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Aktuelle \"Argumente\" der Gaswirtschaft

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RR-E-ft:
@Hennessy

Die Grundaussage in Bezug auf die verschiedenen Kostensituationen bei Erdgas- und Heizölkunden  stimmt jedenfalls.


1.

Der BGH hat im Urteil vom 02.10.1991 (BGH NJW-RR 1992, 183/184) festgestellt:


\"Für Verträge, die die Lieferung von Energie zum Gegenstand haben, muss der das ganze Energiewirtschaftsrecht beherrschende Grundsatz berücksichtigt werden, dass die Energieversorgung - unter Beachtung der Anforderungen an die Sicherheit der Versorgung - so preiswürdig wie möglich zu gestalten ist. Abweichend von anderen Wirtschaftszweigen kommt der Gewinnmaximierung nur eingeschränkte Bedeutung zu.\"

Dieser Grundsatz gilt also für das ganze Energiewirtschaftsrecht.

Die Verpflichtung zur preiswürdigen Versorgung mit leitungsgebundener Energie gem. § 1 EnWG betrifft sowohl die Elektrizitäts- als auch die Erdgasversorgung.

Daraus folgt, dass die maßgeblichen Kriterien der Billigkeitskontrolle von Energiepreisen bei der Elektrizitäts- und der Erdgasversorgung übereinstimmen.


2.

Dass die Branche an dem für sie bewährten \"Prinzip der Anlegbarkeit\" festhalten will, ist nur allzu verständlich.

Das Prinzip der Anlegbarkeit stammt von der Branche selbst.
Außerhalb derselben ist es unbekannt.

Es kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass eine Branche für sich selbst festlegen könnte, welche Kriterien Gerichte anzuwenden hätten.

Wo es hinführt, wenn eine Branche sich ihre Spielregeln selbst schafft, zeigten die Erfahrungen mit den Verbändevereinbarungen.


Die Vollkostenbetrachtung der Branche führt dazu, dass sie sich Vorteile zurechnet (vermiedene Kosten für Stellplatz für einen Tank etc. pp.), mit denen sie schlicht überhaupt nichts zu schaffen hat.

Diese Kosten haben auch mit der Erdgasversorgung als solcher schlicht gar nichts zu tun.

Der Erdgaskunde zahlt demnach an seinen Versorger u. a. wohl die Kosten für die Errichtung und den Unterhalt der Kelleräume, die er zur Aufstellung eines Heizöltanks alternativ bräuchte.

Der Umrüster, der nach der Umstellung auf Erdgas den Kelleraum, der bisher dem Tank vorbehalten war, anderweitig nutzen kann, zahlt dafür wohl mit den Erdgaspreisen quasi eine Miete an den Versorger für seinen eigenen Keller.

Dass die Kunden also quasi über die Erdgaspreise Kellerräume finanzieren, die sie gar nicht haben und nie haben werden oder eine Miete für eigene Kellerräume, dürfte auch den letzten Erdgaskunden von der Billigkeit des \"Anlegbarkeitsprinzips\" überzeugen.

Die geringeren CO2- Emissionen lässt sich der Erdgasversorger auch noch bezahlen, als hätte er etwas dazugetan. Quasi wohl ein alternativer Zertifikatehandel.

Das ergibt sich aus dem Umkehrschluss, wenn nach den Vorstellungen des BGW der Erdgaskunde \"keine wesentlich höheren\" Gesamtkosten für die Erdgasversorgung zahlen soll als ein vergleichbarer Heizölkunde.

Der Erdgaskunde soll aber auch jedenfalls nicht weniger zahlen als ein Kunde, der seine Wärmeversorgung mit Heizöl sicherstellt.  

Und deshalb werden alle nur möglichen Kosten, die einem Heizölkunden neben dem Bezugspreis für leichtes Heizöl entstehen, mit in die Erdgaspreise eingerechnet.

So kommt es wohl, dass die reinen Brennstoffkosten beim Erdgas systemimmanent immer höher liegen als die reinen Brennstoffkosten beim Heizöl für ein und dieselbe Energiemenge.

