Von Versorgern zitierte Entscheidungen zu § 315 BGB (alle hinsichtlich der Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB im Strombereich):
sämtlich veröffentlicht in RdE \"Recht der Elektrizitätswirtschaft\",
in jeder guten Hochschulbibliothek zu finden:
LG Hannover, Urteil vom 04.11.2003 - 18 O 387/02 - Kart-RdE 2004, S. 54
behandelt einen
Rückforderungsprozess eines
Sondervertragskunden,
bei dem der Preis - jeweils Sonderkonditionen - individuell vereinbart wurde, § 315 BGB unanwendbar,
zudem Hinweis auf Darlegungs- und Beweislast im Rückerstattungsprozess wie BGH Urteil vom 05.02.2003 - VIII ZR 111/02, einer Billigkeitskontrolle unterliegt nur der Gesamtstrompreis, nicht aber einzelene Bestandteile (Netznutzungsentgelte)
-> Billigkeitskontrolle von Strompreisen grundsätzlich bestätigt
LG Rostock, Urteil vom 12.03.2004 - 3 O 181/03RdE 2004, S. 175
behandelt Billigkeitskontrolle von
Netznutzungsentgeltenanaloge Anwendung der Vorschrift des § 315 BGB nur im Bereich der Daseinsvorsorge, da es keine spezialgesetzlichen Regelungen im Hinblick auf die Höhe der Strompreise gibt
Im Hinblick auf die Höhe der Netznutzungsentgelte nunmehr spezialgesetzliche Regelung in §§ 19 Abs. 4 GWB, § 6 EnwG
Im Hinblick auf das Entgelt für die reine Stromlieferung hat der Gesetzgeber keine solche Regelung getroffen, bleibt also wie immer schon, vgl. oben
bestehende Rechtsprechung zur Daseinsvorsorge wird zitiert und bestätigt.
LG Magdeburg, Urteil vom 01.07.2004 - 36 O 2703 (001)RdE 2005, S. 23
behandelt einen
Rückersattungsprozess eines
Sondervertragskundenentsprechende Anwendbarkeit von § 315 BGB nur für den Bereich der Daseinsvorsorge bestätigt,
im konkreten Fall jedoch individuell vereinbarte Strompreise, zudem Darlegungs- und Beweislast im Rückforderungsprozess wie BGH, Urteil vom 05.02.2003 - VIII ZR 111/02
LG Potsdam, Urteil vom 09.07.2004 - 52 O 208/02RdE 2004, S. 307
betrifft einen
Rückerstattungsprozess eines
Sondervertragskundenentsprechende Anwendbarkeit nur im Bereich der Daseinsvorsorge, nicht bei individueller Preisvereinbarung, aber für einseitige Preisanpassungen:
\"Dann aber könnte der Kläger nur eine Unbilligkeit der Preisgestaltung in dem Umfang rügen, in dem nachträglich von der Bekl. eine nachteilige Abänderung vorgenommen wurde- was aber schon nicht Gegenstand des Klagebegehrens ist\".
jedoch Darlegungs- und Beweislast im Rückforderungsprozess wie BGH Urteil vom 05.02.2003 - VIII ZR 111/02
LG Köln, Urteil vom 23.07.2004 - 81 O (Kart) 207/01RdE 2004; S. 306
betrifft Billigkeitskontrolle von
NetznutzungsentgeltenVerweis auf Spezialregelung wie bei LG Rostock
entsprechende Anwendung von § 315 BGB nur auf Fälle der Daseinsvorsorge:
Aber hier in den Entscheidungsgründen:
\"§ 315 BGB als älteres, allgemeines Gesetz hat folgende Konsequenzen:
Es genügt, dass der Vertragspartner die \"Billigkeit\" bestreitet und es ist dann Sache des Anderen, seine Kostenkalkulation- also die intimsten Geschäftsgeheimnisse - offen zu legen; bis zum Abschluss des Verfahrens, also bis zur Rechtskraft des \"billigen\" Entgelts wäre dann vom Zahlungspflichtigen überhaupt nichts zu leisten, obwohl er seinerseits nach wie vor Anspruch auf die Leistung hat.\" LG Bremen, Urteil vom 22.07.2004 - 12 O 82/03RdE 2004; S. 304
betrifft Billigkeitskontrolle von
NetznutzungsentgeltenVerweis auf Spezialregelung wie LG Rostock
entsprechende Anwendung von § 315 BGB nur auf Fälle der Daseinsvorsorge
LG Kiel, Urteil vom 06.10.2004 - 14 O Kart. 191/02RdE 2005, S. 53
betrifft Strompreis für
Sondervertragskunden mit
individuell vereinbarten Preisenentsprechende Anwendung von § 315 BGB nur im Bereich der Daseinsvorsorge
Aus den Gründen:
\"Die Bekl. hat der Kl. Sonderkonditionen angeboten, die diese angenommen hat. Schon dieser Umstand spricht gegen einen mit einem einseitigen Bestimmungsrecht einer Partei vergleichbaren Sachverhalt... Mit den Modifizierungen vom 22.09.1998 bzw. 21.08.2001 hat die Bekl. auf die Liberalisierung des Strommarktes reagiert. Die Kl. hat von einem Stromhändlerwechsel keinen Gebrauch gemacht, sondern in Kenntnis der Möglichkeit des Wechsels zu einem neuen Anbieter die Angebote zur Modifizierung des Sondervertrages \"LN33\" angenommen.\"
zudem nur Netznutzungsentgelt als Preisbestandteil als unbillig angegriffen, vgl. LG Hannover
Anmerkung:
Im Bereich von echten Sondervertragskunden, die aufgrund ihres hohen Verbrauchs - anders als normale Haushaltskunden - eine entsprechende Nachfragemacht und daraus resultierend eine vergleichsweise gute Verhandlungsposition gegenüber dem EVU haben, fand § 315 BGB noch nie entsprechende Anwendung.
