Tolle Bescheinigung von EWE gekauftEs lasse sich niemand durch die Urteile des Landgerichts Oldenburg einschüchtern, welche EWE stolz wie Bolle in der Presse vermeldet. Diese Urteile beruhen wohl allein darauf, dass deutsche Richter nicht rechnen können oder wollen oder sich von großen Zahlen leicht erschrecken lassen. Iudex non calculat.
Im Einzelnen:
EWE hatte die renommierte Wirtschaftsprüfungsgesesllschaft Ernst & Young AG (vgl. nur SPIEGEL 44/2007, S. 112) beauftragt, die Gaspreissteigerungen der EWE gegenüber Haushalts- und Gewerbekunden in der Zeit vom 01.09.2004 bis zum 31.12.2006 zu prüfen.
Die Wirtschaftsprüfer sind nach mehr oder weniger gründlicher Prüfung in einer vorliegenden und bei Gericht vorgelegten Bescheinigung an den Vorstand der EWE vom 01.10.2007 zu dem Ergebnis gekommen, dass die Preiserhöhungen
gegenüber Haushalts- und Gewerbekunden der EWE in der Zeit
vom 01.09.2004 bis zum 31.12.2006 allein zu
Mehrerlösen in Höhe von 428,88 Mio. EUR geführt hatten.
Das haben die in Hannover sitzenden Wirtschaftsprüfer auftragsgemäß gegen kleines Entgelt bescheinigt.
Die Controller von EWE sollen ausgerechnet haben, dass die gesamten Gasbezugskosten der EWE, also für die
insgesamt bezogenen Gasmengen einschließlich für Haushalts- und Gewerbekunden sowie Weiterverteiler, Industriekunden etc. in der Zeit
vom 01.01.2004 bis zum 31.12.2006, also in einem acht Monate längeren Zeitraum aber nur um ganze
360,3 Mio. EUR gestiegen sind. So geht es aus einer EWE CO-CIC- Übersicht vom 26.09.07 über \"Vertriebsergebnis Gas\" und \"Vertriebskosten Gas\" in den Geschäftsjahren 2004, 2005 und 2006, die auch bei Gericht vorgelegt wurde, eindeutig hervor. Nanu?
Um 360,3 Mio. EUR waren demnach die Gasbezugskosten der EWE von 2004 auf 2006 gestiegen, so enthalten in der CO-CIC Finanzbuchhaltung, deren Abschlüsse regelmäßig von den Wirtschaftsprüfern PriceWaterhouseCoopers (PwC) mit den EWE Jahresabschlüssen testiert wurden. Diese Zahlen
sollten stimmen, weil Falschbilanzierungen und falsche Wirtschaftsprüfertestate zu Jahresabschlüssen strafbewehrt sind.
Für die Richtigkeit dieser ermittelten Zahlen aus der eigenen
Finanzbuchhaltung hat man die eigenen EWE- Controller dem Gericht als Zeugen benannt. Bekanntlich unterliegen auch Zeugen der Wahrheitspflicht und können vereidigt werden, so dass sich auch daraus die entsprechenden Schlüsse ziehen lassen. Meineid ist mit einer Mindeststrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe bedroht und also ein Verbrechen.
Prekär daran, dass die Wirtschaftsprüfer der Ernst & Young AG, denen alle Unterlagen zur Verfügung gestanden hatten, herausgefunden haben wollten, dass die Gasbezugskosten für Lieferungen an Haushalts- und Gewerbekunden vom 01.09.2004 bis zum 31.12.2006 um 617,14 Mio EUR gestiegen sein sollen, was sie ebenfalls
auftragsgemäß bescheinigt haben.
Ganz offensichtlich ein Ding der Unmöglichkeit, wenn sich aus der EWE- Finanzbuchhaltung doch eindeutig ergibt, dass die
gesamten Gasbezugskosten der EWE vom 01.01.2004 bis zum 31.12.2006 doch nur um 360,3 Mio. EUR gestiegen sein sollen. Mathematik Grundschule, wohl von Wirtschaftsprüfern seinerzeit abgewählt.
