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Autor Thema: Alternative Formen des Energiepreis-Protestes  (Gelesen 1930 mal)

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Offline Lothar Gutsche

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Alternative Formen des Energiepreis-Protestes
« am: 22. November 2008, 16:11:15 »
Das BGH-Urteil VIII ZR 138/07 vom 19.11.2008 hat hier im Forum eine umfangreiche und zum Teil sehr emotionale Diskussion ausgelöst. Da ist die Rede von:

Zitat
Dies steht im Widerspruch zur Entscheidung des Kartellsenats vom 04.03.2008 (KZR 29/06) Rdn. 22 f.
...
Dass der Gesetzgeber in § 17 Abs. 1 Satz 3 GasGVV die gerichtliche Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB ausdrücklich erwähnt, spricht jedoch dafür, dass eine solche in seiner Intention lag.
Autor RR-E-ft,  19.11.2008 16:28

Zitat
Dieser Thread möge sich weiter mit der Entscheidung des BGH vom 19.11.2008 - VIII ZR 138/07 befassen, in welcher der Senat eine trickreiche Pirouette drehte. Im Juni 2007 hatte er noch gesagt, dass der Gastarif dann insgesamt der gerichtlichen Billigkeitskontrolle unterliegt, wenn der Anbieter eine Monopolstellung einnimmt.Das soll nun nicht mehr gelten, begründet mit einem so schwachen Argument, wie man es selten bei einem Bundesgericht findet. Diese Rechtsprechung hat er geändert. Auch dann nicht, mit der möglichen Folge, dass sogar ein kartellrechtswidrig überhöhter Preis vom ordentlichen Gericht als billig hinzunehmen sei.
Mal sehen, wann es die nächsten Festvorträge der Branche mit promintenen Referenten aus der gehobenen Justiz gibt....
Autor RR-E-ft,  19.11.2008 17:02  

Zitat
Zur heutigen Entscheidung des BGH habe ich einen Beitrag verfasst, nicht euphorisch. Ich bin entsetzt, wie der Senat seine Rechtsprechung selbst als vollkommen beliebig darstellt und offene Widersprüche zu anderen Senaten des BGH hinnimmt, mit deren Rechtsprechung er bricht.
Autor RR-E-ft,  19.11.2008 20:41  

Zitat
Der Senat führt seine eigene Rechtsprechung ad absurdum.
Autor RR-E-ft,  20.11.2008 14:51

Zitat
@Black, unter klaren Regeln verstehe ich etwas anderes. Wir haben unklare und lückenhafte Gesetze. Das ist die Wurzel allen Übels. Was hier passiert ist nicht mehr in Ordnung. Dieses Richterrecht darf nicht zur Gewohnheit werden.        Nur Entscheidungen des BVerfG haben Gesetzeswirkung. Jedes Gericht entscheidet immer noch selbst und machen kann es nicht was es will. Es ist an die Gesetze gebunden und da ist dringender Reformbedarf. Die Lösung wird politisch kommen. Dieser Senat des BGH beschleunigt das nur.  
Auto nomos,  20.11.2008 11:02, unter dem Titel \"Klare Absage an dieses Richterrecht\"

Zitat
Rechtssprechung? Wer hier Recht \"?\" spricht findet man dementsprchend schnell bei Google  http://www.google.com/search?hl=de&clien...&btnG=Suche&lr=  Wie kann es sein, dass sojemand als neutraler Richter überhaupt im Senat des BGH benannt werden darf?
Autor DL,  20.11.2008 11:46

Mehrere Forumsteilnehmer meinten, dass das Urteil nicht \"im Namen des Volkes\" ergangen sei und schon gar nicht in ihrem persönlichen Namen, da es einzig den Interessen der Energieversorger dient.

Die Widersprüche zwischen Auffassungen des 8. Zivilsenats und des Kartellsenats führten u. a. zur Frage nach dem \"Großen Senat für Zivilsachen\" am BGH. Nur, und das halte ich für wesentlich, der 8. Zivilsenat unter dem Vorsitz des Richters Wolfgang Ball hat dem Großen Senat keine Vorlage unterbreitet, in der die Differenzen zum Kartellsenat \"zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung\" im Sinne von § 132 des Gerichtsverfassungsgesetzes geklärt würden.

