Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen

Billigkeitskontrolle von Netznutzungsentgelten (Strom)

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RR-E-ft:
Unbillig überhöhte Netznutzungsentgelte der Stromnetzbetreiber werden als wesentliche Ursache dafür angesehen, dass es bisher zu keinem wirksamen Wettbewerb auf dem deutschen Elektrizitästmarkt kommen konnte.

Nach einem Urteil des LG Hannover vom 04.11.2003, RdE 2004, S. 54 ff. (mitgteilt von RA Dr. Kunth, Düsseldorf) soll ein Stromkunde nicht die Möglichkeit haben, die Strompreise des Versorgers deshalb als unbillig im Sinne § 315 BGB zu rügen, weil die im Strompreis enthaltenen Netznutzungsentgelte unbillig überhöht seien.

Denn es sei nicht auszuschließen, dass der Versorger etwa unbillig überhöhte Netznutzungsentgelte an anderer Stelle bei der Bildung des Gesamtstrompreises für den Kunden kompensiert habe.


Diese Rechtsprechung ist für Energieverbraucher unbefriedigend, weil sie somit keine Möglichkeit haben, sich selbst gegen unbillig überhöhte Netznutzungsentgelte zur Wehr zu setzen.

Von überhöhten Netznutzungsentgelten sind alle Stromkunden jedoch direkt betroffen:

Wettbewerber können keine weit günstigeren Strompreise offerieren.

Die Strompreise des Gebietsversorgers können deshalb auch nicht unter einen entsprechenden Wettbewerbsdruck geraten, der den örtlichen Versorger zwingen könnte, seine eigenen Strompreise abzusenken.

Deshalb sind viele Stromhändler, die die Netze der örtlichen Versorger nutzen müssen, mit dem Unbilligkeitseinwand gegen die geforderten Netznutzungsentgelte vorgegangen, bisher mit wenig Erfolg:

Nach einem Urteil des LG Rostock vom 12.03.2004, RdE 2004, S. 175 ff. (mitgeteilt durch RA Dr. Hempel, Wuppertal - Justitiar der Wuppertaler Stadtwerke) soll eine zivilrechtliche Billigkeitskontrolle der NNE nach § 315 BGB deshalb ausgeschlossen sein, weil mit §§ 19 Abs. 4 GWB, 6 EnWG im Verhältnis zwischen Netzbetreiber und Stromhändler eine neuere, spezialgesetzliche Regelungen bestünde, die insoweit die zvilrechtliche Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB verdränge.


Diese Rechtsprechung wurde von vielen Gerichten übernommen, obschon nach der ständigen Rechtsprechung des BGH die zivilrechtliche Billigkeitskontrolle andere Grenzen und eine andere Funktion hat als die einschlägigen kartellrechtlichen Bestimmungen.

Nun zeichnet sich jedoch ggf. eine Änderung der Rechtsprechung ab, was aus o. g. Gründen auch die Energieverbraucher auf sinkende NNE und somit einen stärkeren Wettbewerb hoffen lassen kann, der zu niedrigeren Strompreisen führen kann.

Das OLG Düsseldorf hat einen enstsprechenden Hinweisbeschluss in einem Verfahren eines dritten Stromhändlers gegen einen Netzbetreiber erlassen:


http://www.neue-energieanbieter.de/aktuelles/schwerpunkt/72566.html


Der auf Rückzahlung verklagte Netzbetreiber wurde durch das Gericht aufgefordert, seine Preiskalkulation für seine Netznutzungsentgelte offen zu legen.

Die Vorlage von Wirtschaftsprüfertestaten genügt dem Gericht nicht.

Für Stromkunden selbst ist wichtig, dass ersichtlich wird, dass der örtliche Versorger durchaus über die von anderen Stromhändlern geforderten NNE erheblichen Einfluss auf deren Kosten und somit mittelbar auch auf deren Strompreise nehmen kann.

Eine solche Situation, in der ein Gebietsmonopolist (Stromnetz) und zugleich im Bereich der Elektrizitäslieferungen marktbeherrschendes Unternehmen vor Ort so umfassend Einfluss auf die Kosten und Preise seiner Wettbewerber nehmen kann, kann wohl nicht als wirkliche, faire  Wettbewerbssituation bezeichnet werden.

Benachteiligt hierdurch sind alle Stromkunden, die an das Netz eines Stromnetzbetreibers angeschlossen sind, der zu hohe Netznutzungsentgelte fordert.