EWE hat aber sogar auch Unterlagen bei Gericht vorgelegt, aus denen eindeutig hervorgeht, dass die Gasbezugskosten bei Vorliefarenten auch im III. Quartal 2003 und im I.Quartal 2004 um ca. 0,30 Cent/ kWh deutlich gesunken waren, ohne dass deshalb eine Preissenkung gegenüber Haushaltskunden erfolgte.
Demnach kann gegenüber der vorhergehenden einseitigen Preisfestsetzung am 01.01.2003 der kumulierte Bezugskostenanstieg noch nicht einmal die genannten 360,3 Mio. EUR betragen haben, sondern muss wohl deutlich geringer ausgefallen sein.
Mit diesem Vortrag sind jedenfalls
die Spezialisten von Freshfields Bruckhaus Deringer zuletzt vor dem Landgericht Frankfurt/ Oder in dem Verfahren mit dem Aktenzeichen 14 O 23/06 vorstellig geworden, um darzustellen, dass mit den Preiserhöhungen gegenüber Haushaltskunden die Bezugskostensteigerungen noch nicht einmal vollständig weitergegeben worden seien. Man behauptet dabei anhaltend negative Gasvertriebsergebnisse in zweistelliger Millionenhöhe mit seit Jahren \"
spezifischen Kostenunterdeckungen\" in den betroffenen Gaslieferungsverträgen, als wäre die EWE plötzlich eine Außenstelle der Caritas.
Sehr gewagt. Denn nun dürfte es nicht nur ein Problem geben.
Zum einen könnte nun schon die Bundesnetzagentur die Frage stellen, ob der Netzbetreiber EWE Netz den dauerdefizitären EWE Gasvetrieb etwa mit Millionenbeträgen dauersubventioniert, was nur mit überteuerten Netzentgelten möglich wäre, die sich deshalb weiter absenken ließen.
EWE lieferte zudem nur etwa die Hälfte des gesamten Gasbezuges an solche Haushalts- und Gewerbekunden.
Die andere Hälfte des Gases wird ausweislich der im Internet veröffentlichten Geschäftsberichte der EWE an Weiterverteiler, Wärmeerzeuger, Kraftwerksbetreiber, Industriekunden abgesetzt.
So setzte EWE ausweislich des Konzernlageberichts 2004 auf Seite 19 in der Zeit vom 01.01.2004 bis zum 31.12.2004 von insgesamt 42.409 Mio. kWh Gas nur 23.394 Mio kWh an Tarif- und Heizgassonderkunden ab, 14.370 Mio kWh an echte Sondervertragskunden, also Industrie und Kraftwerke und weitere 4.645 Mio kWh an Verteilerwerke (Stadtwerke).
In den Geschäftsjahren 2005 und 2006 war es ähnlich.
Siehste hier.Aus den von EWE vorgelegten Unterlagen und aus deren Jahresabschlüssen ergibt sich, dass EWE in der Zeit vom 01.01.2004 bis zum 31.12.2006
insgesamt nur eine Bezugskostensteigerung um 1,19 Cent/ kWh erfahren hatte. Den Haushaltskunden hatte man in dieser Zeit exakt 1,51 Cent/ kWh (netto) aufgebürdet.
Die gesamten Gasbezugskosten der EWE entwickelten sich somit parallel zu den Erdgasimportpreisen und den Großhandelspreisen entsprechend des aktuellen Monitoringberichts der Bundesnetzagentur, S. 155 ff.
Die Großhandelspreise für Erdgas waren seit 2003 nur um etwa 0,92 Cent/ kWh gestiegen, lagen im Jahr 2004 insgesamt unter den Großhandelspreisen im Jahr 2003.