In § 315 BGB steht nicht einmal etwas von Preiserhöhungen, mit denen sich das BGH-Urteil VIII ZR 138/07 laut Pressemitteilung des BGH ausschließlich beschäftigt. Die im § 315 BGB genannte \"Bestimmung nach billigem Ermessen\" beinhaltet auch die Prüfung, ob Preissenkungen im richtigen Umfang an die Gasverbraucher weiter gegeben wurden. Auch das Unterlassen von notwendigen Preissenkungen lässt einen Preis unbillig werden. Das aktuelle Urteil des 8. Zivilsenats beschäftigt sich jedoch gar nicht mit Preissenkungen. Der 8. Zivilsenat unter Vorsitz von Richter Wolfgang Ball lässt wie schon sein umstrittenes Gaspreis-Urteil VIII ZR 36/06 vom 13.6.2007 die Konstruktion einer sogenannten Preispumpe zu. Die Preispumpe hatte der Nutzer ESG-Rebell ausführlich am 30.7.2007 7:42 in der Forumsdiskussion zum Urteil vom 13.6.2007 vorgestellt. Mit Hilfe der Preispumpe lässt sich durch Vorenthalten von Preissenkungen quasi wie bei einem perpetuum mobile die Marge des verkauften Gases beliebig erhöhen.

Die Kritik am Urteil VIII ZR 138/07 vom 19.11.2008 geht so tief, dass eine rein zivilrechtliche Auseinandersetzung damit nicht genügt. Sobald das Urteil mit seiner vollen Begründung vorliegt, empfehle ich die Prüfung von zwei neuen Instrumenten, die das deutsche Recht vorsieht, die jedoch in der Geschichte nur sehr selten angewendet wurden.

1. Vorschlag: Prüfen auf Rechtsbeugung
Soweit es die Pressemitteilung erahnen lässt, steckt das Urteil VIII ZR 138/07 vom 19.11.2008 voller Widersprüche, Absurditäten und Gesetzesverstöße. Das Ergebnis ist nicht nur einfach \"Richterrecht\", wie es der Autor nomos nannte, sondern womöglich Rechtsbeugung im Sinne von § 339 des Strafgesetzbuches. Ein mögliches Motiv für die Rechtsbeugung könnte in der oben zitierten, gut bezahlten Vortragstätigkeit einzelner Bundesrichter bestehen: das Energiekartell kauft sich eben einen entscheidenden Richter. Sobald der vollständige Urteilstext vorliegt, sollte ein versierter Strafrechtsexperte prüfen, ob hier tatsächlich Rechtsbeugung vorliegt.

2. Vorschlag: Prüfen einer Richteranklage
Vor dem Hintergrund der Preispumpe und angesichts der Reaktion der meisten Medien liefert das Urteil eine Lizenz zum Gelddrucken für das deutsche Energiekartell. Der deutschen Volkswirtschaft entstehen Milliardenschäden, die jeder einzelne von uns schmerzlich in der Haushaltskasse spürt. Die illegalen Gewinne der Energieversorger fehlen den Haushalten beim Konsum und der deutschen Wirtschaft als Investititionsmittel, denn die Gewinne werden zu einem großen Teil außerhalb Deutschlands zum Kauf ausländischer Beteiligungen verwendet.
Das Urteil VIII ZR 138/07 vom 19.11.2008 könnte deshalb sogar Anlass sein für eine Richteranklage nach Artikel 98 des Grundgesetzes. \"Wenn ein Bundesrichter im Amte oder außerhalb des Amtes gegen die Grundsätze des Grundgesetzes oder gegen die verfassungsmäßige Ordnung eines Landes verstößt, so kann das Bundesverfassungsgericht mit Zweidrittelmehrheit auf Antrag des Bundestages anordnen, daß der Richter in ein anderes Amt oder in den Ruhestand zu versetzen ist. Im Falle eines vorsätzlichen Verstoßes kann auf Entlassung erkannt werden.\" Die Richter des 8. Senats haben die Gesetzesbindung aus Artikel 20 des Grundgesetzes missachtet.
Darum kann ich alle Forumsteilnehmer nur aufrufen, sich nach Veröffentlichung und Diskussion des Urteils vom 19.11.2008 an die Bundestagsabgeordneten in ihrem jeweiligen Wahlkreis zu wenden und eine Richteranklage gegen den 8. Senat des BGH einzufordern.


Zivilrechtlich ist sicher noch nicht alles verloren, wie die Stellungnahmen des Bundes der Energieverbraucher, der Verbraucherzentrale Hamburg und der Verbraucherzentrale Bremen zu dem Urteil VIII ZR 138/07 vom 19.11.2008 zeigen. Nach den Erfahrungen mit dem 8. Zivilsenat darf sich der Preisprotest jedoch nicht mehr allein auf die persönliche Unbilligkeitseinwände nach § 315 BGB oder auf AGB-Einwände nach § 305 BGB und § 307 BGB  beschränken. Die Richter sind mitverantwortlich für das, was derzeit auf den Energiemärkten passiert. Wir müssen sie zur Rechenschaft ziehen.

Viele Grüße
Lothar Gutsche

 

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