Forum des Bundes der Energieverbraucher

Autor Thema: \"Marktübliche Gaspreise\"?  (Gelesen 3963 mal)

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

Offline RR-E-ft

  • Rechtsanwalt
  • Forenmitglied
  • ***
  • Beiträge: 17.078
  • Karma: +15/-2
  • Geschlecht: Männlich
\"Marktübliche Gaspreise\"?
« am: 29. April 2005, 18:48:49 »
Dieses Argument wird oft gebracht, verfängt jedoch nicht:


Die Marktüblichkeit des geforderten Preises ist im Bereich der Energieversorgung kein geeignetes Kriterium (vgl. Held, \"Überhöhte Preise auf dem Wärmemarkt?\", NZM 2004, S. 169/ S. 174).

Zum einen ist der besonderen Situation des jeweiligen Versorgungsgebietes Rechnung zu tragen ( in Ballungsräumen sind z. B. die auf die einzelnen Kunden entfallenden Leitungskosten wesentlich geringer als auf dem flachen Land).

Zum anderen „belohnt“ das Kriterium der Marktüblichkeit preistreiberische Tendenzen.

Alle Versorger erhöhen ihre Preise und verweisen dann auf den Nachbarn, der auch höhere Preise hat, für Diskussionen gibt es Argumentionen für alle zur Rechtfertigung von Preiserhöhungen vom Branchenverband BGW.

Umgekehrt sind günstigere Preise anderer Betreiber nicht ohne weiteres ein Indiz für überhöhte Preise des klagenden bzw. beklagten EVU (OLG Celle, NJW- RR 1993, 630 f.).  

In einem Arbeitspapier des Bundeskartellamtes vom 25.01.2005 zur „Kartellrechtlichen Behandlung langfristiger Gasbezugsverträge“ wird zudem auf Seite 9 ausgeführt, dass das derzeitige Preisniveau beim Erdgas in Deutschland auf einem abgeschotteten Markt beruht und deshalb nach wirtschaftlicher Erfahrung als marktunüblich überhöht betrachtet wird:

http://www.bundeskartellamt.de/wDeutsch/download/pdf/Diskussionsbeitraege/050125_DiskussionspapierGasvertraege.pdf


http://www.bundeskartellamt.de/wDeutsch/download/pdf/Diskussionsbeitraege/050406_Pressepapier_Gasvertraege.pdf
 
Vgl. auch hier:

Anlegbarer Preis Erdgas/ Heizöl?
Argumente: Parlamentsdokumente zu den Energiepreisen

Der BGW und die Gasversorger müssen wissen, dass die Gerichte hierzu eine andere Auffasung vertreten:

!!!Gaspreisurteil LG Mannheim !!!!


Freundliche Grüße
aus Jena



Thomas Fricke
Rechtsanwalt

Offline RR-E-ft

  • Rechtsanwalt
  • Forenmitglied
  • ***
  • Beiträge: 17.078
  • Karma: +15/-2
  • Geschlecht: Männlich
\"Marktübliche Gaspreise\"?
« Antwort #1 am: 09. Mai 2005, 13:39:48 »
In der derzeitigen Diskussion taucht immer wieder der \"anlegbare\" Preis auf.

Entsprechende Veröffentlichungen beziehen sich zumeist auf den schon bekannten Herrn Kollegen Dr. Kunth, der ersichtlich die Gaslobby BGW vertritt.


Hierzu kann man noch Folgendes anmerken:


Das Bundeskartellamt stellt nicht nur die langfristigen Bezugsverträge, sondern auch die Ölpreisbindung als solche in Frage.

Die Argumentation zum \"anlegbaren\" Preis verkennt zudem Folgendes:

Im Falle steigender Heizölpreise ist der Heizölkunde nicht unbedingt darauf verwiesen, auch zu diesen höheren Preisen zu kaufen:

Er hat nämlich die Möglichkeit, noch vor einer Preiserhöhung den Tank voll auffüllen zu lassen. Ein Gaskunde ohne eigenen Gasomether oder entsprechenden Gasspeicher hat diese Möglichkeit gerade nicht. Der Gaskunde muss das Erdgas in der Regel dann beziehen, wenn der Wärmebedarf tatsächlich besteht.

Wollte man also eine angebliche Wettbewerbssituation zwischen den Wärmeträgern richtig darstellen, wäre es erforderlich, eine mengengewichtete Entwicklung der Heizölpreise darzustellen.