Und dabei macht sich die Gaswirtschaft gerade den Umstand zunutze, dass der Kunde gerade nicht jederzeit von einem Energieträger auf den anderen wechseln kann:

Ein Kunde mit bivalenter Heiztechnik, der seine Heizung jederzeit von Erdgas auf Heizöl umstellen kann, würde nämlich lediglich eine entsprechende Brennstoffmenge mit dem entsprechenden  Energiegehalt nachfragen!

Nur diese sich entsprechenden Brennstoffmengen ständen gegeneinander im Wettbewerb, wenn es einen solchen gäbe.


Deshalb sind Gasversorgungsunternehmen eben Energieversorgungsunternehmen, die Energie liefern sollen und keine Wärmeversorger, die Wärme zu liefern hätten.

Und auch Heizöllieferanten liefern keine Wärme.


Unter dem Strich soll das gerecht sein, weil der Erdgaskunde immer die selben Kosten hat wie ein vergleichbarer  Heizölkunde - bei Vollkostenbetrachtung, d. h. mit allem drum und dran.

Zugegeben etwas plakativ:

Der Heizölkunde mit Keller hat bei einer Umstellung auf eine andere Versorgung oder eine andere Preisbildung beim Erdgas später seinen fertig finanzierten Keller immer noch.

Beim Erdgaskunden hingegen ist nur das Geld dafür weg, quasi abgeschöpft (Konsumentenrente).

Kein Keller, aber ein entsprechend großes Loch im Portemonaie. Mit dem eingesammelten Geld können sich die Gasversorger dann selbst große Keller zulegen: Erdgaskavernen. Diese großen Speicher werden in zunehmendem Maße eingesetzt, um den eigenen Einkauf/ Vertrieb über eine entsperechende Lagerhaltung in Depots zu optimieren.

Gänzlich komisch wird die Erklärung, wenn die Erdgaspreise in Ostdeutschland an die Heizölpreise auf der Rheinschiene bei Vollkostenbetrachtung gekoppelt sein sollen.

Man muss es dem Kunden nur einmal im Detail verständlich erklären und er wird vollauf begeistert sein von diesem Prinzip.


Welcher Versorger ist so ehrlich und macht seinen Kunden diese Rechnung auf?

Die Branche verklausuliert nicht umsonst und schafft sich ihre eigenen Begrifflichkeiten, mit denen kein Außenstehender ohne weiteres etwas anfangen kann.

Zudem bilden sich auch die Heizölpreise nicht auf einem vollkommenen, homogenen Polypolmarkt, also im vollkommen freien, funktionierenden Wettbewerb.

Hinter den Anbietern auf dem Heizölmarkt stehen wiederum ganz wenige Akteure, welche die Preisentwicklung maßgeblich bestimmen. Und diese Akteuere sind teilweise mit den Akteuren auf dem Erdgasmarkt identisch. Wie sollten sich also faire Preise bilden?

Wenn sich die Erdgaspreise in der beschriebenen Weise nach den Heizölpreisen richten, dann heißt das Prinzip jedoch auch \"Schauen, was der  Markt noch hergibt.\"

Dieses Prinzip ist mit Preiswürdigkeit jedoch ersichtlich nicht gemeint.

Wenn man die ganzen Kosten, die sonst nur einem vergleichbaren Heizölkunden bei Vollkostenbetrachtung entstehen, aus den Erdgaspreisen rauslässt, wäre Erdgas bereits jetzt noch viel interessanter für die Kundschaft. Seine Wettbewerbsposition gegenüber dem leichten Heizöl würde gestärkt. Die Ölpreisbindung dient also gerade nicht dazu, die Erdgasversorgung wettbewerbsfähig zu machen gegenüber leichtem Heizöl.

Die Haushalte hätten es noch komfortabler und die CO2- Emissionen wären insgesamt noch geringer.

Der Erdgasabsatz könnte weiter gesteigert werden, wodurch sich das Erdgas insgesamt durch Mengeneffekte verbilligen müsste.

Das müsste doch auch im Interesse aller Erdgasversorger liegen.
Die Interessenlage ist jedoch eine andere.