Die entsprechende Anwendung von § 315 BGB greift immer dort, wo der Versorger aufgrund seiner Marktmacht die Preise faktisch selbst bestimmt, weil er mit den Kunden nicht wirklich über den Preis verhandelt, so also bei der Versorgung zu den Allgemeinen Tarifen
OLG Karlsruhe, Urteil vom 27.10.2004 - 6 U 22/04RdE 2005; S. 51
betrifft Billigkeitskontrolle von
Netznutzungsentgeltenentsprechende Anwendung von § 315 BGB nur im Bereich der Daseinsvorsorge
Fazit:
Es gibt also kein aktuelles Urteil, in welchem die Rechtsprechung zur Billigkeitskontrolle Allgemeiner Tarife (BGH Urteil vom 05.02.2003 - VIII ZR 111/02 mit weiteren Nachweisen und Urteil vom 30.04.2003 - VIII ZR 278/02 und 279/02 in entsprechender Anwendung des § 315 BGB aufgehoben wurde, vielmehr wurde diese immer wieder durch Instanzgerichte zitiert und somit bestätigt.Die Billigkeitskontrolle scheidet dort aus, wo im Vertrag selbst Preise (individuell) vereinbart wurden.
In diesem Bereich können nur noch die einseitigen Preisänderungen zu ungunsten des Kunden nach der Rechtsprechung des LG Potsdam einer Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB unterzogen werden.
Zum Begriff der
\"Daseinsvorsorge\" vgl. den Aufsatz
\"Die Anschluss- und Versorgungspflicht gem. § 10 EnWG\"
Dr. Gunbritt Galahn, RdE 2004, S. 35
Versorgung von Letztverbrauchern im Netzgebiet zu Allgemeinen Bedingungen (AVBV) und zu Allgemeinen Tarifen (Strom: BTOElt; Gas BTOGas 1998 ersatzlos entfallen) Der BGH hat die Billigkeitskontrolle von Strompreisen im Urteil vom 05.02.2003 - VIII ZR 111/02 bestätigt und dabei vollkommen offen gelassen, ob einer Tarifgenehmigung Indizwirkung für die Billigkeit der Strompreise zukommt:
Eine bestehende behördliche Preisaufsicht und eine erteilte Tarifgenehmigung schließen also eine Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB schon nicht aus.
Der Versorger muss demnach schon im Rückforderungsprozess die erteilte Tarifgenehmigung nachweisen und alle Tarifgenehmigungsunterlagen einschließlich der Kostenträgerrechnungen vorlegen, damit geprüft werden kann, ob diese etwa Zweifel an der Ordnungsgemäßheit des Genehmigungsverfahrens gebieren.
Im Zahlungsprozess trifft den Versorger nach dem Urteil des BGH vom 05.02.2003 - VIII ZR 111/02 die volle Darlegungs- und Beweislast für die Billigkeit der geforderten Tarife, vgl. nur oben LG Köln zur Konsequenz daraus.
Deshalb meiden Versorger Zahlungsklagen nach dem Unbilligkeitseinwand und wollen die Kunden auf Rückerstattungsprozesse verwiesen sehen. Sie verweisen deshalb auf § 30 AVBV, der nach den Urteilen des BGH vom 30.04.2003 - VIII ZR 278/02 und 279/02 jedoch durch den Unbilligkeitseinwand gem. § 315 BGB gerade durchbrochen wird.
Nichts anderes kann im Bereich der Daseinsvorsorge bei der Versorgung mit Gas gelten, wo es jedoch schon gar keine Tarifgenehmigungsverfahren (mehr) gibt.
Ebenso dürfte es sich bei der Wasserversorgung aufgrund privatrechtlicher Verträge auf der Grundlage der AVBWasserV verhalten, vgl. hierzu nur die genannten BGH- Urteile vom 30.04.2003.
Neue Rechtsgutachten von Prof. Dr. Schwintowski, Humbuldt- Univ. Berlin und Rechtsanwalt von Hammerstein zur Billigkeitskontrolle von Netznutzungsentgelten vom 08.03.2005 finden sich hier:
http://www.neue-energieanbieter.de/aktuelles/schwerpunkt/index.htmlFreundliche Grüße
aus Jena
Thomas Fricke
Rechtsanwalt