Wenn bei einem hohen Heizölpreis weniger Heizöl nachgefragt wird als bei niedrigeren Preisen, so ergibt sich der Durchschnittspreis nur über einen entsprechenden Zeitraum. Der Gesamtpreis des abgesetzten Heizöls ist durch eine Mengengewichtung darzustellen. Es ist also untunlich als Begründung für einen hohen Erdgaspreis einen hohen Heizölpreis heranzuziehen, zu dem jedoch die Heizölkunden schon nicht kaufen müssen.

Sofern die höheren Preise für Erdgas mit den Gesamtkosten für eine Wärmeversorgung mit leichtem Heizöl damit begründet werden, dass die Gesamtkosten berücksichtigt werden müssten und sich hiernach immer noch viele Neukunden für Erdgas entscheiden, wird zudem verkannt, dass in einigen städtischen Bereichen qua Satzung eine Versorgung mit Erdgas vorgesehen ist, zum anderen KfW- Fördermittel einen zusätzlichen Anreiz zu einer Umstellung auf Erdgas geben, die insoweit den \"Wettbewerb\" zwischen den Wärmeträgern verfälschen.

Der Kunde, der sich einmal für Erdgas als Wärmeträger entschieden hat, ist allein wegen der hohen Anschlusskosten und des Baukostenzuschusses gem. §§ 9, 10 AVBGasV wie auch wegen der hohen Umstellungskosten daran gehindert, die Versorgung unter wirtschaftlich zumutbaren Bedingungen umzustellen. Er ist deshalb wirtschaftlich beim Erdgas \"gefangen\".

Der Heizölkunde hatte entsprechende Anschlusskosten nicht aufzuwenden und muss auch an keinen Lieferanten eine Gebühr bezahlen, wenn er über bivalente Heiztechnik verfügen sollte und deshalb auch mit einem anderen Energieträger heizen kann und deshalb über eine Zeit lang kein Heizöl kauft.

Für den Erdgasanschluss fällt der Grundpreis jedoch auch weiter an, wenn kein Erdgas bezogen wird. Wenn der Kunde den Anschluss jedoch ganz aufgibt und den Vertrag kündigt, ist er ggf. zukünftig für einen \"Neuanschluss\" gezwungen, nochmals Anschlusskosten oder Baukostenzuschuss zu zahlen.

Die Gaswirtschaft mag einwenden, aber der Heizölkunde habe in einem solchen Fall immer noch die kalkulatorischen Kosten des Stallplatzes für den Heizöltank in seinem Keller.

Will die Gaswirtschaft aber etwa an solchen Kosten partizipieren?
Und wenn ja, mit welcher Rechtfertigung?

Es ist zudem immer noch nicht klar, welches Interesse die Erdgas- Förderländer, die oft selbst gar kein Öl fördern,  an der Entwicklung des Preises für leichtes Heizöl auf irgendeinem regionalen Markt in Deutschland haben sollten.

Zudem haben sich bereits jetzt Versorger gegenüber dem Bundeskartellamt verpflichtet, Gastarife losgelöst von der Entwicklung der Heizölpreise anzubieten.

Die sog. Ölpreisbindung ist allein deshalb ersichtlich nicht notwendig.  

Langfristige Bierbezugsverträge, die in der Gastronomiewirtschaft ebenfalls sehr häufig vorkommen, verzeichnen auch keine Preisbindung etwa an den Mineralwasser-,  Limonaden- oder Milchpreis, obschon die Getränke in einem teilweise sehr starkem Wettbewerb zueinander stehen.

Weshalb auch?

Eine solche Preisbindung erscheint schlicht unsinnig.

Der Kunde, der sich bewusst für Erdgas entschieden hat, bezieht ausschließlich Erdgas und nicht etwa Wärme zum Preis einer Wärmeversorgung mit leichtem Heizöl!

Die Ölpreisbindung setzt zudem allein eine Inflationsspirale in Gang, weil sich nicht nur leichtes Heizöl und Benzin, sondern ohne Not auch das Erdgas und über dieses oftmals auch die Stromerzeugung und die Fernwärmeerzeugung verteuern.

Allein diese Inflationsspirale ist ersichtlich Gift für die wirtschaftliche Entwicklung, da sie die Herstellungskosten in Deutschland verteuert und so einen Wettbewerbsnachteil bedeutet und zudem auch die Kaufkraft der privaten Haushalte schmälert und somit die Binnenkonjunktur negativ beeinflusst.


vgl. auch hier:

Anlegbarer Preis Erdgas/ Heizöl?

E.ON Westfalen Weser macht Ernst oder Blufft ??

Aktuelle \"Argumente\" der Gaswirtschaft

Freundliche Grüße
aus Jena



Thomas Fricke
Rechtsanwalt

 

Bund der Energieverbraucher e.V. | Impressum & Datenschutz