Wer vergleicht denn eigentlich derzeit die Erdgaspreise auf dem regionalen Markt mit den Heizölpreisen, der Vorlieferant oder der örtliche Versorger?

Wer kalkuliert die Erdgasreise?

Der örtliche Versorger kann es wohl nicht sein, wenn er lediglich gestiegene Bezugskosten 1:1 weitergibt.

In der Stufe darüber liegt der Fall wohl genauso.



3.

Demnächst gilt Folgendes:

Die Netznutzungsentgelte werden sich - nach welcher Kalkulationsmethode auch immer- an den kalkulatorischen/ tatsächlichen Kosten des Netzes orientieren und somit in jedem Falle einen Kostenpreis darstellen.

Wegen der unterschiedlichen Netzstrukturen und der unternehmensindividuellen Besonderheiten können die Netznutzungsentgelte bei verschiedenen Versorgern sehr unterschiedlich ausfallen.



4.

Der Endverbraucherpreis setzt sich demnach zusammen aus dem Preis der Netznutzung und dem Vertriebsanteil zzgl. Steuern und Abgaben.

Das ist jedoch auch heute schon so:


Wegen der Diskriminierungsfreiheit sind die Netznutzungsentgelte immer gleich hoch, egal, welcher Versorger den Kunden beliefert und dafür  das Netz benutzt.

vgl. auch hier:

http://professionals.strom-magazin.de/news/news_Netznutzungsentgelte_als_Strompreistreiber_Mehr_Transparenz_durch_Auflistung_auf_Stromrechnung_12496_1.html

Die Netznutzungsentgelte haben mit der Preisentwicklung des Gases selbst nichts zu tun, ebenso wenig wie die Netznutzungsentgelte im Strombereich mit den Stromerzeugungs- bzw. -gestehungskosten.  

Also haben die Netznutzungsentgelte jedenfalls auch mit der Preisentwicklung beim leichten Heizöl nichts zu tun.

Allenfalls der Vertriebsanteil des Preises ist demnach in Bezug auf den Bezugspreis des Gases variabel.

Deswegen ist es für die Beurteilung der Frage der Billigkeit von Preiserhöhungen schon heute von Belang, den Netzanteil am Preis vom Vertriebsanteil zu trennen.

Nur letzterer kann sich überhaupt geändert haben.

Pipeline, Netz, Personalkosten und allgemeine Sachkosten haben mit der Ölpreisentwicklung nicht das Geringste zu tun.

Auch von den Personal- und Sachkosten wird ein Teil wiederum auf den Vertriebsbereich und somit auf den entsprechenden Vertriebsanteil am Preis  entfallen.

Denn es sind Personen im Vertriebsbereich beschäftigt und müssen mit den notwendigen Sachmitteln ausgestattet werden.

Werbekosten sind ausschließlich dem Vertrieb zuzuordnen, weil man für das monopolistische Netz nicht werben muss. Dieses Netz muss sowieso ein jeder benutzen. Parallleitungsbau scheidet zumeist aus und wäre auch wirtschaftlich nicht sinnvoll, folglich nicht effizient im Sinne der Preiswürdigkeit.

Auch dieser v. g. Anteil am Vertriebsanteil des Preises ist aus genannten Gründen in Bezug auf den Erdgasbezugspreis relativ fix.

Es verbleibt demnach nur ein geringer Teil des Gesamtpreises (der variable Teil des Vertriebsanteils), der sich überhaupt aufgrund der Änderung des Gaseinkaufspreises ändern dürfte.

Würde dieser relativ geringe variable Anteil am Gesamtpreis nun aber allein die Preisentwicklung beim Heizöl nachzeichnen müssen, müsste er sehr große Schwankungen aufweisen, vollkommen unsinnig.

Immerhin steht der Vertriebspreis dann im Wettbewerb mit den Preisen der anderen Erdgasanbieter (Wettbewerber).

Der Erdgaspreis wird sich im Wettbewerb verschiedener Gasvertriebsgesellschaften untereinander herauszubilden haben.