Freundliche Grüße
aus Jena



Thomas Fricke
Rechtsanwalt

RR-E-ft:
Zu dem Thema siehe auch hier:

RWE gewinnt deutlich




Freundliche Grüße
aus Jena



Thomas Fricke
Rechtsanwalt

JGrave:
@RR-E-ft

Die Netznutzungsentgelte und andere Belastungen sind in den Rechnungen meines EVU vorbildlich aufgelistet und stimmen auf den ersten Blick zuversichtlich (\"so viele Nebenkosten\").

Beim Nachrechnen (wozu hat man eine Tabellenkalkulation) ergeben sich folgende wundersame Dinge (alle Daten in Prozent des Nettogesamtbetrags \"Allgemeiner Verbrauch\" gerechnet)

Folgende Preisbestandteile sind im Nettobetrag enthalten

Entgelt für Netznutzung 72,9%
Belastung aus KWKG 3,8%
Belastung aus EEG 7,3%
Konzessionsabgabe 11,3%
Grund-/Verr.-Preis 10,3%
Stromsteuer 27,1%

Das ergibt echte 132,7% auf den Nettoendbetrag (100,0%, die ich tatsächlich zahle) für bezogenen Haushaltsstrom!

Radio Eriwan würde sagen Und von den 32,7% kauft das EVU seinen Strom und macht 53 Mio. Gewinn.

Herr Fricke, da haben Sie jetzt ein Tor aufgestoßen...
oder gilt beim Strompreisrechnen neuerdings die Brennwerttechnik mit auch über 100% Wirkungsgrad (???)?

Nicht nur beim Mutterkonzern RWE, auch bei ihren Töchtern ist \"mehr drin als draufsteht\" (hoffentlich muß ich jetzt nicht die 32,7% nachzahlen...!).

RR-E-ft:
@JGrave

Es gibt hier im Forum einen Beitrag von mir, indem genau beschrieben wird, wie sich der Gesamtstrompreis aus den einzelnen Bestandteilen

(NNE, KWKG,KA,Messung,Strombezugspreis, EEG, Stromsteuer, MwSt)

zusammensetzt und sich mit Excel errechnen lässt.


Suchen Sie nach diesem.

Vielleicht kann jemand anders im Forum dabei helfen.

Von mir gibt es immerhin sehr viele Beiträge.



Und bilden Sie ein entsprechendes Excel-Sheet.

Die Höhe der meisten einzelnen Preisbestandteile lässt sich im Netz recherchieren. Sie können hiernach variieren und ein zutreffendes Bild von der Strompreisbildung Ihres Versorgers gewinnen.

Es ist möglich, selbst für die Transparenz zu sorgen.

Die Ergebnisse werden Sie ggf. verblüffen.


Freundliche Grüße
aus Jena



Thomas Fricke
Rechtsanwalt

JGrave:
@RR-E-ft

Genau diesen Ihren Vorschlag habe ich oben bereits gemacht. Offenbar ist meine o.a. Prozentrechnung nicht genügend transparent. Folglich nochmal mit EUR-Zahlen lt. Rechnung des EVU


Folgende Preisbestandteile sind im Gesamt-Rechnungsnettobetrag von EUR 1.000,00 enthalten

Entgelt für Netznutzung    EUR 729,16
Belastung aus KWKG    EUR  37,59
Belastung aus EEG    EUR  72,78
Konzessionsabgabe    EUR 112,64
Grund-/Verr.-Preis    EUR 103,34
Stromsteuer       EUR 271,27

Das ergibt nach Adam Riese EUR 1.326,77 für NNE und o.a. Abgaben beim Haushaltsstrom, obwohl der Gesamt-Rechnungsbetrag nur EUR 1.000.,00 (netto) beträgt.

Wie kann eine 1.000,00 EUR-Rechnung wohl Entgelte in Höhe von EUR 1.326,77 enthalten?

Der Gewinn des EVU an der Belieferung mit 7019 kWh Strom liegt folglich bei EUR -326,77, und das Minus heißt Verlust.

1980 hatten die (westdeutschen) Mineralölkonzerne behauptet, dass sie für jeden Liter Sprit, den sie an den Tankstellen verkaufen, 5 Pfennig zuzahlen; heute sind das demnach die Stromkonzerne sie zahlen nach deren (o.a.) Rechnung 4,7 ct/kWh zu - find\' ich toll! Sie nicht?

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