Forum des Bundes der Energieverbraucher

Autor Thema: Anlegbarer Preis Erdgas/ Heizöl?  (Gelesen 5240 mal)

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

Offline RR-E-ft

  • Rechtsanwalt
  • Forenmitglied
  • ***
  • Beiträge: 17.078
  • Karma: +15/-2
  • Geschlecht: Männlich
Anlegbarer Preis Erdgas/ Heizöl?
« am: 12. Mai 2005, 12:15:01 »
„Anlegbarkeitsprinzip“ im Bereich der leitungsgebundenen Energieversorgung vollkommen  untauglich



Angeblich soll ein „Anlegbarkeitsprinzip“ den Schutz vor unbillig überhöhten Erdgaspreisen bewirken.

Für Bestandskunden gelte der Preis für Neukunden. Dieser bilde sich stets im Wettbewerb auf einem „Wärmemarkt“ zu den Heizölpreisen heraus.  Somit hätten auch Bestandskunden immer einen Preis, als hätten sie sich gerade im Wettbewerb für das günstigere Erdgas entschieden.


Indes liegen die Kosten einer Wärmeerzeugung mit Erdgas oft höher als die Kosten einer Wärmeerzeugung mit leichtem Heizöl.

So berichtete etwa  das Strom-Magazin (Professional) am 07.04.2005:

 
„Zehn-Jahresvergleich: Erdgas teurer als Heizöl

Zwischen 1995 und 2004 zahlten Ölheizungsbesitzer durchschnittlich insgesamt 3187 Euro weniger für Wärmeenergie als Gasheizungsbesitzer, bilanzierte jetzt das Hamburger Institut für wirtschaftliche Oelheizung e.V. (IWO). Daran habe sich trotz allgemein gestiegener Energiekosten auch im ersten Quartal 2005 nichts geändert.
Hamburg (red) - Wer mit Öl heizt, muss für seine Wärmeenergie seit Jahrzehnten weniger tief in die Tasche greifen als andere. Daran hat sich trotz allgemein gestiegener Energiekosten weder im vergangenen Jahr noch im ersten Quartal dieses Jahres etwas geändert: Heizöl erwies sich im Vergleich etwa zu Erdgas wiederum als der preisgünstigere Brennstoff. Das teilte jetzt das Hamburger Institut für wirtschaftliche Oelheizung e.V. (IWO) mit.
....   

Und auch hier zeichnet sich dieses Bild:

http://www.br-online.de/bayern3/service/news/energie_gas.shtml


Prof. Salje, Hannover , erklärt  diese Situation in : "Energiewirtschaftliche Tagesfragen" 2005, S. 278, 283 wie folgt:


"Dies gilt auch dann, wenn sich der Kunde quasi irrational zur Zahlung eines Mehrpreises im Vergleich zur Sicherstellung des Wärmebedarfs mit Hilfe von Heizöl entschlossen hat; in dieser Entscheidung kommt dann offenbar seine Präferenz für diese besonders umweltfreundliche Energiequelle zum Ausdruck."

Hiermit wird das Funktionieren des „Anlegbarkeitsprinzips“ selbst eindrucksvoll widerlegt:

Der Liefervertrag mit einem Neukunden kommt aufgrund von Angebot und Annahme zustande.

Der Neukunde hat ebenso wenig wie ein anderer Kunde eine Verhandlungsmacht gegenüber dem Versorgungsunternehmen.

Er kann also nur das vom Versorger unterbreitete Preisangebot annehmen oder auch nicht.


Der Versorger bietet dabei wegen des Gleichbehandlungsgrundsatzes  nur die Preise an, welche für seine Bestandskunden gerade schon gelten.  

Deshalb ergeben sich die Preise für Neukunden immer nach den bereits vom Versorger einseitig festgelegten Preisen für Bestandskunden und nicht etwa umgekehrt.

Selbst wenn sich die Preise für Bestandskunden nach den „im Wettbewerb“ gebildeten Preisen für Neukunden richten würden, müssten sich alle Neukunden zum Entstehen einer solchen Preissituation, dass die Erdgasversorgung teurer ist als die Heizölversorgung, aus quasi vollkommen irrationalen Erwägungen hierzu entschlossen haben.

Solche vollkommen irrationalen Entscheidungen aller  Neukunden dürften aber auch nicht zu Lasten der Bestandskunden gehen. Diese müssten vielmehr auf einen funktionierenden Markt aufgrund rationaler Entscheidungen von homi oeconomicus vertrauen können.

Ein solches System, welches ersichtlich als „Prinzip“ deklariert solche Ergebnisse zulässt, ist offensichtlich vollkommen  untauglich, eine möglichst „preiswürdige“ Versorgung im Sinne von § 1 EnWG sicherzustellen und „billige“ Erdgaspreise zu gewährleisten.

Zu fragen ist weiter, wie es zu solchen, angeblich  irrationalen Entscheidungen aller Neukunden überhaupt kommen könnte.