Den Haushaltskunden hat man demgegenüber kraft
angeblichen einseitigen Bestimmungsrechts in dieser Zeit ca. 50 Prozent mehr aufgebürdet.
Die Prozessgegner der EWE haben die von den Wirtschaftsprüfern Ernst & Young AG bescheinigten erzielten Mehrerlöse bei HuK- Gaskunden und die in der EWE- Finanzbuchhaltung ausgewiesenen und unter Beweis gestellten insgesamten Bezugskostensteigerungen unstreitig gestellt, so dass die Unbilligkeit der Preiserhöhungen gegenüber HuK- Gaskunden ohne weitere Offenlegung der Kalkulationsgrundlagen bereits feststeht, es keiner weiteren Prüfung und Erörterung mehr bedarf.
Die Sache erscheint somit entscheidungsreif.
Demnach hätte EWE allein bei den Haushalts- und Gewerbekunden in der Zeit vom 01.01.2004 bis zum 31.12.2006 sage und schreibe 68,58 Mio EUR mehr erlöst, als die
gesamten Gasbezugskosten des Unternehmens in der Zeit vom 01.01.2004 bis zum 31.12.2006 überhaupt
insgesamt gestiegen waren. Wer hätte das für möglich gehalten ?!!!
Mit anderen Worten:
Bei den Stadtwerken, Industriekunden und Heizwerken gab es gar keinen Gaspreisanstieg der EWE, sondern die Gaspreise blieben stabil oder EWE hat bei diesen Kunden auch noch einmal abgegriffen, weil man ja nie genug bekommen kann. Natürlich stiegen auch deren Preise.
Pikanterweise hat EWE im selben Prozess durch die gleichen beauftragten
Spezialisten sogar vortragen lassen, dass die Gaspreise für Industriekunden und Weiterverteiler noch viel stärker gestiegen seien als bei Haushaltskunden. Da bedarf es dann auch keiner höheren Mathematik mehr.
Also wohl weitere Mehrerlöse in Höhe von pi x Daumen x Fensterkreuz noch einmal ca. 250 - 300 Mio EUR als sog. Mitnahme- Effekt. Schließlich muss sich die Differenz zwischen 617,14 Mio. EUR und 360,3 Mio. EUR, also 257 Mio. EUR wohl irgendwo herleiten lassen. Gewürfelt haben wird man wohl nicht.
Beteiligte erwägen nun, wegen des von den Wirtschaftsprüfern gefundenen Ergebnisses die Staatsanwaltschaft einzuschalten, damit ggf. eine Tiefenkontrolle der Angaben zu den Bilanzen erfolgen kann.
Prekär:Die beauftragten Wirtschaftsprüfer wussten, dass ihre Bescheinigung vom 1.10.2007 zur Vorlage bei Gericht dienen soll. Dafür wurden solche Bescheinigungen erstellt.
Noch prekärer:Es gibt eine sog.
\"Vollständigkeitserklärung\" vom 26.01.2007, unterzeichnet von den EWE Vorständen Dr. Werner Brinker und Michael Wagener, dass den Wirtschaftsprüfern
sämtliche Unterlagen, Bücher, Lieferverträge, Bezugsrechnungen usw.
vollständig zur Verfügung gestellt worden waren.
Die vorgelegten Unterlagen sind auch auf dem Weg zum Bundeskartellamt, um die Gaspreisbildung der EWE dort nach den neuen Bestimmungen ggf. nun doch einmal einer Tiefenprüfung zu unterziehen. Die von EWE beauftragten
Spezialisten hatten in ihrem letzten Schriftsatz auch darauf hingewiesen, dass das Bundeskartellamt die Gaspreise der EWE
noch nie vertieft geprüft hätte. Dann wird es nun aber doch wohl langsam Zeit. Das aussichtsreiche Material dafür haben sie jedenfalls geliefert.
Nun muss der alte Streit endlich entschieden werden.