Zu erwarten wäre, dass sich die Preise den Grenzkosten annähern.

Da dies die Folge von wirksamen Wettbewerb wäre, muss heute schon in Kartellverfahren eine \"Als-ob-\"Untersuchung wohl genau an dem Punkt der Grenzkosten ansetzen. Die Grenzkosten haben tatsächlich etwas mit der Frage der Preiswürdigkeit zu tun.

Sollte also der Wettbewerb starten, braucht jeder Akteuer eine entsprechende, auf individuellen Kosten beruhende Preiskalkulation.

Es stellt sich die Frage, warum es diese heute noch nicht geben soll.
Bisher wirklich nur der Dreh an der imaginären Preisschraube?

Die Netznutzungsentgelte für einen bestimmten Netzbereich stehen nach der Kalkulation fest und sind als Preisbestandteil für alle Versorger an einem Ort und für vergleichbare Abnahmefälle gleich hoch.

Nur der Preis für die reine Gaslieferung ohne Netznutzungsentgelt steht demnach im Wettbewerb.

Anlegbarkeitsprinzip scheidet dann ersichtlich aus, weil es für einen Wettbewerb untereinander vollkommen ungeeignet ist.

Es ist nicht ersichtlich, weshalb sich der  Erdgaspreis dann noch an der Preisentwicklung von leichtem Heizöl orientieren sollte.

5.

Wenn dies alles demnächst gelten soll - Juli ist wohl zu optimistisch- , ist nicht nachvollziehbar, weshalb es zuvor anders sein sollte/ sein kann.

Und deshalb sind die Preiserhöhungen ersichtlich unbillig.

Die Billigkeit kann nur durch die Offenlegung der Preiskalkulation nachgeweisen werden.


6.

Wer heute noch weiter an der Ölpreisbindung/ dem Anlegbarkeitsprinzip festhalten will, erweckt den Eindruck, dass es \"beschlossene Sache\" sei, den Wettbewerb untereinander ausfallen zu lassen.

Wenn diese Forderung deshalb vom BGW kommt und in diesem Lobby- Verband alle deutschen Gasversorger aller Handelsstufen vereinigt sind, ist die daraus resultierende Aussage an den Verbraucher wohl auch schon klar:

Es soll alles so bleiben, wie es ist.

Wunderbar und sonderlich.

Das ist wohl zuvörderst der Wunsch von E.ON Ruhrgas.

Es bleibt zu hoffen, dass das von vielen in der Branche entschieden anders gesehen wird. Dieses System hat sich längst überlebt.


7.

Die Preis- und Billigkeitsdiskussion wird m. E. frühestens dann wieder verebben, wenn sich das Preisniveau  in einem  wirksamen Wettbewerb steuer- und abgabenbereinigt zumindest auf europäischem Durchschnitt einstellen können.

Bis dahin ist es jedoch noch ein gutes Stück Weg.




Freundliche Grüße
aus Jena



Thomas Fricke
Rechtsanwalt

RR-E-ft:
Einige Gasversorger haben in ihrer ersichtlich großen Erklärungsnot für die Preiserhöhungen diese gegenüber Kartellbehörden schon mit \"besonderen Investitionen\" zu rechtfertigen gesucht:

http://www.verivox.de/News/ArticleDetails.asp?aid=9472

Damit wird ersichtlich, dass die Erdgaspreise ausschließlich etwas mit konkreten, unternehmensindividuellen Kosten der  einzelnen Versorgungsunternehmen zu tun haben und nichts mit den regionalen Heizölpreisen.

Oder sollten die Heizöllieferanten vor Ort etwa ihre Preise mit der Begründung anziehen, der Gasversorger habe gerade \"besondere Investitionen\" getätigt und deshalb müssten die Heizölpreise steigen, damit das \"Anlegbarkeitsprinzip\" der Gaswirtschaft vor Ort insgesamt noch funktionieren kann? - Wohl kaum.

Deshalb interessieren allein die individuellen Kostenkalkulationen der einzelnen Unternehmen und nichts anderes!


Freundliche Grüße
aus Jena



Thomas Fricke
Rechtsanwalt

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