Diese Frage ist wohl leicht damit  zu beantworten, dass sich Neukunden zumeist vor einer Entscheidung für eine Erdgasversorgung  vom Versorger über die Wirtschaftlichkeit einer solchen fachlich beraten lassen. Dieser hält Tabellen und Diagramme bereit, mit denen Interessierten nachgewiesen wird, dass Erdgas günstiger sei:

http://www.bergische-energie.de/gas/

Den Interessierten wird nicht mitgeteilt, dass in den Erdgaspreisen etwa ein „Umweltbonus“ enthalten sei, mit denen sich der Gasversorger mit den entsprechenden Rechnungsbeträgen laufend für sein eigenes Umweltengagement auszeichnet und prämiert.

Den Interessierten wird dabei auch keine Möglichkeit aufgezeigt, wie sie diesen „Umweltbonus“ etwa abwählen könnten, um nur die notwendigen Preise zu zahlen.

Zudem erhalten Neukunden oft vielfältige "Umstiegshilfen", welche die Preise allein für diese verzerren und somit den angeblichen Wettbewerb verfälschen.

Entsprechende Sonderzuwendungen/ Förderungen erhalten Bestandskunden nicht, vgl. zB. hier:

http://www.gwv-fulda.de/000111000.sys/div_angebote/foerderprogramme/index.php
http://www.stadtwerke-hameln.de/pages/dienst/gas/pages/gasfoerder.htm
http://www.swtro.de/pdf_dokumente/kriterien_gewerbe.pdf
http://www.stadtwerke-roth.de/gas-aktuelles-zuschuss.htm
http://www.bhag.de/main51.html
http://www.stadtwerke-buxtehude.de/erdgas_angebotspaket.htm
http://www.huenfeld.de/stadtwerke/service7-7-1.htm
http://www.nvv-ag.de/1733.php
http://www.swtue.de/gas/gasfoerderung.html
http://www.bs-energy.de/index.php?id=16
http://www.stadtwerke-kh.de/bes_angeb.shtml#Erdgas-Paket

Wenn die Erdgasversorgung immer günstiger wäre, würde es solcher "Umstiegshilfen" wohl schon nicht bedürfen.
 
Insoweit wären Entscheidungen der Neukunden zu höheren Preisen eben auch nicht Ergebnis quasi  irrationaler Entscheidungen, sondern nur das Ergebnis davon, dass die Erdgasversorger entsprechend informieren und keine tatsächlichen Preisverhandlungen zulassen, sondern die Preise einseitig vorgeben, zudem mit beachtlichen "Einstiegs- und Umstiegshilfen" nachhelfen, damit sich Neukunden und Erneuerer überhaupt für Erdgas entscheiden.

Die Preise der Bestandskunden könnten allenfalls dann als mit den Preisen für Neukunden identisch bezeichnet werden, wenn auch den Bestandskunden laufend ein entsprechender Bonus gewährt würde.

Das ist nicht der Fall.

Auf diesem ersichtlich untauglichen „Anlegbarkeitsprinzip“ basiert die ganze vorgebliche Sonderrolle bei der Billigkeitskontrolle von Erdgaspreisen, vgl. Dr. Kunth, NJW 2005, S. 1313.

Eine solche ist nicht gerechtfertigt.

Es gelten vielmehr die Grundsätze die vom BGH für die Billigkeitskontrolle von Energiepreisen für die leitungsgebundene Energieversorgung nach dem Energiewirtschaftsgesetz aufgestellt wurden (BGH NJW- RR 1992, 183; BGH; NJW 2003, 1449 ff. BGH NJW 2003, 3131 ff.).

Auch die Elektrizitätswirtschaft hat das untaugliche „Anlegbarkeitsprinzip“ schon für sich entdeckt:

So werden Neukunden der E.on – Tochter TEAG Thüringer Energie AG und der Stadtwerke Jena  für eine Heizstromversorgung folgende Vertragskonditionen für sogenannte POWERtherm- Verträge angeboten:

Darüber hinaus ist das EVU jederzeit  berechtigt, die Preise an das dann gegenüber Neukunden geforderte Entgeltniveau anzupassen.“

Im Segment der Heizstromversorgung/ Schwachlastregelungen gibt es nach Auskunft des Bundeskartellamtes aufgrund der spezifischen Besonderheiten derzeit keinen funktionierenden Wettbewerb.

Ein solcher steht auch nicht zu erwarten, weil in diesem Bereich die Preise maßgeblich von Netznutzungsentgelten bestimmt werden, und somit für dritte Stromhändler bisher keine entsprechenden Margen zulassen, die einen Anreiz zum Eintritt in einen solchen Wettbewerb mit dem örtlichen Versorger geben.

Die Preise für POWERtherm- Neukunden werden deshalb weiter allein vom örtlichen EVU bestimmt.

Somit könnte das EVU nach seiner Vorstellung aufgrund der oben genannten Preisanpassungsklausel, die sich jedoch als unzulässig erweist, jederzeit die Preise nach Belieben einseitig neu bestimmen.


Es ergeben sich die selben Folgen wie im Bereich der Erdgasversorgung.  
 
Hennessy räumt ein, im Gegensatz zur Argumentation des BGW ist Erdgas immer etwas teurer als leichtes Heizöl. - Das ergibt sich dann systembedingt.


Vgl . hier:

Aktuelle \"Argumente\" der Gaswirtschaft

Freundliche Grüße
aus Jena




Thomas Fricke
Rechtsanwalt

 

Bund der Energieverbraucher e.V. | Impressum & Datenschutz