündigt wird.
(11) Vertragsbestandteile
Preisblatt, AVBgasV, ergänzende Bestimmungen zu AVBgasV

unterschrift


Kollidieren nicht etwa die §3 und §6 vom Vertrag? Hätte die EVU , bei Preiserhöhungen nicht ein Anerkenntniss von uns gebraucht?
Wäre das der Fall, könnten doch die Differenzbeträge bis 2002 zurückgefordert werden? Wir hatten die Jahre seit der Gaspreisexplosion 2000 , bis heute nahezu alle Zahlungen mit dem Vermerk \'Zahlung unter Vorbehalt\' durchgeführt.

Irgendwie bin ich jetzt schon durcheinander..

Fällt dazu jemandem was ein?



Viele Gruesse

im

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